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Caritas kritisiert Stadt Köln„Wenn wir nicht gegensteuern, laufen wir in die Versorgungs-Katastrophe“

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Markus Peters, Vorstand der Kölner Caritas

Markus Peters, Vorstand der Kölner Caritas.

Seit einem Jahr ist Markus Peters Vorstandssprecher der Kölner Caritas. Im Bereich Altenpflege sei Köln sehr schlecht aufgestellt, sagt er. 

Seit einem Jahr ist Markus Peters Vorstandssprecher der Kölner Caritas mit 2300 Beschäftigten und rund 1600 ehrenamtlich Engagierten. Kurz vor der letzten Ratssitzung des Jahres am 16. Dezember sieht Peters sich wie die Verantwortlichen aller anderen sozialen Träger mit einer schwerwiegenden Hängepartie konfrontiert: Die verhängte Haushaltssperre und die Unklarheit über deren Dauer betrifft viele sogenannte freiwillige Leistungen, über die viele soziale Angebote und Dienste in Köln finanziert werden – befristete Arbeitsverträge können deswegen von kleinen Trägern nicht verlängert werden, größere wie die Caritas „müssen mutig sein und selbst in Vorleistung gehen, damit wir unseren Mitarbeitenden größtmögliche Planungssicherheit geben können“, so Peters.

„Wir übernehmen Aufgaben, für die die Stadt Köln verantwortlich ist“

Große Unsicherheit herrscht bei den Trägern auch, weil die Stadt Köln noch nicht über die Zukunft des so genannten Strukturförderfonds 2026 entschieden hat, mit dem gestiegene Personal- und Energiekosten für soziale Einrichtungen, die nicht zum öffentlichen Dienst gehören, ausgeglichen worden sind. „Wir übernehmen Aufgaben, für die die Stadt Köln verantwortlich ist, und die gesellschaftlich voll im Fokus stehen: zum Beispiel Seniorenarbeit, Kinder- und Jugendarbeit, Integration“, sagt Peters. „Es muss daher selbstverständlich sein, dass wir unsere Beschäftigten genauso bezahlen können, wie die Stadt das tut. Wenn wir jedes Jahr darum bangen müssen, ob wir unsere Versorgungslücke ausgleichen können, ist es das offenbar aber nicht.“

Er sehe die finanzielle Not der Stadt Köln. „In den Forderungen an Land und Bund, die Städte besser zu finanzieren, stehen wir voll an der Seite der Kommune“, so Peters. „Vor Ort in den Städten und Gemeinden entscheidet sich die Zukunft der Demokratie.“ Daher bedeute es „einen Ausdruck für partnerschaftliche Zusammenarbeit, uns frühzeitig Planungssicherheit zu geben – das gilt nicht nur für das kommende Jahr, sondern auch für 2027 und 2028.“

„Statt über Fakten zu diskutieren, wird Populismus betrieben“

Die Politik erinnert Peters daran, „dass die Lohnerhöhungen im Bereich Pflege und im Sozialen gewollt waren – in der Corona-Pandemie hat es hier glücklicherweise ein Umdenken gegeben, das für fairere Bezahlungen der hohen Qualität gesorgt hat.“ Die Tarife im Sozial- und Erziehungsdienst seien in den vergangenen fünf Jahren um rund 20 Prozent gestiegen. „Jetzt auf die enormen Kostensteigerungen zu verweisen und zu klagen, ist deswegen nicht hinnehmbar“, sagt der 49-jährige Kölner, der vorher als Vorstandssprecher des Sozialdienstes katholischer Männer (SKM) gearbeitet hat.

Besorgt beobachtet Peters, wie sich der Diskurs über polarisierende Themen wie Migration oder Bürgergeld entwickelt. „Statt über Fakten zu diskutieren, wird Populismus betrieben“, meint der 49-Jährige. „Der Fokus auf den Missbrauch von Sozialleistungen wie dem Bürgergeld ist statistisch gesehen ein marginales Thema, spaltet aber die Gesellschaft und stärkt die extremen Ränder.“ Ähnlich verhalte es sich mit der Migration: „Was würde geschehen, wenn wirklich alle Menschen aus Syrien, die seit 2015 zu uns gekommen sind, zurückgehen würden? Dann gingen in unserem Pflege- und Gesundheitssystem die Lichter aus“, sagt Peters. „Wir müssen uns als Gesellschaft einig sein, dass wir Migration dringend brauchen, um den Status überhaupt zu erhalten.“ Dafür brauche es eine Debatte, „in der die Menschen gesehen werden – und nicht vor allem die Straftäter, die es auch gibt und mit denen konsequent umgegangen werden muss.“

Für Köln sieht Markus Peters in der guten und würdevollen Versorgung alter Menschen ein Schlüsselthema. „Das ist die große soziale Frage unserer Zeit.“ Im Bereich stationäre Altenpflege habe Köln „eine der schlechtesten Versorgungsquoten landes- und auch bundesweit“. In den kommenden 15 Jahren brauche es in Köln rund 40 neue Einrichtungen. „Wenn wir heute nicht anfangen gegenzusteuern, laufen wir sehenden Auges in die Versorgungs-Katastrophe.“

Der neue Oberbürgermeister Torsten Burmester (SPD) stehe vor der Herausforderung, „das soziale Köln zu erhalten und zu stabilisieren“, sagt Peters. In Gesprächen habe er sich „offen für unsere Anliegen gezeigt. Jetzt hoffen wir, dass das so bleibt und der Oberbürgermeister mit dem Rat Lösungen findet, die den sozialen Frieden in Köln sichern“.