Unter DenkmalschutzMillionen-Villa von totem Star-Architekten steht in Köln-Lindenthal zum Verkauf

Lesezeit 4 Minuten
Terrasse der Villa Schürmann mit viel Grün drumherum und großen Glasfronten.

Viel Grün: Die direkte Sichtbarkeit zum Garten verleiht der Villa Leichtigkeit.

Der 2022 verstorbene Architekt Joachim Schürmann hat Köln nachhaltig geprägt. Seine Villa errichtete er im Stil des „Neuen Bauens“.

Für den Lindenthaler Nobel-Ortsteil Deckstein war das, was Margot und Joachim Schürmann 1957 bauten, mehr als eine frische Brise. Es war ein architektonischer Aufbruch in eine neue Zeit, transparent, leicht und streng zugleich, umgeben von Villen, die sich mit Fensterläden und Satteldächern gerne verschlossen und konventionell gaben. Der eingeschossige Neubau mit Flachdach verblüffte die Nachbarschaft. Manche Anwohner argwöhnten sogar, hier entstehe eine Tankstelle.

Joachim Schürmann und seine Frau haben Architekturgeschichte geschrieben. 1949 kamen sie in das völlig zerstörte Köln, gründeten ein Architekturbüro und widmeten sich dem Wieder- und Neuaufbau der Stadt. Sakralbauten wie St. Stephan in Lindenthal und St. Pius X. in Flittard tragen ihre Handschrift, aber auch Wohn- und Geschäftsgebäude.

Modernes Haus mit offenen Fernsterfronten und großem Garten

Sowohl das Haus als auch der Garten stehen unter Denkmalschutz.

Ihr Lebens- und Arbeitsmittelpunkt wurde die L-förmige Villa an der Lindenthaler Enckestraße, die sich stilistisch an der klaren Formensprache des „Neuen Bauens“ der 1920-er Jahre orientierte. Hierarchien wurden aufgehoben, Wohn- und Arbeitsbereiche waren eng miteinander verzahnt. Mensch, Natur und Architektur bildeten dank bodentiefer und fast komplett umlaufender Fensterfronten eine Einheit.

Köln: Villa von verstorbenem Star-Architekten kostet 3,4 Millionen Euro

Margot Schürmann ist 1998 gestorben, Joachim Schürmann 96-jährig im vergangenen Jahr. Das avantgardistisch-luftige Heim, das sie für sich und ihre Kinder bauten, steht nun zum Verkauf.  Immobilienvermittler „Greif & Contzen“ bietet es für 3,4 Millionen Euro an, inklusive 1485 Quadratmeter großem Grundstück. Es sei durchaus eine außergewöhnliche Architektur, die es hier zu veräußern gelte, räumt Senior-Beraterin Anne Knichel von „Greif & Contzen“ ein. Nicht nur wegen der besonderen Geschichte und Gestaltung des Anwesens, sondern auch wegen des Denkmalschutzes, der sowohl für das Haus als auch für den Garten gelte.

Wer durch die großen, hellen Räume streift, fühlt sich inspiriert. Einerseits durch den ständigen Sichtkontakt zum Garten mit seinem alten Baumbestand, aber auch durch das Mobiliar der Schürmanns, das bislang größtenteils stehen geblieben ist und den auf das Wesentliche reduzierte Charakter des Gebäudes unterstreicht. Überfrachtet ist hier nichts, vielmehr funktional und zurückhaltend elegant. Rechts des Eingangs erstreckt sich der Wohntrakt, links geht es in die Büroräume. Um die Welten zu wechseln, stehen genug Türen und Laufwege zur Verfügung. Anne Knichel nennt die Raumaufteilung „revolutionär“.

Großer Wohnbereich mit Glasfronten und Blick ins Grüne.

Der große Wohnbereich mit einem Model von Groß St. Martin

Fotos und Modelle der Schürmann-Architekturen sind omnipräsent, im Archivkeller lagern zudem Zeichnungen, Akten und Entwürfe und damit ein gutes Stück Stadtgeschichte. Die Kirche Groß St. Martin in der Altstadt begegnet dem Besucher besonders häufig, direkt am Eingang sogar als gar nicht mal so kleine Holz-Miniatur. Der Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Basilika gehörte zwischen 1961 und 1985 zu den größten Leistungen der Schürmanns für Köln.

Ein gutes Stück Stadtgeschichte im Archivkeller

Auch die umgebende Bebauung ist zu einem guten Teil ihr Werk. An der Lintgasse entstand in den 1970er Jahren etwa ein Büro- und Wohnhaus, das als „Außenstelle“ des Architekturbüros genutzt wurde und mit seiner Mischung aus Sichtbeton, großen Glasflächen, weißen Gitterstrukturen und Schieferdach unverändert geblieben ist.

„Was mir von Anfang an immer gut gefallen hat, ist, dass er einerseits ganz modern in der Bauhaus-Tradition gearbeitet hat“, sagt der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings über Joachim Schürmann: „Aber er hatte auch die Sensibilität, sich auf die Gegebenheiten des konkreten Bauplatzes einzustellen.“

Schürmann gehöre ohne Frage zu den wichtigen Architekten der Nachkriegszeit. Wobei er „wahnsinnig gelitten“ habe unter der Rufschädigung, die nach der Überschwemmung des von ihm entworfenen Bonner Abgeordnetenhauses in den 1990er Jahren eingesetzt habe. Obwohl sein Büro mit dem Hochwasserschaden auf dem Rohbau nichts zu tun hatte, wurde das skandalumwitterte Objekt bundesweit nur als „Schürmannbau“ bekannt.

Raumaufteilung kann ohne großen Aufwand an neue Bedürfnisse angepasst werden

Ihre Lindenthaler Villa hat das Architekten-Paar so konzipiert, dass die Raumaufteilung ohne großen Aufwand an neue Bedürfnisse angepasst werden kann. Alle Wände sind nichttragend, das Gebäude ruht auf einem Stahlgerüst, das auch die zumeist doppelverglasten Fensterflächen älteren Baujahres einfasst. In diesen Industrieprofilen sieht Anne Knichel auch die besondere Aufgabe bei der Immobilie, nämlich die Belange des Denkmalschutzes und einer zeitgemäßen Wärmedämmung zu vereinen. Diese könnte sich also als Herausforderung im Paradies entpuppen.

KStA abonnieren