Kölner Experte Masih Samin„Der Hund bietet eine Riesenprojektionsfläche“
Der Hundeflüsterer Masih Samin auf der Hundewiese im Zollstocker Vorgebirgspark.
Copyright: Csaba Peter Rakoczy
Köln – Die einen haben die Corona-Zeit zum Renovieren oder zum gründlichen Ausmisten genutzt, er hat ein neues Buch geschrieben. Vier Monate habe er an „Stadt-Wölfe“ gearbeitet, berichtet Masih Samin bei einem Spaziergang durch den Stadtwald. Wie in seinem Erstling („Sei höflich zu Deinem Hund!“) geht es auch im neuen Werk des Hunde-Verhaltenstherapeuten um das Verhältnis zwischen Mensch und Vierbeiner und darum, wie man der Natur unserer Hunde in der modernen Welt gerecht wird.
Der in Kabul geborene, aber schon seit 1994 in Köln lebende Samin benutzt den Stadt-Wolf als Synonym für den heutigen Haushund. Ausgehend von dem Gedanken, dass wir aus dem einstigen Lagerwolf so variationsreiche Nachfolger wie Terrier, Chihuahuas, Pinscher und vieles mehr gezüchtet haben, ist es für ihn bemerkenswert, wie die von uns geschaffenen Hunde in der von uns geprägten Welt nun ganz nach unseren Regeln leben müssen. „Wir entscheiden, an welcher Stelle sie ab- oder angeleint werden dürfen und wo nicht, oder was es bedeutet, wenn die Ampel grün ist. Wir entscheiden über das Tempo und darüber, welcher Weg gegangen wird.“
Hund spiegelt ständig, wie wir uns fühlen
Obwohl Samin überzeugt ist, dass in der jetzigen Erscheinungsform noch viel vom ehemaligen Wolf drinsteckt – („es steckt allerdings auch viel vom Menschen drin!“) – spricht der 33-Jährige vom Hund gerne als unserem „leisen Kritiker, der neben uns herläuft und ständig spiegelt, wie wir uns innerlich fühlen“.
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Ständig zu spiegeln, wie wir uns fühlen, klingt nach einer echt schweren Aufgabe; denn wenn Samin recht hat, wissen wir das oft selber nicht; zumal wir auf unseren Spaziergängen meistens weniger mit unserem Hund, als mit dem vor uns liegenden Tagwerk, Aufgaben oder anstehenden Meetings beschäftigt sind. Der Hund läuft also im wahrsten Sinne des Wortes nebenher.
Ein Appell an den Zweibeiner
Das ist insofern fatal, als es unserem vierbeinigen Freund „immer in erster Linie um Sicherheit geht“. Und wenn wir mit uns nicht im Einklang sind oder „keine klare Verfassung haben“, wie Samin das umschreibt, dann fällt es dem Hund sehr schwer, uns zu vertrauen und zu sagen: „Mach du mal!“
Hundeflüsterer Masih Samin beim Spaziergang im Stadtwald
Copyright: Susanne Hengesbach
Das neue Buch des Hunde-Verhaltenstherapeuten hat zwar auch den Stadt-Wolf im Visier, aber es ist noch viel mehr ein Appell an den Zweibeiner, sich mehr an die Kandare zu nehmen dahingehend, dass er seinem besten Freund die Aufmerksamkeit schenke, die der verdient. „Von den 24 Stunden am Tag bleibt so wenig Zeit für den Hund. Und die sollte man nicht aufteilen. Stell dir vor, du bist mit deinem Partner, deiner besten Freundin unterwegs. Ihr wollt euch einen schönen Tag machen und dein Gegenüber hakt einfach nur eine To-do-Liste ab“, gibt er zu bedenken. Für ihn selber sei es unglaublich wichtig, „wenn ich mit ihnen unterwegs bin, dass ich mich mit ihnen beschäftige“, sagt der Hundeexperte über seine eigenen vier Begleiter, Thea, Liesel, Mädchen und Fritz, und plädiert nachdrücklich dafür, „die gemeinsame Zeit nicht als Erledigung sehen, sondern als Investition, was Schönes draus zu machen“.
Wie war das früher als Kind
Es sei unheimlich interessant zu sehen, wie schnell wir mit unserem Verhalten das Verhalten des Hundes beeinflussen können. „Der Hund bietet eine Riesenprojektionsfläche für all das, was in dir los ist.“ Er ziehe gerne den Vergleich zu uns Menschen: „ Wie war das denn früher als Kind, wenn wir mit unseren Eltern unterwegs waren und die waren mit ihrem eigenen Alltag beschäftigt anstatt mit uns und mit unseren Problemen. Die hatten mehr als genug mit sich selbst zu tun.“ Und jetzt habe man selbst wenigstens die Möglichkeit, es anders zu machen.
Er selber habe seine Rituale, sagt Samin. „Sobald ich die Leine in der Hand habe und rausgehe, erde ich mich.“ Alles, was zuhause ist, bleibt zuhause und wartet dort. Die Gedanken, der Stress. „Mit den Hunden draußen zu sein, das ist die beste Therapieform, die ich mir jemals wünschen könnte.
Stadt-Wölfe erscheint am 2.März bei Gräfe und Unzer. Die gebundene Ausgabe kostet 19.99 Euro