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Kölner Toiletten-PosseStadt hält an Wachcontainer für Klos mit hohen Monatskosten fest

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Der Wachmann hat sein Wachhäuschen verlassen und steht vor dem Toilettencontainer.

Der Wachmann hat sein Wachhäuschen (links) verlassen und steht vor dem Toilettencontainer.

Die Stadt lässt seit drei Jahren für 400.000 Euro eine öffentliche Toilette bewachen, damit Drogenkranke sie nicht nutzen. Das soll so bleiben.

Die Kölner Toiletten-Posse am Neumarkt bleibt auf Dauer und kostet den Steuerzahler jeden weiteren Monat zwischen 10.000 und 11.000 Euro: Das hat die Stadtverwaltung dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitgeteilt. Mittlerweile sind seit dem Beginn der Bewachung im Mai 2022 Kosten von rund 400.000 Euro aufgelaufen.

Vor zwei Jahren war noch unklar, ob der öffentliche Toilettencontainer auf der Krebsgasse weiter sieben Tage die Woche bewacht wird (wir berichteten). Das Wachpersonal sitzt in einem eigens aufgestellten Container direkt daneben und sollen aufpassen, dass drogenkranke Menschen die Toilette nicht als Konsumraum nutzen.

Bewachung sieben Tage die Woche

Damals hieß es, „perspektivisch“ werde für den Neumarkt und dessen Umfeld „die Schaffung von weiteren Toilettenangeboten angestrebt“. „Im Zusammenhang mit deren Realisierung wird über den weiteren Umgang mit der Bewachung entschieden.“

Jetzt ist klar: Die zwei neuen Toiletten kommen tatsächlich an den Neumarkt, eine davon im Sommer – doch der Toilettencontainer auf der Krebsgasse bleibt und wird weiter bewacht. Für 10.000 bis 11.000 Euro monatlich. Werkstags zwischen 9 und 21 Uhr sowie sonn- und feiertags zwischen 9 und 18 Uhr.

Eine Sprecherin der Stadt teilte mit: „Ja, der Bewachungscontainer mit Personal bleibt.“ Es ist demnach der einzige in Köln und weitere, auch an anderen Drogenhotspots, sind demnach nicht geplant. Auch andere Medien wie die Satire-Sendung „Extra 3“ berichteten nach dem Artikel Bericht in dieser Zeitung.

Die Frage nach den bisherigen Gesamtkosten ließ die Verwaltung unbeantwortet. Es lässt sich aber nachrechnen: Seit Mai 2022 lässt die Stadt die Toiletten bewachen, das macht auf Basis der angegebenen monatlichen Kosten bis jetzt eine Summe zwischen 370.000 und 407.000 Euro.

Und jährlich kommen zwischen 120.000 und 132.000 Euro dazu. Das Geld dafür ist laut Sprecherin im Doppelhaushalt für 2025 und 2026 hinterlegt. Diesen hat der Stadtrat im Februar verabschiedet.

„Reker bezeichnet Haushaltslage als desolat“

Andrea Defeld, Pressereferentin für öffentliche Verschwendung des NRW-Ablegers des Bundes Deutscher Steuerzahler, sagte: „Die Bewachung ist natürlich extrem teuer.“

Laut einer städtischen Sprecherin gehören die Toiletten den städtischen Abfallwirtschaftsbetrieben, die Stadt zahlt eine Kostenpauschale an die AWB. Demnach hält sich die Verwaltung bei der Bezahlung an die Tarifverträge. Die Gesamtkosten von 10.000 bis 11.000 Euro beinhalten laut der Sprecherin auch die Kosten für den Dienstcontainer (Miete, Strom, Heizung etc.).

Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) hat die Haushaltslage der Stadt Köln mit vielen Hunderten Millionen Euro neuen Schulden gerade erst als „desolat“ beschrieben.

Toilettencontainer blieb jahrelang ungenutzt

Ein sogenanntes Haushaltssicherungskonzept hat die Stadt für die Jahre 2025/2026 laut Kämmerin Dörte Diemert „zunächst“ vermieden. In diesem Fall hätte die Stadt begründen müssen, wie sie wieder einen Haushalt ohne Schulden machen kann. Wäre ihr das nicht gelungen, dürfte sie nur noch Aufgaben wahrnehmen, zu denen sie rechtlich verpflichtet ist. Dann wären viele Vereine und Organisationen leer ausgegangen.

