Kölner tagelang gequältAngeklagte im Missbrauchsprozess waren selbst Opfer

Lesezeit 2 Minuten
Drei der sieben Angeklagten sitzen vor Beginn des Prozessauftakts im Landgericht. Die Angeklagten sollen einen behinderten Mann eingesperrt und zu „sklavenähnlichen Arbeiten“ gezwungen haben.

Drei der sieben Angeklagten sitzen vor Beginn des Prozessauftakts im Landgericht. Die Angeklagten sollen einen behinderten Mann eingesperrt und zu „sklavenähnlichen Arbeiten“ gezwungen haben.

Köln – Was hat sieben junge Männer und Frauen dazu gebracht, im Februar dieses Jahres einen geistig leicht behinderten Mann in einer Wohnung in Ehrenfeld fünf Tage lang gefangen zu halten, zu berauben, zu demütigen und zu quälen? Die Angeklagten hatten über ihre Verteidiger Geständnisse abgelegt. Doch am Dienstag, an dem die psychiatrische Gutachterin das Wort hatte, wurde deutlich, wie beschädigt die Angeklagten selber waren, bevor sie ihr Opfer misshandelten und erniedrigten.

Schon am Montag hatte der älteste Beschuldigte, ein 34-jähriger Mann, vor der 15. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts gesagt, er habe aus Angst mitgemacht, sonst selbst zum Opfer der anderen zu werden. Die Sachverständige führte aus, mehrerlei habe bei ihm zusammengewirkt: eine „intellektuelle Minderbegabung“, eine „Traumafolgestörung“ , ein Störung der „sozio-emotionalen Entwicklung“ und eine „unreife Persönlichkeit“.

Drogen führten zu Enthemmung

Und der Konsum von Drogen habe zu einer „gewissen Enthemmung“ geführt. Als Kind wurde der Angeklagte häufig von seinem Vater, einem Alkoholiker, aus dem Schlaf gerissen und verprügelt. Früh kam er mit Rauschgift in Berührung. Mit 14 wurde er von einem Mann vergewaltigt. Eine Ehe, aus der drei Kinder stammen, zerbrach. Wiederholt lebte er auf der Straße. Es sei nicht auszuschließen, dass er zur Tatzeit „vermindert steuerungsfähig“ gewesen sei, sagte sie.

Das könnte Sie auch interessieren:

Den gleichen Schluss zog sie, als sie über einen 23-jährigen Angeklagten sprach, dessen leibliche Eltern heroinsüchtig waren. Er wuchs seit dem dritten Lebensjahr bei Pflegeeltern auf. Sie kümmerten sich liebevoll um ihn, doch ihm habe das „Urvertrauen“ gefehlt, sagte die Psychiaterin. ADHS wurde diagnostiziert. Er erlebte Mobbing, flog von Schulen, schaffte den Neunte-Klasse-Abschluss, brachte es aber nicht bis zur Ausbildung. Nachdem sich eine Frau, mit der er ein Kind hat, von ihm getrennt hatte, nahm er wieder verstärkt Drogen. Ein weiterer Schlag war, dass ein guter Freund bei einem Motorradunfall starb. Im Januar dieses Jahres kam er aus dem Gefängnis frei, wo er zwei Monate abgesessen hatte. Zur Tatzeit habe er sich in einem „mittelschweren Rauschzustand“ befunden, sagte die Psychiaterin.

Als Kind jahrelang missbraucht

Prekär nimmt sich auch das Leben einer 31-Jährigen aus. Die Sachverständige sprach von einer „Broken-Home-Situation“ in der Kindheit. Die Angeklagte wuchs in einem sozialen Brennpunkt auf, wo sie Gewaltausbrüche erlebte, machte keine Lehre, hatte nur Gelegenheitsjobs, verlor dann ihre Wohnung. Als Kind wurde sie jahrelang von einem Cousin sexuell missbraucht. Eine Diabetes-Erkrankung löste starke Stimmungsschwankungen aus. Die Psychiaterin empfahl eine Drogen- oder Psychotherapie. Der Prozess wird am nächsten Montag fortgesetzt.

KStA abonnieren