OB würdigt Journalisten als „Institution“Wallraff stellt Obdachlosen im Rathaus vor

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Günter Wallraff beim Empfang zu seinem 80. Geburtstag

Köln  – Feiern zum eigenen Geburtstag und sonstigen Lobgesängen geht Günter Wallraff seit jeher lieber aus dem Weg. Zu seinem 80. Geburtstag am 1. Oktober lud er stattdessen 16 Kölner Obdachlose ins Brauhaus Unkelbach ein.

Seinen 50. Geburtstag hatte er mit den Opfern des Brandanschlags von Rostock-Lichtenhagen verbracht, zum 60. war er nach Afghanistan geflogen, um eine von ihm finanzierte Mädchenschule einzuweihen. Die Einladung von Oberbürgermeisterin Henriette Reker, ihn anlässlich seines 80. Geburtstag im Rathaus zu empfangen, schlug der manchmal etwas scheue Schriftsteller nicht aus.

Marc schläft derzeit in einem Heizungskeller

Wallraff wäre nicht Wallraff, hätte er die Gelegenheit nicht genutzt, um auf ein drängendes Problem hinzuweisen: Neben ihm im Muschelsaal saß Marc, der seit vielen Jahren obdachlos ist und derzeit geduldet in einem Heizungskeller in Köln schläft. Wallraff hatte ihn bei dem Essen im Brauhaus an seinem Geburtstag kennengelernt.

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Wallraff trug sich ins Gästebuch der Stadt Köln ein.

„Marc ist ein Beispiel dafür, dass Obdachlosigkeit jeden Menschen treffen kann“, sagte der Schriftsteller, den Reker als „einen der bedeutendsten Journalisten der Bundesrepublik, Persönlichkeit der Zeitgeschichte und gesellschaftliche Institution, an dem keiner vorbeikommt“, würdigte.

„Vielleicht kann diese Veranstaltung dazu beitragen, dass Marc bald eine Wohnung findet“, sagte Wallraff, bevor er sich ins Gästebuch der Stadt eintrug. Nach dem offiziellen Teil kündigte er an, Marc vorläufig selbst eine Wohnung zur Verfügung zu stellen.

Reker wundert sich über Wallraffs Energie

„Ich schätze Sie dafür, dass Sie immer wieder die Menschlichkeit eingefordert haben und bis heute einfordern“, sagte Reker. Mit seinen Recherchen in der Rolle des Gastarbeiters Ali oder als Hans Esser bei der „Bild“-Zeitung habe Wallraff „das heutige Deutschland mitgeprägt. Und sie werden es weiter tun!“

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Verstehen sich: Henriette Reker und Günter Wallraff

Die Oberbürgermeisterin wunderte sich über die nie versiegende Energie des 80-Jährigen, der bis heute für die eigene Sendung „Team Wallraff“ des Senders RTL arbeitet und sich derzeit auf eine neue Rolle vorbereitet. „Meine persönliche Prognose ist: Sie haben auch Spaß am Rollenwechsel“, sagte Reker. „Sonst ließe sich das gar nicht durchhalten.“

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Wallraff erinnerte daran, dass Reker sich immer wieder für Minderheiten und Menschenrechte starkmache. „Sie sind immer bereit zu helfen, das schätze ich an Ihnen sehr.“

Freunde holen Geburtstagsfeier nach

Im Muschelsaal holten auch einige Freundinnen und Freunde Wallraffs nie stattfindende Geburtstagsparty nach: Unter den Gästen waren Pfarrer Franz Meurer, der ehemalige Landtagsabgeordnete Felix von Grünberg, die Stifter Roswitha und Erich Bethe, der 2019 in der Türkei inhaftierte Adil Demirci, Wallraffs Schulfreund Pater David Kammler, Wallraffs Tochter Ines, Psychologe Ali Kemal Gün sowie die Filmemacher Pagonis Pagonakis und Gerhard Schmidt. 

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