Kölner Seniorenheim schließt kurzfristig„Empörend, wie man mit alten Menschen umgeht“

Lesezeit 5 Minuten
Alteneim_Josef_2

Das Seniorenzentrum St. Josefshaus 

Die Nachricht, dass ein Seniorenheim schließt, klingt in Zeiten einer alternden Gesellschaft und fehlender Pflegeplätze seltsam. Enttäuscht sind die Angehörigen des Seniorenzentrums St. Josefshaus in der Südstadt auch über das Wie.

Bei einer kurzfristig anberaumten Informationsveranstaltung am 25. August erfuhren die Angehörigen der 33 Bewohnerinnen und Bewohner, dass das Seniorenheim zum 31. Dezember 2022 schließt. Die Angestellten hörten am gleichen Tag von der Entscheidung des Trägers, wie Dietmar Bochert, Sprecher der Marienhaus GmbH bestätigt.

Noch im Frühsommer waren neue Bewohnerinnen und Bewohner in das Haus aufgenommen worden. Die Wände waren frisch gestrichen, ein großer Bildschirm angeschafft worden.

Bewohner und Angehörige geschockt

„Ich habe zufällig von Angehörigen von der Schließung erfahren“, sagt Hausärztin Carolin Benninghoven, die zahlreiche Bewohnerinnen in dem Haus betreut. „Ich hätte das sehr gern früher von offizieller Seite erfahren, um richtig mit den Patienten umgehen zu können. Viele hat die Nachricht ja total geschockt. Für sie gibt es nichts Schlimmeres, als nach dem Verlassen der eigenen Wohnung, das schwer genug war, sich bald wieder in einer neuen Umgebung zurechtfinden zu müssen.“

Auf der Internetseite des Seniorenheims ist bis heute nichts von der geplanten Schließung zu lesen. Dort steht weiter „Hereinspaziert!“ Interessierte könnten einen Termin zur Besichtigung des Hauses vereinbaren.

Die Frage nach der sozialen Verantwortung

„Ich finde es empörend, wie man hier mit alten Menschen umgeht“, sagt Ute Wollenweber, deren Eltern im St. Josefshaus leben, die Mutter seit Ende 2019, der Vater seit Mai 2021. „Ein Träger von Seniorenheimen hat auch eine Fürsorgepflicht. Ich bin traurig, wie und zu welchem späten Zeitpunkt die Schließung kommuniziert wurde.“ Sie versucht nun, für ihre Eltern eine neue Bleibe zu finden – bislang erfolglos.

Vier Monate, um eine neue Unterkunft zu finden – das sei viel zu wenig. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht, das Sprichwort stimmt ja – alte Menschen können sich nicht mehr gut auf neue Situationen einstellen“, sagt Wollenweber. Ihr Vater mache sich große Sorgen, seine schwer pflegebedürftige Frau schon bald nicht mehr besuchen zu können. „Offenbar stehen wirtschaftliche Interessen hier vor sozialen. Vom christlichen Leitbild ganz zu schweigen.“

Träger verwundert über Unmut

Sprecher Dietmar Bochert äußert sich verwundert über den Unmut der Angehörigen. „Wir konnten diese Verunsicherung bislang nicht feststellen“, sagt er. „Zumal wir sehr deutlich gemacht haben, dass wir Sorge für eine angemessene Unterbringung und Versorgung der Menschen tragen werden. Daher haben wir auch vor der Ankündigung das Gespräch mit der Caritas gesucht und die Möglichkeiten besprochen.

Altenheim_Josef

Das Seniorenzentrum

Bochert stellt in Aussicht, „für alle Beteiligten verträgliche und zufriedenstellende Lösungen herzustellen“. Er spricht allerdings auch davon, dass einige Bewohnerinnen und Bewohner womöglich „in der Kölner Region“ unterkommen würden. Auf der Liste, die der Träger den Angehörigen gegeben hat, stehen auch Heime in Dünnwald, Wahn oder Zündorf.

Für Angehörige wie Karin Weidenbruch, die Tochter von Sylvana Nagel, die am 31. Dezember 93 Jahre alt wird und seit sieben Jahren im St. Josephshaus lebt, wäre das viel zu weit. Weidenbruch ist wie ihre Mutter auf einen Rollator angewiesen.

Hoffnung auf einen neuen Platz in der Nähe

„Deswegen war das Haus, das nur fünf Fußminuten von meiner Wohnung entfernt liegt, ideal für uns“. Sie habe ihre Mutter darauf vorbereitet, „vielleicht bald in ein Doppelzimmer ziehen zu müssen. Aber das will sie natürlich nicht“. Weidenbruch ist digital nicht vernetzt, momentan melde sie sich telefonisch bei Seniorenheimen in der Nähe und stelle Anträge. „Ich hoffe, dass meine Mutter an ihrem Geburtstag einen neuen Platz hat“, sagt sie.

Sollten bis zum Jahresende nicht alle Bewohnerinnen und Bewohner einen neuen Platz gefunden haben, könnten diese weiter in den Räumen des St. Josefsstifts betreut werden, sichert der Träger zu. Die städtische Heimaufsicht sieht für den Fall, dass Bewohner bis dahin nichts gefunden haben, Übergangsfristen vor.

Das könnte Sie auch interessieren:

Seit Jahren habe man mit dem Vermieter, der St. Josefshaus-Stiftung, über einen Ausbau der Einrichtung diskutiert, sagt Sprecher Bochert zu den Gründen für die Schließung. In dem Haus ist auch eine Kindertagesstätte untergebracht, die Stiftung nutzt ebenfalls einige Räume. Die Möglichkeit einer Vergrößerung habe sich leider nicht ergeben.

Vor allem aufgrund des immensen Fachkräftemangels sei „die Aufrechterhaltung einer fachlichen und qualitativ hochwertigen Pflege“ in einer so kleinen Einrichtung nicht länger möglich, argumentiert Bochert. Auch  Gespräche mit benachbarten Einrichtungen über eine mögliche Übernahme seien erfolglos geblieben.

Träger sichert Hilfe zu

„Wir bedauern die Schließung sehr und stehen allen Bewohnern und Angehörigen bei der Suche nach neuen Plätzen zur Verfügung.“ Die Caritas habe allein 36 Plätze mit stationärer Pflege in Aussicht gestellt. „Es wird niemand Ende Dezember auf der Straße stehen müssen.“

Die Mutter von Thomas S. ist im März dieses Jahres in das Haus in der Annostraße eingezogen. „Wenn wir gewusst hätten, dass die Einrichtung zum Jahresende schließt, hätten wir das natürlich niemals gemacht“, sagt Thomas S. „Als wir bei der Informationsveranstaltung von der Schließung gehört haben, waren wir sprachlos. Es war wie eine Schockstarre. Viel Kritik gab es spontan leider nicht.“ Nur so kann sich Thomas S. den Eindruck des Trägers erklären, die Angehörigen hätten die Nachricht „sehr verständnisvoll aufgenommen“.

Kostenerhöhung vor wenigen Wochen

„Den Eindruck, dass das Wohl der Bewohner an erster Stelle steht, hatte wohl niemand“, sagt Thomas S. Unverständlich sei für ihn auch, dass „die Unterbringungskosten noch vor zwei Monaten erhöht worden sind“.  

KStA abonnieren