„Furchtbar traurig"Kölner Schreibwarenladen schließt nach fast 25 Jahren

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Das Schreibwarengeschäft an der Ecke Berrenrather Straße/Sülzgürtel.

Köln-Sülz – Wer in den vergangenen 24 Jahren in Sülz aufgewachsen und zur Schule gegangen ist, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Schulranzen auf dem Rücken getragen, den die Eltern im Schreibwarenladen an der Berrenrather Straße/Ecke Sülzgürtel gekauft haben. Auch die dazugehörige Schultüte wurde oft dort erworben. Generationen von Kölnerinnen und Kölnern sind mit dem Geschäft aufgewachsen. Doch damit ist bald Schluss.

Der Pachtvertrag endet am 31. Januar nach fast 25 Jahren. Für die Inhaber Silvia und Horst Seifert ist das Geschäft ein beträchtlicher Teil ihres Lebens. Im Jahr 1997 haben sie das ehemalige Buch- und Papiercenter übernommen. Der Vorbesitzer hatte den Schreibwarenladen bereits 31 Jahre lang an diesem Standort betrieben. Große Fußstapfen also. 2006 kam dann der Postbetrieb dazu, nachdem die Klettenberger Postfiliale schließen musste. Um das erhöhte Paketaufkommen bewältigen zu können, wurde 2011 dann in Eigenregie umgebaut und der Postschalter in den hinteren Bereich des Geschäfts verlegt.

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Das Schreibwarengeschäft von innen.

Einige Kunden seien regelrecht in „Schockstarre" verfallen, als sie das Schild mit der Aufschrift „Räumungsvekauf" im Schaufenster gelesen haben. „Das Viertel ist sehr familiär", erzählt Silvia. „Imperium" wird das Schreibwarengeschäft scherzhaft von einigen Stammkunden genannt berichtet sie lachend. „Die Leute haben immer zu schätzen gewusst, dass wir hier alles haben", sagt sie.

Kunden würden mitunter ihre gesamte Büroarbeit in dem Ladenlokal verrichten. Früher gab es außerdem von Spielwaren über Schlauchboote und Planschbecken bis hin zu Reclam-Heften und Schulbüchern nahezu alles. Auch die Spielwarenmesse in Nürnberg haben die beiden Inhaber regelmäßig besucht.

Sogar aus der Eifel wurden Schulranzen bestellt

Im Kern sei man damals aber Haus- und Hoflieferant für Schulbedarf gewesen. „Wir haben 30 bis 33 Schulen mit Bücher beliefert. Zum Teil sogar die komplette Schule", sagt die 61-Jährige. „Bis nach Kalk und Königsforst sind wir damals gefahren", ergänzt Horst Seifert. Sogar aus der Eifel seien Schulranzen bestellt worden. Auch Karnevalsbedarf haben die Seiferts verkauft. Um die hohe Nachfrage zu befriedigen, wurde damals extra ein separater Lagerraum angemietet. „Da sind wir dann immer hin und her gerannt", erzählen beide.

„Wir gehören ja teilweise zur Familie"

Es sind die kleinen inhabergeführten Geschäfte, die das „Jeföhl" im Veedel ausmachen und Identität stiften. Die Menschen können beim Alltagsgeschäft einen kurzen Plausch halten, sich austauschen. „Viele Kunden kommen ja auch deswegen. Die freuen sich dann auch, wenn die jemanden zum reden haben", sagt Silvia Seifert. Man habe Stammkunden auch schon in den Arm genommen und trösten müssen, wenn zum Beispiel der Hund oder der Partner gestorben ist.

„Wir gehören ja teilweise zur Familie. Da fährt man dann auch schonmal hin und schaut nach, ob es denen gut geht", sagt Horst Seifert. Man mache sich auch Sorgen, wenn der ein oder andere länger nicht gesehen wurde. Zu Weihnachten bringen viele Kunden dann sogar „Gebäck oder Geschenke vorbei". Ein Kunde habe mal wöchentlich eine Tüte mit Berlinern vorbei gebracht.

Sozialer Anlaufpunkt, ähnlich wie die Stammkneipe

Für viele, vor allem ältere Kunden sei das Schreibwarengeschäft auch ein sozialer Anlaufpunkt, ähnlich wie die Stammkneipe. Wenn die Nachbarin mit dem Rollator den Laden betritt, um die gesamte Rente eines Monats abzuholen, heißt es auch schonmal: „Hier ist mein Portemonnaie, nimm raus, was du brauchst", sagt Horst Seifert „Das Vertrauen uns gegenüber ist einfach groß." Das war zumindest so, als es die Postbank noch gab. Der Betrieb wurde am 3. November eingestellt.

Der Onlinehandel habe vieles verändert. Die Leute würden sich inzwischen alles liefern lassen. „Aber die schweren Sachen werden am liebsten bestellt", sagt Silvia Seifert lachend. Es sei schon witzig, wenn die Menschen zum Beispiel Möbel bestellen und dann mit dem Fahrrad kommen um fünf Kartons à 30 Kilo abzuholen. „Wir erleben hier die dollsten Sachen", sagt Horst Seifert. Auch aus dem Urlaub heraus werde gerne und viel bestellt. „Dann werden wir angerufen und gebeten, die Sachen doch aufzubewahren. Aber wir haben hier gar nicht so viel Platz. Nach sieben Tagen werden die Sachen dann zurück geschickt. Das ist gesetzlich so vorgeschrieben."

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Die Corona-Pandemie ist auch an dem Schreibwarenladen nicht spurlos vorbeigegangen. Zwar habe man nicht einen Tag schließen müssen, weil man durch den Postbetrieb als systemrelevant galt, allerdings mussten zwei Mitarbeiterinnen entlassen werden. Schließen müssen die in der Eifel wohnenden Betreiber aber einzig und allein wegen des auslaufenden Pachtvertrags.

Ein echtes Problem für viele ältere Kunden. Jeder Meter, der mehr zurückgelegt werden muss, tut weh. „Berichten Sie bitte auch, dass die Kunden furchtbar traurig sind", sagt eine Frau mit Tränen in den Augen beim Verlassen des Geschäfts. Wie es für die beiden Inhaber weitergeht ist noch unklar. „Wir werden uns wohl Arbeit suchen müssen", sagt Silvia Seifert.

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