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Szenen aus der StadtAm Sonntag war ganz Köln ein Glutofen

Lesezeit 4 Minuten
Vom Lentpark durchs Agnesviertel ab zur U-Bahn: Drei Studentinnen aus Indien versuchen, die Abkühlung aus dem Schwimmbad ein paar Minuten zu konservieren.

Vom Lentpark durchs Agnesviertel ab zur U-Bahn: Drei Studentinnen aus Indien versuchen, die Abkühlung aus dem Schwimmbad ein paar Minuten zu konservieren. 

Die Temperaturen stiegen auf bis zu 35 Grad. Wie die Kölner und Kölnerinnen den Sonnentag mit Strandwetter verbrachten.

An solchen Hitzetagen musst du schnell sein. Im Lentpark. Oder schlau. Am besten beides. Du musst den Badeanzug drunter tragen, ein Sommerkleid drüber werfen und Punkt neun Uhr am Eingang stehen. Mit deinem E-Ticket ziehst du vorbei an der Schlange, in der Kind und Kegel warten, das Kleid im Laufschritt abwerfen, ab unter die Dusche und 120 Sekunden später bist du die Erste, die ins Naturbecken springt. Dann hast du die Schwimmerbahn an einem 35-Grad-Sonntag für dich allein. Ein Traum. Für zehn Minuten. „Die schönsten zehn Minuten des Tages“, strahlt Claudia (55). Doch dann kommen sie. Die Liegestuhl-Besetzer, Handtuch-Ausbreiter und der Kampf um die besten Plätze beginnt.

Die ersten Kopf-überm-Wasser-Schwimmer kreuzen auf deiner Bahn und es wird voll. Ungefähr so voll wie auf dem Autobahnring am Mittwochnachmittag vor dem Brückentags-Wochenende, als alle gleichzeitig nach Holland aufbrechen. Die Verständnisvollen lassen dir an der Wende den Vortritt, aber es gibt auch jene Pärchen, deren Schwimmweise an Elefantenrennen auf der Autobahn erinnert. Schön nebeneinander. In gleichem Tempo.

Fahrräder, so weit das Auge reicht. Die Schlange am Lentpark nimmt am Sonntagnachmittag kein Ende.

Fahrräder, so weit das Auge reicht. Die Schlange am Lentpark nimmt am Sonntagnachmittag kein Ende.

Sonntagmittag ist Holland in Not. Die E-Ticket-Überholspur ist abgeschaltet, weil die Fußfläche der Lentpark-Besucher die der vorhandenen Wasserfläche überschritten hat. Die Schlange vorm Kassenhäuschen gibt trotzdem nicht auf. Zwei raus, zwei rein. Malavi (34), Sristhi (23) und Joe (25), drei Studentinnen aus Indien, spannen beim Verlassen des Bades bunte Regenschirme auf und schlendern fröhlich durch das Agnesviertel Richtung U-Bahn. Schön war’s. Unter Überfüllung versteht man in ihrer Heimat offensichtlich etwas anderes.

Alles zum Thema Vogelsanger Straße

Das Wasser erfrischt, doch der Ebertplatz glüht. Nur wenige halten es am Sonntag deshalb dort aus.

Das Wasser erfrischt, doch der Ebertplatz glüht. Nur wenige halten es am Sonntag deshalb dort aus.

Es ist heiß. Derart heiß, dass selbst der Brunnen auf dem Ebertplatz keine Abkühlung mehr verspricht. Nur ein paar Kinder tollen herum. Unter den Wasserscheiben lässt es sich aushalten. Aber wehe, du entfernst dich auch nur einen Meter, mit dem Ziel, dich auf einem Randstein des Trichters aus Buntkies-Waschbeton der 1970er Jahre niederzulassen. Ein derart heißes Pflaster halten nur die Dealer aus und speisen darauf sitzend mangels Kundschaft in der prallen Sonne aus Aludosen. „Gaeng Daeng scharf“ aus dem Thai-Imbiss, das Gericht mit rotem Curry und drei Chili, die auf der Speisekarte empfindliche Mägen vor möglichen Verbrennungen warnen.

