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Heimatmusik mit TippamanIn seinen Adern fließt der Rhein

Lesezeit 5 Minuten

Tippamann mit Gitarre und seinem Jagdhund, einem Magyar Vizla

Köln – Der Mann entzieht sich nahezu allen Kategorien, die sich die bürgerliche Welt im Laufe der Zeit ausgedacht hat. Auch mit dem Tempo moderner Zeiten hat er nichts im Sinn. „Ich bin ein Mönch, ein segelndes Kind, das keine Religion annehmen kann.“ Es sind Dutzende solcher Sprüche und Weisheiten, die man bei einem Gespräch mit dem Kölner Reggae-Musiker Tippaman zu hören bekommt – ob sie zur gestellten Frage passen oder nicht, spielt keine Rolle. „Hast du Probleme? Dann musst du sie selber lösen. Leb dein Leben, ich lebe meins.“

Der kölsche Rastamann

Tippaman ist der Kölner Rastamann, kölscher Weltmusikant und vielseitiger Kosmopolit. Jahrelang war er der einzige Schwarze bei der Karnevalssitzung von Edelweißpirat Jean „Schang“ Jülich in der Mülheimer Stadthalle, „immer an Tisch 13 direkt vor der Bühne“. Das kölsche Original habe er in dessen Kneipe „Blomekörfge“ kennen und schätzen gelernt. Später hätten sie gemeinsam ein Lieblingslied von Jülich aus dem Repertoire der Kölner Edelweißpiraten auf die Bühne gebracht – das „Lied vom Neger Jim“. „Der soff den Jamaika-Rum, bis dass die Kehle kracht“, singt Tippaman am Küchentisch. Dass der alte Schlager über einen diskriminierten, heimatlosen schwarzen Musiker in New York später von Rechtsrockbands vereinnahmt wurde, ist ihm offenbar egal.

Sein richtiger Name ist nicht ganz so klangvoll, aber mindestens so kurios: „Heinze“ steht auf dem Klingelschild. Dass man seinen Vornamen „Courth“ wie „Kurt“ ausspricht, ist auch kein Zufall: Sein Vater war ein Deutscher, der nach Aruba ausgewandert war und seine Heimatverbundenheit unter anderem durch das Hören deutscher Schlager gezeigt haben soll. So liefen in der Karibik Vicky Leandros und Freddy Quinn – zumindest in Courths Elternhaus. Der Vorname wird seit Generationen vererbt. Tippamans Söhne heißen „Courth Roger“ und „Kevin Ricardo Courth“. Seine Mutter aus dem südamerikanischen Surinam habe chinesische, kreolische und holländische Wurzeln.

„Beerdigt werde ich in Kölle“

Als wer oder was fühlt er sich selbst angesichts dieser bunten familiären Vielfalt? „Ich bin ein Rasta, ein freier Mann.“ Und wo verortet er den Begriff „Heimat“? „Ich fahre gerne in Urlaub. Aber beerdigt werde ich in Kölle.“ Staatsbürger ist er in den Niederlanden, aber das zählt für Courth Heinze nicht viel. „Mit Politik will ich nichts zu tun haben. Ich respektiere jeden und so hoffe ich, dass mich auch jeder respektiert.“ Auch in Religionsfragen will er sich nicht festlegen. „Ich bin Christ, Moslem, Buddhist und orthodox. Ich bin alles.“ Das Wichtigste sei, dass alle miteinander in Frieden leben. Sei dieser bedroht, zum Beispiel durch radikale religiöse Fundamentalisten, könne er auch „ein Soldat“ sein.

Der 62-Jährige schnappt sich seine Gitarre und singt „Rut sin die Ruse“. Bevor man die nächste Frage stellen kann, gibt’s noch ein paar Zeilen von „Dicke Mädchen haben schöne Namen“ und dem Bläck-Fööss-Klassiker vom „Lange Samstag en dr City“ im Reggaetone-Stil. „Life is Jazz“, das Leben ist Jazz, lautet die nächste Lebensweisheit.

