Kölner Friseurin„Corona war ein Schock und es war schwer, über die Runden zu kommen“

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Gül Kobilay in ihrem Friseursalon in Köln-Stammheim.

  • Seit vergangenem Montag dürfen Friseursalons wieder öffnen. Ein Lichtblick für viele, trotz verschiedener Auflagen.
  • „Corona war ein Schock für mich“, sagt Gül Kobilay, die einen Salon in Stammheim betreibt. Wie viele andere hat sie das Virus wirtschaftlich sehr getroffen.
  • Wie Friseure und Kunden mit der aktuellen Situation umgehen, lesen Sie hier.

Köln – Wer in diesen Tagen einen Termin bei einem Kölner Friseur buchen will, muss oft weit vorausplanen. Als bei der Stammheimer Friseurmeisterin Gül Kobilay am Freitagmittag das Telefon erneut klingelt und ein Kunde einen Termin vereinbaren will, muss Kobilay erst lange im Kalender nachschlagen. Nächste Woche, ausgebucht. Bis zum Ende des Monats, kaum möglich. Am Ende findet sie dann noch ein Zeitfenster am 26. Mai. „Derzeit laufen uns die Kunden den Laden ein“, sagt die 42-Jährige und lächelt hinter ihrer Schutzmaske. Es ist ein Lichtblick.

9000 Euro Soforthilfe für Selbstständige

Sechs Wochen lang mussten die Friseure ihre Geschäfte wegen der Corona-Pandemie zusperren. „Corona war ein Schock für mich“, sagt Kobilay. Wie viele andere hat das Virus auch Kobilay, die ihren Laden an der Gisbertstraße 92 führt, wirtschaftlich sehr getroffen. „Es war schwer, über die Runden zu kommen“, sagt sie. Sie hat die 9000 Euro Soforthilfe für Selbstständige in Anspruch genommen, sich mit ihrem Ladenvermieter wegen der Miete arrangiert und ihre einzige Mitarbeiterin Maike Odenthal, die seit zwölf Jahren bei ihr arbeitet, in Kurzarbeit geschickt.

Maike Odenthal schneidet einer Kundin die Haare.

Maike Odenthal schneidet einer Kundin die Haare.

Die Familie hat sie unterstützt und ihren Urlaub in Cesme, in der Nähe der westtürkischen Metropole Izmir, hat sie bereits gestrichen. Ob das alles reichen wird, wird sich wohl erst in Zukunft zeigen. Manchmal, sagt sie, habe sie Angst um ihre Existenz. „Ich weiß nicht, ob ich durchkomme.“

Öffnung seit Montag möglich – mit vielen Auflagen

Eigentlich hatte Kobilay einmal Künstlerin werden wollen. Heute noch malt sie für sich und schneidert Kleidung für den Eigenbedarf. Schließlich entdeckte sie aber ihre Leidenschaft für das Friseurhandwerk, machte eine Ausbildung in Bergisch Gladbach, sammelte Praxiserfahrung bei einem Friseur, gewann in Frisier-Wettbewerben sogar einige Pokale und Preisgeld, bevor sie sich mit ihrem Laden in Stammheim selbstständig machte. Sie hatte drei Angebote, zwei davon in der Innenstadt, wo ihr die Mieten zu hoch waren. Die Dünnwalderin entschied sich schließlich für Stammheim. Das war vor 16 Jahren.

Seit Montag darf sie wieder öffnen – mit vielen Auflagen. Auf dem Boden des Salons weisen zahlreiche Markierungen auf die richtigen Abstände zwischen den Kunden hin. Diese müssen ihre Hände desinfizieren und Mundschutz tragen, die Friseurinnen arbeiten mit Masken und Schutzkitteln. Nach jedem Kunden werden Stühle, Arbeitsflächen und Materialien wie Kämme und Scheren ausgiebig desinfiziert.

Gül Kobilay desinfiziert Scheren.

Gül Kobilay desinfiziert Scheren.

Haare waschen vor dem Schnitt ist Vorschrift, andererseits können Gesichtsbehandlungen wie Augenbrauenzupfen nicht durchgeführt werden. Weil das alles Zeit in Anspruch nimmt, können Kobilay und Odenthal 40 Prozent weniger Kunden pro Tag frisieren. Ohne Termin geht daher nichts.

Kunden bringen Friseurin Pralinen zur Begrüßung mit

Die Stammheimer freut es aber, dass Kobilay wieder geöffnet hat. Einer der Kunden hat Pralinen zur Begrüßung mitgebracht. Ein anderer sagte: „Ich könnte wie der Papst den Boden küssen, weil sie wieder aufhaben.“ Wieder andere kaufen nun teure Pflegeprodukte, die sie sich statt des vermutlich ausfallenden Urlaubs gönnen. Ute Völkert kommt eigentlich jeden Freitagmorgen gegen 9 Uhr zu Kobilay, um sich die Haare machen zu lassen. Die 77-Jährige hat Arthrose in der Schulter und kann sich nicht gut alleine frisieren. In der Corona-Zeit hat sie gelitten: „Ich war richtig unglücklich, dass mein Friseur zu war“, sagt die Stammkundin.

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Nun ist der Friseursalon auch ein Ort, an dem viele Kunden gerne plaudern. Auch bei Kobilay ist Corona ein bestimmendes Thema. Andreas Löhr (58) war gerade aus Sri Lanka zurückgekommen, als der Lockdown in Deutschland kam.

Kunden plaudern über ihre Meinung zum Coronavirus

Er ist im Vertrieb eines Papierproduzenten angestellt und hat in der Corona-Zeit eher mehr als weniger arbeiten müssen. „Für mich ist das Thema aber völlig gehypt“, sagt er. In Afrika und Asien stürben jährlich hunderttausende Menschen an Tuberkulose und Malaria – das würde keinen interessieren. „Wir regen uns über das Coronavirus auf und verlieren alles andere aus den Augen.“

Eine andere Kundin stört, dass Politiker und Wissenschaftler keine klaren Perspektiven aufgezeigt hätten. „Der normale Bürger hat kaum noch verstanden, was da passiert.“ Ein weiterer Kunde sagt dagegen, dass die Politiker „ihren Job gut gemacht hätten“. Die Seniorin Liselotte Theisen ist zum Haare färben gekommen und fand die Corona-Zeit einfach fürchterlich, weil sie ihre Familie nicht treffen konnte.

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