Vorm Eingang des „Kölschen Boor“ auf dem Eigelstein glühen leere Vierer-Holztische in der Mittagshitze, als habe jemand die Parole „Draußen nur Hämchen“ ausgegeben. Ein Eisbein bei der Hitze? Klingt erfrischend, ist aber keine gute Idee. Die Eisdiele auf der Breite Straße dürfte bei dem Wetter den schlechtesten Umsatz des Jahres machen, weil sich außer einer Mitarbeiterin des Ordnungsamts und ein paar Obdachlosen auf der Einkaufsmeile absolut nichts und niemand bewegt.

Man könnte jetzt lange Worte über volle Schwimmbäder verlieren und über den Blackfoot-Beach am Fühlinger See lamentieren. Warum alle immer an die gleichen Orte wollen, wenn das Thermometer die 30-Grad-Marke übersteigt und sich wundern, dass die Liegefläche der eines Küchenhandtuchs entspricht.

Hitze in Köln: Wasseranschluss und staubiger Mutterboden, aber null Schatten

Wenden wir uns lieber denen zu, die für solche Hitzetage Außergewöhnliches unternehmen. Die Familie zum Beispiel, die sich unbedingt vorgenommen hat, am Brückentags-Wochenende von der Schäl Sick über die Hohenzollernbrücke zum Hauptbahnhof zu laufen. Mit zwei Rollkoffern in Hochseekistengröße, zwei Rucksäcken und anderen Kleinigkeiten. Auf der Nordseite. Nichtsahnend und nicht wissend, dass es auf der anderen Seite keine Rampe gibt. Keine gute Idee.

Da muss doch jeder Kölner eingreifen, der etwas auf sich und seine Stadt hält. Damit sie nicht in eine der größten Fallen tappen, in die ein Fremder an einem Hitzewochenende in Köln tappen kann und sie auf die Schokoladenseite der Brücke schicken. Ab in den Süden. Mit dem gleichnamigen Museum, den Liebesschlössern, dem Altstadt-Panorama und einer Kirche, die man selbst bei 40 Grad im Schatten nicht schlabbern darf. Die Familie bedankt sich, macht kehrt und wird diese Entscheidung hoffentlich niemals bereuen.

Kleingartengründerinnen Sarah (43) und Petra (48) auf ihrer Parzelle in der Gluthitze an der Vogelsanger Straße

Kleingartengründerinnen Sarah (43) und Petra (48) auf ihrer Parzelle in der Gluthitze an der Vogelsanger Straße

Außergewöhnliches leisten auch Sarah (43) und Petra (48). Die beiden sitzen in der Gluthitze im Grüngürtel, fünf Meter von der Fahrbahn der Vogelsanger Straße entfernt, hinter Gittern auf staubigem Mutterboden und träumen von einem mobilen Swimmingpool. Auf einer Parzelle, die mal ein Kleingarten werden soll. 180 Quadratmeter Land, zwei Stühle, ein nagelneuer Geräteschuppen und ein Pflänzchen, das eine große Zukunft als Kirschbaum vor sich hat.

Zwei Siedlerinnen in ihrer neuen Welt. Immerhin – einen Wasseranschluss gibt es schon und die beiden sind fest entschlossen, dass sich ihr Neuland in wenigen Jahren von den grünen Oasen der traditionsreichen Kleingartenanlage Schmalbeinstraße zwischen dem Belgischen Viertel und Ehrenfeld nicht mehr unterscheiden lässt.

Kein Schatten unterm Colonius: eine einsame Grillerin bereitet bei 35 Grad die Holzkohle vor.

Kein Schatten unterm Colonius: eine einsame Grillerin bereitet bei 35 Grad die Holzkohle vor.

Niemals mehr werde ich vom Schatten des Colonius schreiben. Weil der 266 Meter hohe Stift aus Beton gar keinen Schatten auf die Kampfgriller-Wiese im Grüngürtel unter ihm wirft, was zur Folge hat, dass auf der Riesenfläche zwischen Venloer und Vogelsanger Straße nicht gegrillt wird. Der Wasserspielplatz liegt wie eine Oase in der Wüste. Halt. Mitten auf dem noch erstaunlich grünen Stoppelfeld, das in der Mittagshitze liegt, bewacht eine Frau einen nagelneuen Dreibeiner-Rundgrill für 9,99 Euro. Glut sieht’s aus. Einer muss schließlich den Anfang machen. Ohne Wasser im Schwimmbad ist doch genauso verrückt.