Partymeile Kölner SüdstadtFestschwemme findet nicht nur Zustimmung

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Der Längste Desch kommt nicht bei allen Anwohnern gut an.

Der Längste Desch kommt nicht bei allen Anwohnern gut an.

Innenstadt – Manchmal wirkt die Südstadt wie ein Labor, in dem die Formel für das perfekte Flair gesucht wird. In diesen Tagen zeigen die drei Veranstaltungen Heimat Shoppen, Dä Längste Desch und die Südstadt Safari am kommenden Wochenende, mit welchen – mitunter recht unterschiedlichen – Ansätzen die lokalen Händler, Gastronomen, Dienstleister und Interessenvertreter den Umsatz im Veedel zu steigern versuchen.

Kritik an von der Gathen

Dä längste Desch, eines der ältesten Straßenfeste Kölns, wird oft mit dem „kölschesten aller Veedel“ beworben und sorgt jedes Jahr am dritten September-Wochenende für tausende Besucher auf der Severinstraße. Auftraggeber ist die Interessengemeinschaft (IG) Severinsviertel. Im Vorstand sitzt der Inhaber der Agentur, die das Straßenfest organisiert, Wilhelm von der Gathen. Die Kritik an seiner Auffassung von Straßenfesten wurde allerdings in den vergangenen Jahren immer lauter. Anwohner klagen über die „Ballermannisierung“.

Händlern fehlt Bezug zum Fest

Den Inhabern der Geschäfte vor Ort fehlt teilweise der Bezug zum Trubel vor ihrer Tür. Dennoch ist das Fest beliebt, nicht nur bei den Gästen, die aus der ganzen Stadt und dem Umland kommen, sondern auch im Viertel. „Wir zeigen uns als Lage“, sagt Thorsten Fröhlich, der bis zum vorigen Wochenende Vorsitzender der IG war (siehe Interview). Er hält den Desch für eine bewährte Werbemaßnahme.

Inhaber müssen kreativer werden

Gleichwohl räumt er ein, dass die Severinstraße Nachholbedarf habe, was das Einkaufserlebnis angehe. „Jeder Inhaber muss sich mehr Gedanken über seinen eigenen Laden hinaus machen“, sagt er. Ähnlich argumentiert Philip Reichardt von der IHK. „Die Gemeinschaft muss gestärkt werden“, sagt er. Auch online gebe es Nachholbedarf. Mehr als die Hälfte der Händler in der Südstadt verfüge über keine nennenswerte Internetpräsenz. „Das ist ein unheimliches Potenzial“, sagt er.

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Altmeister Ludwig Sebus eröffnete den Längsten Desch in diesem Jahr

Die IHK nutzte die Südstadt, die für ihr Flair in Befragungen Bestnoten erhält, ebenfalls für einen Test. Mit der Marketingaktion „Heimat Shoppen“ werden eigentlich kleinere Kommunen bedacht.

Heimat Shoppen mit unterschiedlicher Resonanz

Nun kooperierte die Kammer erstmals mit Interessensgemeinschaften in Köln. Neben der IG Severinsviertel beteiligten sich an den beiden Aktionstagen am 13. und 14. September auch Händler südlich des Rings. Sie sind in der „Aktionsgemeinschaft Bonner Straße/Chlodwigplatz“ (ABC) organisiert. Geplant war eigentlich, dass die teilnehmenden Geschäfte am Freitag bis 21 Uhr und am Samstag bis 17 Uhr geöffnet bleiben. Die Händler auf der Severinstraße haben jedoch teilweise mehrere Stunden vor den vereinbarten Öffnungszeiten geschlossen. „Heimat Shoppen war ein Desaster“, sagt Fröhlich unverblümt. Er verweist auf die unterschiedliche Kaufkraft der Viertel, lässt aber auch durchblicken, dass er von seinen Mitgliedern mehr Engagement erwartet.

