Kreuz an der KetteNur modisches Statement oder religiöse Bekenntnis?

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kreuze heart of gold

Kreuze von „Heart of Gold“

Köln – Eine horizontale und eine vertikale Linie im 90-Grad-Winkel zusammengefügt. Das ist das Kreuz – eine schlichte geometrische Form und dennoch so unendlich ergiebig in den Gestaltungsmöglichkeiten, wie man etwa in einer Kölner Goldschmiede am Weidenbach sehen kann. Anders, als in den Vitrinen von Gold Kraemer oder den Juwelierläden Rüschenbeck und Christ auf der Hohe Straße, wo der klassische Kettenanhänger zumeist unverziert-glatt in Silber und Gold angeboten wird, haben die Kreuze bei „Heart of Gold“ Größe, Gewicht und Dekor.

Abgesehen von der opulenten Ausgestaltung mit Perlen oder Edelsteinen wie zum Beispiel Granat, Amethyst, dem gelblichen Citrin oder dem apfelgrünen Chrysopras, der bereits in der Antike als Heilstein unter anderem gegen schlechte Laune und Depressionen eingesetzt wurde, offenbaren die Entwürfe von Kathrin Hens und Edgar Jäger nicht selten ein Statement, das man auch ein wenig augenzwinkernd betrachten kann – wie zum Beispiel das mit Herzen geschmückte Silberkreuz, das Hens als „Secreto de familia“ (spanisch für Familiengeheimnis) konzipiert hat.

„Das Kreuz hat für uns weniger mit dem Glauben zu tun"

„Das Schlichte ist nicht so unsers“ gibt Goldschmiedin Hens lächelnd zu und greift zu einem Exemplar, das wie ein Medaillon aufgeklappt werden kann und natürlich auch eine Innengestaltung aufweist. „Wir haben viele Kreuze, schon immer“, sagt die Kölnerin, die seit fast 30 Jahren gemeinsam mit ihrem Mann an diesem Standort arbeitet. „Das Kreuz hat für uns weniger mit dem Glauben zu tun, eher mit der Form“, die beide als besonders reizvoll empfinden, „weil man damit spielen und auch überzeichnen kann“.

Anders als in den Geschäften der Fußgängerzone, wo gerade in der Osterzeit häufiger Kettenanhänger in Form des Kreuzes nachgefragt werden, um sie vor  allem Kindern zur Erstkommunion oder Konfirmation zu schenken, sind die Kreationen von „Heart of Gold“ deutlich schwieriger an den Mann oder die Frau zu bringen. Viele fänden ihre Kreuze schön, „aber auch etwas zu viel Kirche“ dran, bemerkt die Goldschmiedin schmunzelnd.

Tochter ließ sich mit neun Jahren aus freien Stücken taufen

Zu viel dran ist an dem Kreuz, das Tim und Silke Janst an diesem Mittag betrachten, definitiv nicht, obwohl sich das silberne Exemplar ebenfalls deutlich von der großen Masse aus Industriefertigung unterscheidet. Er habe sich schon mit 16 Jahren an der Scheibe der Goldschmiede „Der vierte König“, die Nase platt gedrückt, weil dort unter anderem auch die Entwürfe seines Lieblingsgoldschmieds Patrik Muff verkauft würden, erzählt Janst.

Kreuz Kette Ostern

Silke und Tim Janst

Inzwischen trägt der Kölner eine Kette mit mehreren silbernen Symbolen – teils Geschenke seiner Frau – und kann sich auch für die gemeinsame Tochter nur Patrik-Muff-Design vorstellen. Ihre Tilda habe sich kürzlich mit neun Jahren „aus freien Stücken taufen lassen“, und werde am 30. April in St. Agnes zur Kommunion gehen, berichten die Eltern.

kreuze patrik muff

Arbeiten des Juwelengoldschmieds Patrik Muff im Kölner Schmuck-Atelier „Der vierte König“

Der Schweizer Juwelengoldschmied Muff hatte 1989 gemeinsam mit Marie von Chamier und ihrem Mann Klaus Arck in der Großen Brinkgasse die Schmuck-Galerie „Der vierte König“ begründet, wo die prägnanten Entwürfe des inzwischen in München ansässigen Künstlers weiterhin verkauft werden. Nicht nur die Schmuckstücke mit Kreuzen, sondern vor allem auch Muffs Ringe mit Totenköpfen haben unter anderem in der Musik- oder Kunstszene viele prominente Träger.

Erleichterung darüber, dass es rockig aussehen darf

Marie von Chamier beobachtet bei ihren Kunden oft „eine große Erleichterung darüber, dass das Kreuz heute auch ein bisschen rockig aussehen darf“. Man könne damit wunderbar „das Eigentliche wegwischen“. Und für den Betrachter werde nicht klar, welcher Aspekt für den Träger wichtiger sei – der modische oder der religiöse. 

marie von Chamier

Marie von Chamier von der Goldschmiede „Der vierte König“ mit einem Silberkreuz

Denn eins ist klar: Das Kreuz als Schmuckstück ist schon lange viel mehr als nur ein äußerlich sichtbares Bekenntnis zum Glauben. Es ist ein modisches Accessoire, das ebenso wie Kleidung immer wieder neuen Strömungen unterliegt; auch wenn die meisten Träger einer unspektakulären Form den Vorzug geben, wie etwa die Repräsentantin für Amor-Schmuck bei Galeria Kaufhof, die ihren kleinen silbernen Anhänger „seit vielen Jahren hauptsächlich aus religiösen Gründen“ trägt. Viele andere dürften beim Umlegen ihrer Kette indes keinen Gedanken daran verschwenden, dass an eben solch einem Gegenstand vor mehr als 2000 Jahren der Sohn Gottes starb.  

„Es ist ein Folterwerkzeug, das muss man sich klarmachen!“

Sie selber sei zwar auch katholisch getauft, gesteht Goldschmiedin von Chamier ein, habe aber dennoch ein zwiespältiges Verhältnis zu dem Kreuzsymbol. „Es ist ein Folterwerkzeug, das muss man sich klarmachen!“

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Die Form sei eine menschengemachte und lasse aufgrund des Querbalkens im rechten Winkel wenig Spielraum. „Das hat etwas Dogmatisches, Festgelegtes“ und unterscheide sich doch stark von natürlichen Formen wie einem Baum mit seinen Verästelungen, die etwas Suchendes ausdrückten.

Das mit am häufigsten getragene Schmuckstück

Auf der anderen Seite sei diese grafisch starre Form mit dem 90-Grad-Winkel auch „sehr verbindlich für uns Menschen“, glaubt von Chamier, die bei ihren eigenen Entwürfen – häufig auch bei Ohrringen – oft gar nicht an der Kreuzform vorbeikommt.

Unbestritten sei die Kette mit dem Kreuzanhänger neben dem Ehering das mit am häufigsten und am längsten getragene Schmuckstück. „Es ist ideell so aufgeladen und gleichzeitig so selbstverständlich.“ Hinzu komme, es sei überhaupt nicht geschlechtsspezifisch. „Selbst Männer, die gar  nicht schmuckaffin sind, haben da einen ganz einfachen Zugang zu.

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