Die denkmalgeschützten Eisenbahnbrücken an der Venloer und der Vogelsanger Straße dürfen abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden.
„Stadttore“ des IndustriezeitaltersKritik am Kölner Ratsbeschluss zum Abbruch der Bahnbrücken

Die Bahn will die Brücke an der Venloer Straße am Bahnhof West durch einen Neubau ersetzen, obwohl sie unter Denkmalschutz steht. Foto: Alexander Schwaiger
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Grünes Licht für die Infrastrukturgesellschaft der Deutschen Bahn: Die denkmalgeschützten Eisenbahnbrücken an der Venloer und der Vogelsanger Straße dürfen abgerissen und durch Neubauten ersetzt werden. Das hat der Stadtrat am vergangenen Donnerstag in einer Dringlichkeitsentscheidung beschlossen.
Die Brücken stammen aus den Jahren 1885 bis 1888. Der Austausch soll zwischen Juli 2028 und Dezember 2029 erfolgen. Zeitgleich will die DB InfraGo auch die Bauwerke an der Zülpicher und Luxemburger Straße ersetzen, die aus der gleichen Epoche stammen.
Der Entscheidung über die Brücken Venloer und Vogelsanger Straße ging ein Erörterungstermin bei der Bezirksregierung Köln am 23. Juli voraus, bei dem die Vertreter der Bahn den Neubau als alternativlos darstellten. Das geht aus einem Protokoll hervor, das dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auszugsweise vorliegt. Die DB räumte ein, dass eine Sanierung bei der Venloer Straße möglich, aber sehr aufwendig sei. Bei der Vogelsanger Straße sei der Erhalt technisch unmöglich, weil die Brücken nicht nur saniert, sondern wegen der Erweiterung der Trassen für die S-Bahn auch verschoben werden müssten.
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Gutachten bestätigt: Brücken zum Teil sanierungsfähig
Ein Gutachten im Auftrag des Eisenbahnbundesamts kommt bei der Vogelsanger Straße zu dem Schluss, dass die Widerlager sanierbar sind und „eine weitere Nutzung in der vorhandenen Bogenkonstruktion“ ermöglichen. Bei den Überbauten seien die Hauptträger der fünf Gleise, über die der gesamte Zugverkehr rollt, nicht mehr zu retten. Die Hauptträger der Abstellgleise sind weiter verwendbar, „obwohl sie aus dem Jahr 1888 stammen“.
Vertreter aller Denkmalschutzbehörden hatten die Bedeutung der Eisenbahnbrücken für die Kölner Stadtgeschichte hervorgehoben. Die vier Brücken seien als Ensemble zu werten, da sie „aufgrund der geschichtlichen Entwicklung die ehemaligen Stadttore repräsentieren und damit auch über eine ortsgeschichtliche und städtebauliche Bedeutung verfügen“, heißt es in dem Protokoll.
Stadt räumt ein: Erhalt nicht in Betracht gezogen
Interessenkonflikte zwischen Bahn und Denkmalschützern sind bei solchen Erörterungen an der Tagesordnung. Das Außergewöhnliche an diesem Fall ist jedoch, dass die Stadt Köln laut Protokoll einräumt, dass sie sich zu der Variante, „dass die bestehenden Brücken in jetziger Form saniert werden können“, nicht positionieren könne, weil sie deren Erhalt „bisher nicht als Möglichkeit in Betracht gezogen hat“.
Warum dann die Dringlichkeit? Warum musste der Stadtrat den Beschluss ohne Einbeziehung der Fachausschüsse in der letzten Sitzung vor der Kommunalwahl treffen? Weil die Deutsche Bahn auf eine schnelle Entscheidung drängte. Man benötige „die verbindliche Zustimmung der Stadt Köln, um wichtige Arbeitsschritte einleiten zu können“, heißt es in der Beschlussvorlage für den Stadtrat. „Bauzeitraum und Sperrpausen seien aufgrund der massiven Auswirkungen auf den Eisenbahnverkehr, der auch national beeinträchtigt wird, bereits festgesetzt.“ Das Zeitfenster von Mitte 2028 bis Ende 2029 müsse „unbedingt eingehalten werden“.

Der Bahnübergang auf der Vogelsanger Straße. Ein Gutachten hält einer der beiden Brücken für sanierungsfähig, obwohl sie aus dem Jahr 1888 stammt. Foto: Alexander Schwaiger
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Dazu komme ein Beschluss Anfang des Jahres 2026 zu spät, argumentiert die Stadtverwaltung. „Es gibt noch keinen Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamts, dass die Bahn die denkmalgeschützten Brücken abreißen darf“, sagt Verkehrsexperte Roland Schüler, der für die Grünen in der Bezirksvertretung Lindenthal sitzt. „Seit Juli 2024 hat das Amt sich nicht durchringen können, den Beschluss pro Abbruch rechtssicher zu formulieren.“ Die Befürchtung sei groß, dass es zu Klageverfahren komme, die das gesamte Projekt verzögern könnten. Stadtkonservator Thomas Werner habe sich in den vergangenen Jahren immer wieder erfolglos für den Erhalt der Bauwerke eingesetzt.
Ein kulturelles Erbe von mehr als 100 Jahren Stadtgeschichte
Als Stadttore des Industriezeitalters seien die Brücken ein „kulturelles Erbe von mehr als 100 Jahren Stadtgeschichte", sagt Innenstadt-Bürgermeister Andreas Hupke. Bei der Venloer und der Vogelsanger Straße ziehe auch das Argument nicht, durch einen Neubau könne auch der Straßenraum aufgeweitet werden, weil die Bögen wegfallen. „Hier dürfen große Lkw und Reisebusse sowieso nicht fahren.“
Der Beschluss pro Abbruch, den der Stadtrat am Donnerstag getroffen hat, könnte das Verfahren jetzt beschleunigen. Das Eisenbahnbundesamt hat jetzt ein Argument mehr, warum das öffentliche Interesse, das in diesem Fall darin besteht, dass die Bürger durch den Neubau auf einen besseren Regional- und S-Bahn-Verkehr hoffen können, schwerer wiegt als der Denkmalschutz. Die Stadt Köln sei beim Thema überregionale Infrastruktur nicht Herrin des Verfahrens, so Schüler.
Der Austausch der beiden Brücken soll insgesamt 190 Millionen Euro kosten. Der städtische Anteil liegt bei 95,3 Millionen, die von der Stadt in den Jahren 2027 bis 2030 vorfinanziert werden müssen. Ab 2031 will die DB InfraGo dann insgesamt 84,2 Millionen Euro zurückzahlen. Die Stadt hofft allerdings auf eine Förderung in Höhe von 7,8 Millionen Euro, sodass am Ende 3,3 Millionen Euro übrig blieben.