Klage eingereicht160 Menschen demonstrieren gegen Abbau von Genozid-Gedenkstätte in Köln

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Eine Demonstrantin hält bei einer Kundgebung vor dem Mahnmals für den Völkermord in Armenien an der Hohenzollernbrücke ein Protest-Schild in die Kamera.

Eine Demonstrantin vor dem Mahnmal, das an der Hohenzollernbrücke an den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich erinnert

Die Kölner Initiative „Völkermord erinnern“ klagt gegen den erneuten Abbau eines Mahnmals an der Hohenzollernbrücke. 

Das Gezerre um das Mahnmal zur Erinnerung an den Völkermord an den Armeniern geht weiter: Seit dem 24. April 2023 steht die Skulptur „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ vorübergehend an der Hohenzollernbrücke. Die Initiative „Völkermord erinnern“ hat beantragt, die am Mittwoch endende Sondernutzungserlaubnis zu verlängern – die Stadt lehnte das ab. Die Initiative klagt jetzt vor dem Kölner Verwaltungsgericht. Bis zu einer Entscheidung bleibt das Mahnmal stehen.

Für Mittwoch, 24. Mai, 18 Uhr, hatte die Initiative zum Protest gegen den Abbau vor dem Mahnmal an der Hohenzollernbrücke aufgerufen. Diesem Aufruf folgten ungefähr 160 Menschen, darunter Anhänger der armenischen Gemeinde, türkische Menschenrechtsgruppen und der Förderverein des NS-Dokumentationszentrums Köln. Auch Andreas Hupke, Bezirksbürgermeister der Innenstadt, kam zur Kundgebung.

Demonstrierende, die im Kreis vor einem Mahnmal stehen.

Bei der Kundgebung sprachen verschiedene Redner über das Mahnmal.

Die Demonstration ist eine weitere Episode in dem Tauziehen um die Gedenkstätte, das im Frühjahr 2018 mit dem ersten, nicht-genehmigten Aufstellen des Mahnmals „Dieser Schmerz betrifft uns alle“ begann. „Die Weigerung der Verwaltung ist in unseren Augen mittlerweile unwürdig“, kommentierte Organisator Albrecht Kieser.

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Initiative klagt vor Kölner Verwaltungsgericht

Mit ihrer Entscheidung, das Mahnmal abzubauen, missachtete die Verwaltung den politischen Willen der zuständigen Bezirksvertretung Innenstadt, das Mahnmal bis zum 24. April nächsten Jahres stehenzulassen und eine rechtssichere Zwischenlösung zu schaffen, bis ein endgültiger Standort für ein Mahnmal gefunden sei, argumentiert die Initiative.

Die Stadt verweist darauf, dass die Sondernutzung auf Anregung der Bezirksvertretung Innenstadt auf einen Monat befristet worden sei. Wie und wo eine Gedenkstätte dauerhaft realisiert werde, darüber werde der Stadtrat im Dialog mit der Kölner Gesellschaft entscheiden. Die Stadt Köln stehe hinter dem Beschluss des Deutschen Bundestages und erkenne den Völkermord an den Armeniern 1915/16 an. Der Gedenkstein auf dem Friedhof Lehmbacher Weg sei bereits „ein Zeichen der Anerkennung und der Erinnerungskultur“.

Am 19. Mai hat das Amt für Integration und Vielfalt der Initiative mitgeteilt, dass die Sondernutzungserlaubnis nicht verlängert werde. Zur Begründung hieß es, die Hohenzollernbrücke solle um einen elf Meter breiten Fuß- und Radweg erweitert werden. Das Mahnmal stehe dem im Wege.

Die Initiative argumentiert, dass es noch nicht einmal einen Bebauungsplan für einen solchen Weg gebe. „Die Verwaltung konterkariert mit dieser Entscheidung nicht nur ihre eigenen Aussagen, sondern setzt sich über die demokratischen Beschlüsse der zuständigen BV Innenstadt hinweg. Das ist bislang der Gipfel an absurden Begründungen einer unverständlichen und groteskem Blockadehaltung der Verwaltung.“ Sondernutzungen könnten für bis zu drei Jahre verlängert werden, sagt Ilias Uyar, Rechtsanwalt und Mitinitiator der Initiative.  

Geplanter Radweg soll dauerhafte Aufstellung des Mahnmals verhindern

Ein geplanter Fahrradweg müsse nun „herhalten, um das Mahnmal schnell wieder aus dem Stadtbild zu entfernen. Es scheint, als hätte diese Verwaltung nichts von dem verstanden, was seit Jahren über die Verantwortung für Menschheitsverbrechen diskutiert wird, die in deutschem Namen begangen wurden“.

Serovpé Isakhanyan, Bischof der armenischen Gemeinde in Köln, betont, wie wichtig es sei, dass das Genozid-Mahnmal in unmittelbarer Nähe des Reiterdenkmals von Kaiser Wilhelm II. platziert bleibe. Der deutsche Kaiser habe „jede Gelegenheit gehabt, die Vernichtung der Armenier zu stoppen. Er tat dies jedoch nicht nur nicht, sondern die (hochrangigen) Offiziere der kaiserlichen Armee waren direkt und indirekt an der Organisation der Massaker an Armeniern beteiligt“. Auch deswegen solle das Mahnmal im Schatten des Reiterdenkmals an den Völkermord an den Armeniern erinnern.

Das „Initiativforum Türkischer Vereine und Verbände in Köln und Umgebung“ hatte das grundsätzliche Votum für ein Mahnmal in einem Brief an Innenstadt-Bezirksbürgermeister Andreas Hupke kritisiert. Eine solche Gedenkstätte spaltete die Gesellschaft und verursache neue Konflikte. Hinter der Kritik steckt der Streit um die Anerkennung von Vertreibung und Massakern an den Armeniern während des Ersten Weltkriegs im Osmanischen Reich als Genozid. Der Deutsche Bundestag hat das im Jahr 2016 getan, die türkische Regierung streitet einen Völkermord bis heute ab.

Katja Trompeter, Vorsitzende der Kölner Grünen, appellierte an die Verwaltung, „den durch den Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt flankierten Dialog fortzusetzen und zeitnah zu einer einvernehmlichen und dauerhaften Lösung zu kommen“. Die geplante Räumung des Mahnmals bedeute einen „unwürdigen Umgang mit dem Anliegen Hunderter Nachfahren der Opfer“.

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