Die Bilanz von Alice Baker von der ABC fällt entsprechend besser aus. „Das ist gut gelaufen“, sagt sie. 50 Geschäfte aus ihrem Beritt, vor allem in der Merowingerstraße und auf der Bonner Straße, hätten sich beteiligt. Ein solcher Tag sei aber dennoch eine Herausforderung für die Inhaber. „Einfach ein Glas Sekt anzubieten, reicht nicht aus“, sagt sie. Die beiden Interessengemeinschaften könnten in jedem Fall mehr kooperieren, das ist offensichtlich, nicht erst seit dem Streit um den ursprünglich gemeinsam ausgerichteten Weihnachtsmarkt auf dem Chlodwigplatz. Die Faltblätter für die Heimat-Shoppen-Tage, gedruckt von der ABC, deckten etwa nur den Bereich südlich der Torburg ab. „Die Unstimmigkeiten sind überflüssig“, sagt Philip Reichardt von der IHK. Unterschiede der beiden Quartiere stellt auch Daniel Rabe fest. Der Gastronom veranstaltet in diesem Jahr wieder die Südstadt Safari. Was ursprünglich als Kneipen-Event gestartet war, hat sich mittlerweile als umsatzsteigernde Maßnahme für den Einzelhandel erwiesen. „Viele haben gemerkt, dass sie an dem Tag einen Umsatz wie sonst nur an Weihnachten machen“, sagt Rabe.

Südstadt-Safari am Samstag

220 Geschäfte, Restaurants und Kneipen beteiligen sich an der vierten Auflage der Südstadt Safari am Samstag, 28. September. Die Veranstalter werben mit „Kultur, Kulinarik und Kneipenleben“. Das Programm beginnt um 16 Uhr. Es gibt eine Lesung in einer Apotheke, Straßentheater, Safari-Menüs und „Live-Musik an jeder Ecke“. Die meisten Händler locken an diesem Tag mit Preisnachlässen. (phh)

Safari ist kein Straßenfest

Gut zwei Drittel der Teilnehmer seien in diesem Jahr Händler. Was sie für den Tag organisieren sei ihnen überlassen, so Rabe. Regelrechte Partys seien indes nicht erwünscht. Ein Straßenfest solle die Safari nicht werden. Im Severinsviertel sei die Beteiligung „deutlich verhaltener“. Auch Rabe sagt, dass die mangelnde Präsenz online und in sozialen Medien dabei eine Rolle spiele. Vielleicht deute das Alter vieler Inhaber darauf hin, dass ein Umbruch bevor stehe.

Die Entwicklung der Safari verläuft in einer Hinsicht entgegen dem Trend in der Südstadt: Nach den Zahlen der IHK hat sich der Anteil der Gastronomen und Dienstleister in den vergangenen Jahren zu Ungunsten der Einzelhändler verschoben. Gleichzeitig sind die Mieten für Ladenlokale in die Höhe geschnellt, eine Entwicklung die auch Bagatelle-Gastronom Rabe mit Sorge beobachtet: „Für die Mischung ist es wichtig, dass es die Händler gibt.“

Guter Mix ist wichtig

Philipp Reichardt von der IHK sieht das genauso: „Es ist immer problematisch, wenn eine Branche überwiegt.“ Die Immobilieneigentümer täten gut daran, mit ihren Entscheidungen auch Verantwortung für das Quartier zu übernehmen. Aus Sicht der Vermieter seien Gastronomie und Dienstleister aber kurzfristig lukrativer, erläutert er. „Man muss schauen, dass es nicht kippt“, sagt Baker, die die Safari uneingeschränkt lobt und ihre Mitglieder zur Beteiligung ermutigt. Sie wünscht sich, die Veranstaltung im nächsten Jahr mit einem verkaufsoffenen Sonntag zu kombinieren. Dieses Instrument vermissten die Händler schmerzlich. Auch Baker warnt vor schwindender Vielfalt: „Sonst wird auch so etwas wie die Safari langweilig.“

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