Horror und Helden im AngebotSülzer sammelt und verkauft rund 30.000 Filmplakate

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Wolfgang Jahn 

Wolfgang Jahn 

Köln-Sülz – Angefangen hat es mit „Tarantula“. Die Riesenspinne im gleichnamigen Horrorfilm hinterließ mächtigen Eindruck bei dem kleinen Wolfgang, damals vielleicht zehn Jahre alt. „Ich habe mich hinter dem Sofa versteckt und tagelang gegruselt“, erzählt der Mann.

Wolfgang Jahn 

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Heute vertreibt Wolfgang Jahn selbst Horrorvisionen, auf Filmplakate gebannt, per Online-Handel aus seiner Sülzer Wohnung heraus. Auf vielen der Schätze, die überall in seinem Heim hängen oder in Schubladen liegen, sind viel absonderlichere Figuren zu sehen als eine Spinne von gigantischem Ausmaß.

„Gappa, Frankensteins fliegendes Monster“ sitzt in der Ecke eines schwarzen Plakats, grün, riesengroß und ein bisschen komisch. Es entstammt einer japanischen Produktion aus dem Jahre 1968, die unter der Regie von Haruyas Noguchi entstanden ist.

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Ein Untoter starrt von einem anderen großen Papier, das die Verfilmung von Stephen Kings „Friedhof der Kuscheltiere“ ankündigt. Plakate großer Klassiker hat er ebenfalls im Angebot, sie werben für „Bullit“ mit Steve McQueen und Jacqueline Bisset, „Apocalypse Now“ mit Marlon Brando und „Frühstück bei Tiffany“ mit Audrey Hepburn.

Hitchcock steht auf einem weiteren Plakat und gibt seinem Publikum mit dem Zeigefinger vor seinem Mund zu verstehen, dass es nach dem Film nicht verraten soll, wer der Mörder ist. Auch Fotos von Filmszenen, mit denen früher in Schaukästen für die Filme geworben wurde, hat er im Angebot, ebenso Stills, Pressefotos – vor allem aber Filmplakate.

Sie stammen aus Schubladen und Schränken aus aller Welt, Jahn erwirbt sie durch Kontakte zu Sammlern und anderen Händlern, bei Auktionen im In- und Ausland, auch mal aus einem Kinoarchiv.

Rund 30.000 Stück bietet er zum Verkauf, zum Preis von zehn bis 10.000 Euro. „Drei Faktoren bestimmen den Preis eines Filmplakats“, erzählt Jahn, „der Bekanntheitsgrad, das Motiv und die Seltenheit.“

Viele Sammler gehören zu seiner Kundschaft, manchmal sucht ein Kunde ein ganz bestimmtes Plakat zu einem Film, der ihn sehr beeindruckt hat. Kürzlich konnte er einen Mann mit dem Plakat von „Ein Zombie hing am Glockenseil“ glücklich machen.

Mutter lieh die Horrorfilme aus

Der Horrorfilm war Jahns erste Leidenschaft. Die Begeisterung für bewegte Bilder wuchs mit dem Jungen heran. Es dauerte nicht lange, bis der minderjährige Wolfgang Jahn seine Mutter mit Listen in die Videothek schickte, um für ihn Filme auszuleihen.

Das ging so lange gut, bis „Tanz der Teufel“ ganz oben auf dem Zettel stand. Seine Mutter kam mit leeren Händen wieder nach Hause und einer Riesenwut. „Der ist ja verboten“, schimpfte sie und weigerte sich weiterhin für ihren Sohn den Kurier zu spielen. Das Werk von Regisseur Sam Raimi aus dem Jahr 1981 stand bis 2016 wegen seiner drastischen Gewaltdarstellung in Deutschland auf dem Index und war beschlagnahmt.

So richtig verstehen kann Jahn die Aufregung bis heute nicht: „Das ist ein klassischer B-Horrorfilm. Er war stilbildend für das Genre“, schwärmt Jahn.

Er guckte sich trotzdem weiter durch die 50er bis 80er-Horrorstreifen. Danach entdeckte er Science-Fiction, Trash, Splatter, Thriller, das Arthauskino, die Dogma-Filme, wie von Kult-Regisseur Lars von Trier, ließ sich von Godard, Kubrick und David Lynch beeindrucken. Er studierte Medienwissenschaften und Kunstgeschichte, organisierte nebenbei Trashfilmpartys.

„Da liefen Filme wie »Ich – ein Groupie« mit Ingrid Steeger.“ Das Genre „Exploitation“, Filme, die das Publikum durch reißerische Darstellung von Sex und Gewalt fesseln, hat ihn sehr beschäftigt, vielleicht wegen seiner vielen absurden und abseitigen Spielarten.

Interessant, jedenfalls aus der Sammlersicht, findet Jahn auch Pornos aus den 60er-Jahren und Aufklärungsfilme aus der gleichen Zeit über Sex oder Drogen. Die dazu zugehörigen Mid-Century-Plakate sind stil- und kunstvoll, zugleich unfreiwillig komisch, eine Mischung über die Jahn immer wieder grinsen muss.

Eines dieser Filmplakate, hängt in seiner Wohnung. Es zeigt eine blonden Frau, die sich zur Überschrift „The Devil’s Weed“ (Des Teufels Kraut) lasziv in einer grünen Wolke räkelt. „Der Film sollte eigentlich vor Marihuana warnen. Das Plakat bewirkt eher das Gegenteil“, sagt Jahn und lacht. Bald muss die berauschte Dame umziehen. Denn Jahn sucht eine neue Wohnung, für sich, für sie und für 29 999 andere Filmplakate.

www.kinoart.net

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