Kölner geht erstes Mal wählen„Ich bin für ein Bundeswahlrecht ab 16 Jahren“

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Mattis Landefeld aus Lindenthal durfte das erste Mal abstimmen.

Köln – Entschlossenen Schrittes begibt sich Mattis Landefeld am Sonntag auf die nur wenige hundert Meter lange Strecke von seinem Elternhaus aus zum Wahllokal in der Gemeinschaftsgrundschule an der Freiligrathstraße in Lindenthal. „Entschlossenheit“, mit diesem Begriff ist der 19-Jährige in den letzten Tagen und Wochen oft konfrontiert gewesen. Je näher das Datum 26. September rückte, umso häufiger kamen die Appelle, zur Wahl zu gehen und sich zu entschließen, ein Kreuz zu machen. Zwei Kreuze, um genau zu sein, für jeden wahlberechtigten Deutschen, zu denen der junge Erstwähler an diesem Sonntag auch erstmals gehört.

Kontroverse Diskussionen in der Familie

„Nein, aufgeregt bin deswegen nicht“, sagt Mattis Landefeld, als er kurz nach 15 Uhr vor dem Eingang zur Wahlraum des Bereichs 30311 seines Bezirks eintrifft. Einige andere Menschen gehen gerade, andere kommen zeitgleich mit ihm an, darunter Familien und Senioren in Begleitung – nur wenige gehen wie der 19 Jahre alte Kölner allein zur Stimmabgabe. „Meine Brüder und meine Eltern sind schon wählen gewesen, aber ich brauche auch keine Hilfe dabei“, sagt Landefeld, der im Vorfeld der Wahl durchaus kontrovers mit seiner Familie, aber auch im Freundeskreis debattiert habe, welche Partei am besten zu wählen sei.

Neuer Inhalt

An der Wahlurne: Wir haben den Erstwähler zur Stimmabgabe begleitet.

Dass er wählen gehen würde, stand für den Erstwähler nie zur Debatte: „Ich bin froh, dass ich mitbestimmen kann“, sagt er. „Und finde auch, dass es eine Art gesellschaftliche Verpflichtung darstellt, von diesem demokratischen Recht Gebrauch zu machen.“ Im Sommer hat Landefeld sein Abitur am Schiller-Gymnasium gemacht, dort war er eine Zeit lang auch Schulsprecher, ist mit dem Einsatz für Interessengruppen also durchaus vertraut. „Ja“, sagt der 19-Jährige bestimmt, „ich würde mich auf jeden Fall als einen politischen Menschen bezeichnen.“

Junge Menschen mit klaren Vorstellungen

Das Interesse an Politik und den Mechanismen der Teilhabe in einer Demokratie sei bei ihm etwa im Alter von 14 Jahren langsam entstanden und sei auch von einem Auslandsaufenthalt in den USA geprägt worden, wo er mitbekommen habe, wie gespalten die Menschen in Bezug auf den damaligen Präsidenten Trump reagiert hätten. Ohnehin hält er es für nicht richtig, dass man erst mit der Volljährigkeit die Zusammensetzung des deutschen Bundestags mitbestimmen darf.

Neuer Inhalt

Nochmal die Unterlagen checken: Mattis Landefeld vor dem Wahllokal.

„Ich bin für ein Bundeswahlrecht ab 16 Jahren.“ In diesem Alter habe er selbst und auch „die Mehrzahl der jungen Leute meiner Generation klare Vorstellungen davon“, was sie wollten. Dabei mache die Gruppe der Erstwähler zwischen 18 und 21 Jahren in Deutschland 2021 weniger als fünf Prozent aller Wählerinnen und Wähler aus. Die Menschen ab 60 dagegen mehr als 40 Prozent – ein klarer Konflikt der Interessen.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Mit Entscheidungen leben“

„Die jungen Menschen müssen viel länger mit den Entscheidungen leben, die jetzt getroffen werden“, argumentiert Mattis Landefeld. „Missstände gibt es, ganz klar.“ In der Pandemie habe er selbst erlebt, wie viel etwa bei den Schulen im Argen liege. Aber dagegen helfe nur, sich einzubringen. Für Menschen, die aus Protest keine Stimme abgäben, oder diese aus der aus seiner Sicht „absolut nicht wählbaren AfD“ schenkten, habe er kein Verständnis. Darunter seien auch ehemalige Mitschüler, wie Landefeld sagt.

„Man kann über vieles diskutieren, aber konstruktiv und mit Respekt vor der Meinung anderer. Mir ist schon wichtig, dass es jetzt eine Art Neuanfang gibt und sich einige Dinge hier und in der Welt verändern. Ein intakter Planet und Modernisierungen etwa beim Internetausbau sind mir für meine Zukunft schon sehr wichtig.“ Aber auch Sicherheit und Freiheiten für die Bürger müssten auch künftig weiterhin garantiert sein. Also eine klare Sache bei der Wahlentscheidung? „Nicht ganz“, räumt der 19-Jährige ein. Bis einige Wochen vor dem Wahlsonntag habe er sich zwischen zwei Parteien entscheiden müssen.

„Pragmatisch“ aber durchaus „etwas taktisch“, sei er dann zu seinem Entschluss gekommen. „Ich glaube, eine Ampel wäre die beste Konstellation“, soviel verrät Landefeld, der Rest ist allerdings privat. Dann verabschiedet sich der 19-Jährige und geht in den Wahlraum in der GGS Freiligrathstraße, um seine Wahl zu treffen.

KStA abonnieren