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Heftiger Unfall auf StadtautobahnKölner flüchtet – und lässt Sprengsatz im Auto zurück

4 min
Blick stadtauswärts auf den Autobahntunnel der B55a in Kalk

Blick stadtauswärts auf den Autobahntunnel der B55a in Kalk

Nun muss sich der Mann in einem spektakulären Prozess vor dem Kölner Amtsgericht verantworten.

Er raste mit mehr als 180 km/h über die Stadtautobahn, krachte in die Leitplanken und zerlegte seinen geliehenen Golf GTI. Statt auf die von Zeugen alarmierte Polizei zu warten, flüchtete der junge Mann vom Unfallort. Als die Beamten danach das Fahrzeug inspizierten, machten sie eine gefährliche Entdeckung – im Kofferraum lag ein Sprengsatz. Seit Montag muss sich der 22-jährige Beschuldigte wegen der Vorbereitung eines Explosionsverbrechens vor dem Kölner Amtsgericht verantworten.

Köln: Experte vom LKA spricht von hochgefährlichem Sprengsatz

Der Sprengsatz hatte ein Gewicht von 1,3 Kilogramm, darunter 90 Gramm eines hochexplosiven Blitzknallsatzes. „Das ist schon eine richtige Hausnummer“, sagte ein Sprengstoffexperte des Landeskriminalamtes beim Prozess in Saal D des Kölner Justizgebäudes. Er nannte einen Vergleich: Eine 500-Gramm-Bombe würde etwa zur Sprengung eines fest eingebauten Geldautomaten in Bankvorräumen benötigt. Und da würden schon Fenster zerstört und Türen aus den Angeln gehoben.

Ein mehr als doppelt so schwerer Sprengsatz wie im aktuellen Fall würde entsprechend mehr Schaden anrichten, erklärte der LKA-Experte. Staatsanwältin Annette Rössing hatte die Anklageschrift mit den Worten zitiert, dass der Sprengsatz dazu geeignet gewesen wäre, nicht nur große Gebäudeschäden herbeizuführen, sondern auch Leib und Leben von Personen zu gefährden. Doch wozu die Bombe mit Zündschnur wirklich gedacht war, dazu verhält sich die Anklage nicht.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Köln: Angeklagter spricht von übriggebliebenem Silvesterböller

Ein Zeuge sagte bei der Polizei aus, dass der Angeklagte in Drogengeschäfte verwickelt sei und die Bombe „einem Jungen“ weiterreichen wollte, der sie dann an einer Kölner Diskothek zünden sollte. Das wäre kein neues Vorgehen: Vergangenen September detonierte ein Sprengsatz vor dem „Vanity“ auf den Kölner Ringen. Weitere Bomben wurden vor Wohn- und Geschäftshäusern in Köln und dem Umland gezündet – zur Einschüchterung von mutmaßlichen Beteiligten im „Kölner Drogenkrieg“.

Der Beschuldigte mit seiner Verteidigerin Pina Klara beim Prozess im Kölner Amtsgericht

Der Beschuldigte mit seiner Verteidigerin Pina Klara beim Prozess im Kölner Amtsgericht

Erhärtet wurde der von dem Zeugen geäußerte Verdacht offenbar nicht. Und der Beschuldigte hatte beim Prozess eine viel simplere Erklärung parat. Bei dem Sprengsatz handele sich um einen Silvesterböller, der einfach übriggeblieben sei. Gekauft habe er diesen „auf der Straße in Finkenberg“. „Da gab es Batterien, Polenböller und Raketen“, sagte der 22-Jährige. Er habe für 300 Euro ein breites Sortiment erworben – um es zum Jahreswechsel auf den Poller Wiesen so richtig krachen zu lassen.

Dass er den Sprengsatz im Auto lagerte, habe folgenden Grund gehabt: Er sei umgezogen, zurück zu seinen Eltern, und habe den heiklen Gegenstand nicht einfach zu Hause ablegen wollen – zumal er sich nun ein Zimmer mit seinem kleinen Bruder teilte. Also sei die Bombe mit anderen persönlichen Gegenständen erstmal in dem Golf verblieben. Auch die Raserei auf der Stadtautobahn konnte der junge Mann erklären: Er sei in jener Nacht angegriffen und verfolgt worden und in Panik geraten.

Köln: Angeklagter spricht von Verfolgungsjagd nach Café-Besuch

Nach einem Café-Besuch in Kalk sei sein Auto zugeparkt gewesen. Er sei eingestiegen, als plötzlich mehrere Männer auf ihn zugekommen seien. „Sie hatten Waffen und trommelten mit Stöcken auf mein Auto“, so schilderte es der Angeklagte. Er sei nicht wie aufgefordert ausgestiegen, sondern habe mit dem Golf vor und zurückgesetzt und sich schließlich den Weg frei gerammt. Auf der Flucht sei er verfolgt worden – und habe an einer Ausfahrt der Stadtautobahn schließlich die Kontrolle verloren.

Einer der Angreifer sei jener Mann gewesen, der ihn bei der Polizei belastet habe. Dieser sei auch Mitarbeiter der Autovermietung – hier hatte sich der Angeklagte den Golf geliehen, obwohl er keinen Führerschein besitzt. Womöglich hätten es die Männer auf die Tageseinnahmen des Kiosks seines Vaters abgesehen, in dem er arbeite, mutmaßte der Angeklagte. Der 22-Jährige verneinte, in Drogengeschäfte verwickelt zu sein – er konsumiere lediglich, etwa Kokain beim Feiern in der Disco.

Köln: Staatsanwältin zweifelt Einlassung des Angeklagten an

Verteidigerin Pina Klara erklärte, dass ihrem Mandanten nach vorläufiger Bewertung lediglich der Besitz des Sprengkörpers, nicht aber die Vorbereitung eines Explosionsverbrechens nachgewiesen werden könne. Auch eine Unfallflucht sah die Anwältin nicht, da sich der Mandant in Panik befunden und danach den Autovermieter informiert habe. Doch Staatsanwältin Rössing machte bei der Verhandlung keinen Hehl daraus, der Einlassung des Beschuldigten eher nicht folgen zu wollen.

Zum einen hätten Zeugen des Unfalls in jener Nacht keine Verfolger wahrgenommen. Auch seien am lädierten Golf ausgerechnet an den Stellen keine Spuren zu sehen, die durch das beschriebene Freirammen am Café hätten entstehen müssen. Die Staatsanwältin forderte weitere Unterlagen zu sichten, die die Entstehung der Schäden am Auto rekonstruieren. Da ohnehin noch weitere Zeugen zu dem dubios erscheinenden Fall aussagen sollen, vertagte Richter Karl-Heinz Seidel die Verhandlung.