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Dom-AnekdotenKurzvisite bei den Königen von Köln

Lesezeit 3 Minuten
Der Dreikönigenschrein ist der Höhepunkt für die Pilger.

Der Dreikönigenschrein ist der Höhepunkt für die Pilger.

  • Den Kölner Dom kennt jeder. Aber wie gut kennen sich die Kölner wirklich aus in „ihrer“ Kathedrale?
  • Jede Woche haben wir für Sie eine neue Geschichte vom Dom – erzählt von einer, für die er eine Art zweites Zuhause ist: Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
  • In dieser Folge geht es um den Besuch einer chinesischen Regierungsdelegation.

Köln – Es wird wieder Frühling, und ich erinnere mich, wie mich und uns alle vor einem Jahr die Corona-Schreckensnachrichten erreichten: Absage aller Großveranstaltungen, Ausfall der lit.Cologne samt Domlesung, schließlich auch der zeitweilige Verzicht auf öffentliche Gottesdienste und – folglich – die Schließung des Doms für das Publikum, einzelne Beter ausgenommen.

Das war eine schlimme Zeit. Aber ein Jahr nach Beginn der Pandemie sind wir von Normalität ja immer noch weit entfernt. Ich muss jedes Mal daran denken, wenn ich am Dom vorbeilaufe. Und das geschieht – Sie ahnen es – ziemlich oft. Wie gern würde ich Sie wieder „einfach so“ mit in den Dom nehmen und Ihnen neue Geschichten erzählen. Aber noch immer gelten recht strenge Auflagen für Besuche im Inneren. Darum habe ich mir etwas anderes überlegt: Für manche Anekdoten müssen Sie gar nicht in den Dom gehen. Sie müssen ihn noch nicht einmal umrunden, wie ich Ihnen das zuletzt in der Weihnachtszeit empfohlen hatte. Bis auf Weiteres beschränke mich also auf Geschichten, die „einfach so“ funktionieren. Geschichten von berühmten Gästen und skurrilen Besuchen zum Beispiel.

Wichtige Gäste aus China 

Die erste handelt von einer hochrangigen Regierungsdelegation aus China. Ich erhielt dazu eine Anfrage der Staatskanzlei in Düsseldorf: Die Frau Dombaumeisterin möge den Herren – es waren ausschließlich Herren – im Rahmen ihres Aufenthalts in Nordrhein-Westfalen doch bitte am Sonntagvormittag den Kölner Dom zeigen. Ich schrieb sehr freundlich zurück und wies darauf hin, dass am Sonntagvormittag bekanntlich Gottesdienste im Dom stattfänden und eine Führung somit leider nicht möglich sei. Das gehe nun aber auf gar keinen Fall, teilte man mir mit. Eine Dombesichtigung sei ausdrücklich gewünscht. Dafür sei im Programm eine Stunde vorgesehen, und die hätte ich nun irgendwie zu füllen.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Eine sehr kurze Domführung 

Nun wollten wir keine diplomatischen Verwicklungen schaffen und uns den ausländischen Gästen gegenüber auch als gebührend höflich erweisen. Also nahm ich die Delegation auf dem Bahnhofsvorplatz entgegen und führte sie zunächst in die Domschatzkammer. Die kann man schließlich jederzeit besichtigen.

Danach war mit der Domgeistlichkeit vereinbart, dass ich zwischen dem Ende des Kapitelsamts und der Mittagsmesse um 12 Uhr recht exakt 20 Minuten Zeit hätte, um mit den Besuchern einmal durch den Dom zu preschen. Ich glaube, es war die kürzeste Domführung, die ich je gemacht habe – mit einem Redeanteil von vielleicht acht Minuten. Meine Erklärungen mussten ja noch von einem Dolmetscher aus dem Englischen ins Chinesische übersetzt werden.

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Da stößt man, das kann ich Ihnen versichern, nicht nur an sprachliche, sondern auch an kulturelle Grenzen. Wir kommen also zum Dreikönigenschrein. Nun erklären Sie mal in ein, zwei Minuten die kultische Verehrung von Reliquien im Mittelalter im Allgemeinen oder die Geschichte der Heiligen Drei Könige und ihrer Gebeine im Besonderen!

Mao-Vergleich? Zu heikel!

Ob ich das mit einer Pilgerreise zum Mao-Mausoleum vergleichen darf? Zu heikel, denke ich mir. Also konzentriere ich mich auf die Kostbarkeit des Schreins und die einmalige Qualität der Goldschmiedearbeiten, um dann höchst gravitätisch hinzufügen, dass der Schrein „the bones of very famous kings“ enthalte – die Knochen überaus berühmter Könige. Die Herren nickten übrigens höflich-interessiert und sehr verständig. Wer weiß, was sie später daheim von ihrem Besuch bei den Königen von Köln erzählt haben.

Aufgezeichnet von Joachim Frank

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