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Bertelsmann-StudieImmer weniger Fachkräfte arbeiten in NRW-Kitas

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Kinder einer Krippen-Gruppe spielen auf dem Spielplatz der Kita. Dabei werden sie je nach Ort von unterschiedlich stark qualifiziertem Personal betreut. (Symbolbild)

Kinder einer Krippen-Gruppe spielen auf dem Spielplatz der Kita. Dabei werden sie je nach Ort von unterschiedlich stark qualifiziertem Personal betreut. (Symbolbild)

Nur jede dritte Kita in NRW erfüllt den Fachkraft-Standard. Ein Wohlfahrtsverband sagt: „Die Mehrheit der Städte und Kreise lässt die Kinder im Stich.“

Es wird zwar kaum eine Gelegenheit ausgelassen, bei der Politiker und Expertinnen die Wichtigkeit frühkindlicher Bildung betonen, die Wirklichkeit jedoch sieht anders aus: In nordrhein-westfälischen Kindertagesstätten arbeiten immer weniger pädagogisch qualifizierte Fachkräfte. Das ist das Ergebnis der jetzt veröffentlichten Bertelsmann-Studie „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Kommunen immens.

Von einer hohen Fachkraftquote gehen die Analysten aus, wenn mindestens 82,5 Prozent der Beschäftigten in einer Kita einen einschlägigen Fachschulabschluss haben, etwa als staatlich anerkannte Erzieherin, Kindheitspädagoge, Heilerzieherin oder Diplom-Sozialpädagoge. Weil Fachpersonal fehlt, der Platzbedarf weiter steigt und viele Kommunen unter Kostendruck stehen, wurden viele Kitas auch für andere Berufsgruppen geöffnet. Das sei nicht nur in NRW so und bedeute eine Tendenz zur „De-Professionalisierung“ und „strukturellen Absenkung des Qualifikationsniveaus“, heißt es in der Bertelsmann-Untersuchung.

Vor allem in Westdeutschland ist der Mangel auffällig

Der Trend gefährde „eine Errungenschaft des deutschen Kita-Systems“, denn im internationalen Vergleich lägen die Fachkraftquoten in den Kitas in Deutschland bisher noch über denen in vielen anderen EU-Ländern. Die Situation in Ost- und Westdeutschland unterscheide sich deutlich. Während im Osten wegen sinkender Kinderzahlen mancherorts bereits Kitas geschlossen werden, fehlen im Westen zahlreiche Erzieherinnen.

In NRW sind laut Bertelsmann durchschnittlich 74,1 Prozent aller pädagogisch Tätigen pro Kita einschlägig ausgebildete Fachkräfte – bezogen auf den Stichtag 1. März 2024. Richte man den Blick auf eine hohe Quote von rechnerisch mindestens 82,5 Prozent solcher Fachkräfte pro Kita, so zeige sich, dass weniger als ein Drittel (29,0 Prozent) der Kindertagesstätten in NRW diesen guten Wert erreichten.

Bildung als Grundrecht – Kritik an NRW-Kita-Politik wächst

Allerdings gebe es örtlich erhebliche Unterschiede. In Mönchengladbach erreichen den Ergebnissen der Studie zufolge nur neun Prozent der Kitas die Qualitätsquote, in Köln fällt der Anteil mit 13,1 Prozent ebenfalls gering aus. Ähnlich ist es in Düsseldorf mit 14 Prozent, in Dortmund als drittgrößte Stadt des Landes erfüllen etwa ein Drittel der Kitas die Anforderungen. Vergleichsweise gut mit einem Anteil von über 40 Prozent stehen Mülheim an der Ruhr oder auch die Kreise Kleve oder Herford da. Am besten schneidet der Kreis Höxter mit einer Fachkraftquote von 62 Prozent ab.

„Bildung ist ein Grundrecht und darf nicht zu einem Standortfaktor verkommen“, mahnt die Bildungsgewerkschaft GEW. Mindeststandards dürften kein Luxus sein. Die Landesregierung müsse die Qualität flächendeckend ausbauen, statt Standards zu senken. „Wer an Fachkräften spart, spart an der Zukunft unserer Kinder.“ Der Paritätische NRW meinte: „Es muss der Eindruck entstehen, dass die Kommunen nicht wollen, obwohl sie könnten – die Mehrheit der Städte und Kreise lässt die Kinder im Stich.“

Bald könnten rund 20.000 Erzieher fehlen

Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Landtag, Jochen Ott, fordert von der Landesregierung, einen Investitions- und Ausbaufonds in Höhe von 3,5 Millionen Euro aufzulegen. Dem „Absturz der Fachkräftequote“ müsse„ endlich entgegengewirkt werden“. Marcel Hafke, Kita-Experte der Liberalen, schätzt, dass in NRW rund 100.000 Kitaplätze fehlen – und bis zum Jahr 2030 rund 20.000 Erzieherinnen und Erzieher.

Familienministerin Josefine Paul wies die Vorwürfe unlängst zurück. Die Grüne erklärte, der Fachkräftemangel und die schwierige Haushaltslage bildeten komplexe Rahmenbedingungen. Schwarz-Grün investierte in diesem Jahr 5,7 Milliarden Euro in den Kita-Bereich – und damit 500 Millionen Euro mehr als 2024. Im Etatentwurf 2026 sind aktuell 370 Millionen Euro an zusätzlichen Mitteln geplant.