„Viele haben keine Chance”Wie Langzeitarbeitslose in Köln unterstützt werden können

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Linda Teschlade (v.l.), Hubertus Heil und Jochen Ott

Köln-Ehrenfeld – Sie haben oft nur geringe Qualifikationen, keine Ausbildung und mitunter keinen Schulabschluss. In einer Gesellschaft, die sich immer weiter spezialisiert, haben viele Langzeitarbeitslose kaum eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die Bundesregierung hat daher im Jahr 2019 mit dem Teilhabechancengesetz zwei neue Fördermaßnahmen geschaffen, um Arbeitgeber finanziell zu unterstützen, die Langzeitarbeitslosen einen Job bieten.

Dialog zwischen Politik und sozialen Verbänden

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ist nun am Dienstag nach Köln gekommen, um in einem Fachgespräch beim sozialen Träger Eva gGmbH in Köln-Ehrenfeld mit Vertretern von sozialen Verbände über Licht und Schatten des Gesetzes zu sprechen.

Im Rahmen des Teilhabechancengesetz (Paragrafen 16 i und e) können Arbeitgeber – soziale Träger wie auch Firmen in der freien Wirtschaft – die Langzeitarbeitslose beschäftigen, einen Lohnkostenzuschuss bis zu fünf Jahren erhalten. Der Zuschuss beträgt anfangs 100 Prozent und schmilzt mit zunehmender Dauer ab. Zudem werden die Betroffenen durch einen Coach unterstützt, der mit ihnen Probleme berät und Ressourcen stärken soll. Bislang konnten gut 52.000 Menschen in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vermittelt werden, sagte Heil. Damit auch die Jobcenter maßgeblich unterstützen können, haben sie vier Milliarden Euro zusätzlich bis 2022 erhalten.

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Bürgergeld könnte negative Auswirkungen haben

Die Vertreter der sozialen Träger begrüßten das Gesetz. „16i ist Spitzenklasse, aber wir müssen überlegen, wie wir noch besser werden können“, sagte Linda Teschlade, SPD-Kandidatin bei der Landtagswahl und Geschäftsführerin von Eva gGmbH. Teschlade äußerte die Sorge, dass insbesondere das von der Bundesregierung geplante Bürgergeld negative Auswirkungen haben könnte. Mit dem Bürgergeld, das Hartz IV ersetzen soll, dürften Langzeitarbeitslose nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, sondern müssten zudem über eine Qualifizierung eine Chance haben, zu arbeiten und an der Gesellschaft teilzuhaben. „Menschen ohne Arbeit drohen zu vereinsamen“, ergänzte SPD-Landtagsabgeordneter Jochen Ott.

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Netzwerk hatte Maßnahmen gefordert

Teschlade, Ott und mit ihnen die Autorinnen und Autoren eines Positionspapier des Bundesnetzwerks für Arbeit und soziale Teilhabe forderten, die Maßnahmen im Teilhabechancengesetz zu entfristen, also länger als fünf Jahre zu gewähren. „In den letzten Jahren beobachten wir, wie Langzeitarbeitslosigkeit sich verhärtet und es eine erhebliche Zahl an Personen im Leistungsbezug gibt, die aus verschiedenen Gründen (…) keinen Platz auf dem Arbeitsmarkt finden“, heißt es im Papier. So sieht das auch Peter Zinken vom Internationalen Bund West. „Es werden nicht alle den Sprung auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen.

Dabei handele sich um Menschen, die oft keine oder nur geringe Ausbildung oder Qualifikationen aufwiesen oder gesundheitliche Einschränkungen hätten, ergänzt Almut Gross von der Jugendhilfe Köln. Auch diese Personen müssten über einen geförderten Arbeitsmarkt eine Chance haben, eine Arbeit auszuüben. „Die Würde des Menschen ist wichtig“, so Gross. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Globalisierung und Digitalisierung sei es wahrscheinlich, dass immer mehr Menschen abgehängt werden und sich möglicherweise auch aus dem demokratischen System verabschieden. „Menschen, die nicht mitgenommen werden, bewegen sich woanders hin“, sagt Gross.

Heil versucht, Bedenken zu zerstreuen

Heil versuchte die Bedenken zu zerstreuen. Das neue Bürgergeld solle zwar großzügiger angewendet werden als die bisherigen Hart-IV-Regelungen. Man könne aber nicht darauf verzichten, die Menschen in den ersten oder zweiten Arbeitsmarkt zu integrieren. Es gebe bundesweit 50.000 Jugendliche, die jedes Jahr ohne Abschluss aus der Schule kommen und 1,3 Millionen Menschen zwischen 20 und 30 Jahren ohne Ausbildung. „Viele haben auf dem freie Markt keine Chance“, so Heil. „Das neue Bürgergeld soll Menschen nicht stilllegen“, so Heil. Diese müssten auf dem zweiten Arbeitsmarkt einen Platz finden. „Denn Arbeit ist mehr als nur ein Broterwerb“.

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