Die Toilette an der Ecke zu Schildergasse existiert seit dem 11. Februar 2015, die Stadt musste sie aber danach wegen der Drogenproblematik für Jahre sperren. Ein Sprecher hatte 2017 die Stadt versucht zu verteidigen: „Im Vorfeld konnte nicht mit einer widerrechtlichen Nutzung durch Drogenabhängige in diesem Umfang gerechnet werden.“ Die Menschen seien teils aggressiv gewesen. Erst 2022 öffnete sie wieder mit dem Wachhäuschen.

Stadt sieht kein anderes Mittel

Auf die Frage, ob nicht etwa Schwarz- oder Blaulicht helfen könnte, weil es den drogenkranken Menschen erschwert, eine Einstichstelle zu finden, teilte die Sprecherin mit: „Schwarzlicht/Blaulicht hat sich erfahrungsgemäß als nicht effektiv erwiesen, da die abhängigen Personen durch Handylicht oder vorherige Markierung am Körper auch unter Schwarzlicht/Blaulicht eine Einstechstelle finden. Die ausschließlich ordnungsgemäße Nutzung einer Toilettenanlage an Hotspots ist sehr schwierig zu bewerkstelligen und kann nur durch eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen, wie zum Beispiel Aufklärungsarbeit und soziale Kontrolle gefördert werden.“

Die Sprecherin kündigte Kontrollgänge des Ordnungsamtes zwischen den drei öffentlichen Toiletten am Neumarkt an.

Referentin Defeld vom Steuerzahlerbund sagte über die bewachte Toilette: „Auf die Toilette gehen zu müssen, ist ein Grundbedürfnis. Die Stadt sollte alles versuchen, das anders zu lösen.“ Defeld verwies etwa auf das Konzept „Happy Toilet“ und die mögliche Ausweitung.

Dabei stellen Gastronomiebetriebe in Köln ihre Toiletten während der Öffnungszeiten zur Verfügung, sie erhalten dafür eine jährliche Aufwandsentschädigung oder der Nutzer zahlt einen Euro. Am Neumarkt zählt beispielsweise das Gloria-Theater dazu. Die Bezirksvertretung Innenstadt hatte die Verwaltung 2023 gebeten, das Konzept bei Gastronomen bekannter zu machen.


Millionenkosten am Heinrich-Böll-Platz

Seit rund einem Vierteljahrhundert lässt die Kölner Stadtverwaltung den Heinrich-Böll-Platz am Dom sperren, wenn die Musikerinnen und Musiker der Kölner Philharmonie proben und spielen. Der Konzertsaal liegt direkt darunter und der Schallschutz ist laut Stadt mangelhaft, deshalb dürfen Passanten nicht über den Platz gehen. Aufgestellte Schilder weisen auf die Sperrung hin. Von 1999 bis Ende 2023 hat das insgesamt 3,7 Millionen Euro gekostet.

Der Heinrich-Böll-Platz am Museum Ludwig.

Der Heinrich-Böll-Platz am Museum Ludwig.

Laut Verwaltung ist die Bewachung weiter wirtschaftlicher als die Gesamtkosten für die Sanierung. 1998 hatte die Stadt für eine „unzureichende Deckensanierung“ umgerechnet rund 4,7 Millionen Euro angesetzt. Der Böll-Platz schaffte es sogar in das Schwarzbuch des Steuerzahlerbundes, darin beleuchtet der Verein die aus seiner Sicht schlimmsten Fälle von verschwendeten Steuermitteln.

Eine Generalsanierung des Gebäudekomplexes von Museum Ludwig und Philharmonie aus dem Jahr 1986 könnte das Problem beheben, laut eines städtischen Sprechers kann die Verwaltung den Zeitpunkt dafür aber nicht benennen. Angesichts der Finanzkrise hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) dem Projekt die Priorität entzogen. (mhe)