Der mutmaßliche Kölner Drogenboss soll sich sehr bald vor dem Landgericht verantworten.
„Kölner Drogenkrieg“XXL-Drogengeschäfte, Geiselnahmen, Explosionen – Anklage gegen Sermet A. ist da

Auch die Sprengstoffexplosion an einem Geschäft in der Ehrenstraße wird dem Beschuldigten zugeordnet.
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Nach den ersten Verurteilungen mehrerer Randfiguren im Komplex „Kölner Drogenkrieg“ steht bald die Schlüsselfigur vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Köln hat Anklage gegen den mutmaßlichen Kalker Bandenboss Sermet A. erhoben, sie legt ihm Drogengeschäfte im großen Stil, Geiselnahmen und Explosionen vor Wohn- und Geschäftshäusern zur Last. Für die Ermittler reicht die Höchststrafe von 15 Jahren Gefängnis für den 23-Jährigen nicht aus – die Behörde verfolgt das Ziel der Sicherungsverwahrung.
Köln: Raub von 350 Kilo Marihuana löste „Drogenkrieg“ aus
Der in Köln geborene Deutsch-Iraker soll sich spätestens ab dem Jahr 2022 mit groß angelegten Drogengeschäften beschäftigt und mehrere Komplizen um sich gescharrt haben. Die Bande dealte laut den Ermittlern mit Marihuana, Ecstasy, Kokain und Heroin. Lieferanten soll Sermet A. in Marokko und den Niederlanden gesucht und gefunden haben. Die Anklageschrift listet eine erfolgreiche Lieferung von mehr als 580 Kilogramm Marihuana nach Leverkusen auf und Verkäufe daraus.
Wenige Tage später, im Juni vergangenen Jahres, soll eine Lieferung von mehr als 700 Kilogramm Cannabis den sogenannten „Drogenkrieg“ ausgelöst haben. Die Hälfte des Stoffes wurde aus einer Lagerhalle in Hürth geraubt. Sermet A. soll danach alles versucht haben, die ihm geklauten Drogen wiederzuerlangen. Laut Anklage verdächtigte er Mitglieder seiner Bande und ließ diese foltern. Drei engagierte Niederländer wurden dafür zuletzt vom Landgericht zu hohen Haftstrafen verurteilt.
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Köln: Angeklagter soll fünf Explosionen veranlasst haben
Auch soll Sermet A. hinter dem Kidnapping eines Pärchens aus dem Ruhrgebiet stecken, deren Umfeld ebenfalls verdächtigt wurde. Die Geiseln wurden in eine Villa nach Rodenkirchen verschleppt und misshandelt. Sie wurden – wie auch die Opfer in Hürth – nach dem Hinweis eines Zeugen befreit. Bereits im Jahr 2023 sollen A. und Komplizen ein Bandenmitglied erpresst und mit einem Messer verletzt haben. Auch hier ging es um entwendete Drogen. Bewiesen wurde das auch hier aber nie.

In dieser Villa in Rodenkirchen beendete ein SEK im Juli 2024 eine Geiselnahme.
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Während die Geiselnahmen und Drogengeschäfte eher im Verborgenen abliefen, zeigten vor allem die öffentlichen Sprengstoffanschläge das beängstigende Ausmaß des Konflikts innerhalb des Drogenmilieus. Fünf Explosionen rechnen die Ermittler dem Beschuldigten zu, vier davon sollten laut Anklage der Einschüchterung potenzieller Drogenräuber gelten. Die Serie startete am 29. Juni 2024 in der Keupstraße. Ein Sprengsatz detonierte vor einer Shisha-Bar, es kam zu erheblichen Schäden.
Köln: Auf Flughafen in Paris festgenommen
Einen Tag später explodierte ein Sprengsatz vor einem Mehrfamilienhaus auf der Wichheimer Straße in Buchheim. Die Haustür wurde dabei herausgerissen, Fenster zerklirrten. Als ein Handwerker danach die Schäden begutachtete, kommentierte er fassungslos: „Wo sind wir hier eigentlich? Im Bürgerkrieg?“ Auch in Engelskirchen und Duisburg wurden Sprengsätze vor Häusern gezündet, zuletzt im September 2024 vor einem Geschäft in der Ehrenstraße – hier sei um Geldforderungen gegangen.
Sermet A. soll den Großteil der angeklagten Taten aus dem Ausland heraus gesteuert haben. Zuletzt habe er sich in Dubai aufgehalten. Im Oktober wurde der 23-Jährige bei seiner Einreise nach Frankreich auf einem Pariser Flughafen festgenommen. A. kam in Untersuchungshaft, sitzt getrennt von mutmaßlichen Mittätern in der JVA Bielefeld ein. Nach seiner Festnahme soll der Kölner weiter Drogengeschäfte betrieben und aus der Haft heraus mit einem Komplizen kommuniziert haben.
Köln: Ermittler wollen Sicherungsverwahrung für Sermet A.
Die Notwendigkeit der Sicherungsverwahrung begründen Staatsanwältin Heike Nöldgen und ihr Kollege Tilman Reiner in ihrer 315 Seiten starken Anklageschrift mit der aktuellen Gefährlichkeit des Beschuldigten. Die Ermittler führen Verurteilungen wegen Drogendelikten ins Feld und eine Gesamtwürdigung der jetzigen Vorwürfe. A. hat im Ermittlungsverfahren geschwiegen. Sein Verteidiger Wolf Bonn reagierte auf eine Anfrage dieser Zeitung mit Bitte um Stellungnahme nicht.
Neben Sermet A. muss sich im selben Verfahren auch der Iraker Khedir K. verantworten. Der 25-Jährige soll in führender Position direkt unter dem mutmaßlichen Drogenboss agiert und Drogenlieferungen verarbeitet haben. Er soll an den Geiselnahmen in Hürth und Rodenkirchen beteiligt gewesen, in einem Fall sogar selbst misshandelt worden sein. K. droht zum jetzigen Zeitpunkt nicht die Sicherungsverwahrung, jedoch die maximale Strafe von 15 Jahren Gefängnis.
Köln: Beiden Angeklagten drohen hohe Haftstrafen
Wann der mit Spannung erwartete Prozess – Aktenzeichen: 114 KLs 16/25 – vor der 14. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts startet, steht noch nicht fest. Die Strafkammer müsse nun im sogenannten Zwischenverfahren entscheiden, ob die Anklageschrift mit der von der Staatsanwaltschaft vorgenommenen rechtlichen Würdigung zur Hauptverhandlung zugelassen wird. „Diese Entscheidung kann einige Zeit in Anspruch nehmen“, teilte ein Sprecher des Landgerichts mit.
Dass den Angeklagten die höchstmögliche Strafe droht, zeigen die bisherigen Prozesse am Landgericht. Für eine Beihilfehandlung im Rahmen der Geiselnahme in Rodenkirchen wurde ein Komplize zu immerhin vier Jahren Haft verurteilt, drei Niederländer für die Misshandlungen in Hürth in der Spitze bereits zu neun Jahren Gefängnis. Sermet A. und Khedir K. werden aber zusammen 35 Taten zur Last gelegt. Belastet werden sie auch durch Kronzeugen, einst Mitglieder der Kölner Bande.