Steeldrum vor der Spülmaschine

An der Steeldrum, die vor der Spülmaschine steht, demonstriert Tippaman, wie man mit dem typisch karibischen Schlaginstrument umzugehen hat. Er gilt als Virtuose an diesem Instrument. Zwölf verschienene Instrumente könne er spielen, außerdem neun Sprachen sprechen. Den Namen „Tippaman“ habe ihm ein Freund gegeben, weil er ein Multitalent sei. „Tippman“ sei libanesisch und bedeute so viel wie „ein bisschen von allem“.

Bevor er in Köln heimisch wurde, ist er viel herumgekommen. Schon als Zwölfjähriger habe er Aruba verlassen und sei zu Verwandten nach Deutschland und Holland gekommen, wo er sich verschiedenen Musikgruppen anschloss, die karibische Musik machten. Die erste selbst gegründete Band nannte er „Carribean Boys“. Viele weitere Formationen folgten. Seit den 1980er Jahren tourte er mit verschiedenen Musikern durch Europa. In dieser Zeit besann er sich auch auf seine musikalischen Reggae-Wurzeln.

„Noten kann ich nicht. Ich spiele einfach“

Tippaman spielte mit UB 40 aus Großbritannien, dem westafrikanischen Reggae-Star Alpha Blondy und Bob Marleys Mitstreitern von den Wailers, der wohl erfolgreichsten Reggaeband der Welt. Er musizierte mit Ziggy Marley, George Mc Crae, Bobby Farrell, der ebenfalls aus Aruba stammte und später vor allem als tanzender Frontmann von Boney M. bekannt wurde. Auch mit Götz Alsmann, Peter Maffay und der WDR-Bigband war Tippaman unterwegs. Das alles liegt nun schon ein bisschen zurück. Calypso, Salsa, Merengue, Rock, Schlager, Pop und natürlich immer wieder Reggae gehören zu seinem Repertoire.

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Das Musikmachen habe er als Kind von einem Nachbarn auf Aruba gelernt. Dem habe er zugeschaut und es dann einfach nachgemacht. Seitdem sei die Musik der Inhalt seines Lebens. Er habe immer ein Instrument dabei, meist die Gitarre auf dem Rücken. „Noten kann ich nicht. Ich spiele einfach“, sagt Tippaman.

Seit 1999 lebt er in Köln, viele Jahre in Porz, nun wieder in Longerich, wo er früher schon mal wohnte. Die Bühnen sind im Laufe der letzten Jahre kleiner geworden. Er spielt in Kneipen und Pfarrsälen, war Gast beim Multikulti-Karneval des Humba efau und taucht schon mal bei Jam-Sessions im Ehrenfelder Jazz-Club Barinton auf. Viel Geld habe er mit der Musik nie verdient, sagt der Mann, der auch schon mal als Jockey Pferderennen bestritt. „Ich lebe mit nix und bin trotzdem glücklich.“

„Ich liebe meinen Rhein“

Zum wichtigsten Ort in seinem Leben sei das Rheinufer geworden. Mehrmals die Woche muss er hin. „Ich bekomme Kraft vom Rhein. Er fließt in meinen Adern.“ Am Ufer spaziert er mit seinem stattlichen Jagdhund, einem Magyar Vizsla. Der hat schon Pokale für sein Aussehen und seinen Gehorsam bekommen. Das Tier kann sich selbst seinen Hundekotbeutel aus dem Tütenspender am Wegesrand ziehen. „So was gibt es in der Karibik nicht.“

Er erzählt von Erlebnissen, die sich mit dem Fluss verbinden. Er sei schon mal im Winter reingefallen, habe beim Schnapstrinken einen Schiffsunfall gesehen, beim Aufräumen nach dem Hochwasser in Lokalen der Porzer Groov geholfen, Fische geangelt und sie dann aber auch wieder freigelassen. „Ich liebe meinen Rhein.“ Und was wünscht er sich für die Zukunft? „Ein ruhiges Leben, bis dass der Tod mich holt. Und wenn ich sterbe, bleibt mein Geist weiter hier.“