Protestaktion in Köln gegen ShellGerichtsverfahren gegen drei mutmaßliche Hafenblockierer eingestellt

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Zu sehen ist der Eingang zum Amts- und Landgericht in Köln.

Der Eingang zum Amts- und Landgericht in Köln. (Archivfoto)

Die drei Angeklagten sind mit dem Ausgang des Prozesses nicht zufrieden. Sie hatten auf einen Freispruch gehofft.

Vier Jahre nach einer Blockade-Aktion im Godorfer Hafen durch Klimaaktivisten ist das Gerichtsverfahren gegen drei der mutmaßlich daran beteiligten Personen gegen die Auflage einer Zahlung von jeweils 200 Euro an die Staatskasse eingestellt worden.

Über diesen Zeitraum und insgesamt zwei Prozesse hinweg ist diese Einigung zwischen Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Richterin Britta Adrian am Dienstagmittag in Saal zwei vor der Strafkammer des Amtsgerichts Köln erzielt worden.

Angeklagte kritisieren den Shell-Konzern

Mit der Begründung des „hohem öffentlichen Interesses“ an diesem Fall hatte die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Nötigung gegen die beiden Männer und eine Frau aus Hessen aufrechterhalten – auch nachdem in einem ersten Verfahren gegen die drei Angeklagten im Herbst 2023 die Verhandlung mangels Beweisen vom damaligen Richter ausgesetzt worden war. Den Vorwurf des „gefährlichen Eingriffs in den Schiffsverkehr“ sah die Staatsanwaltschaft nach weiteren Versuchen der Beweisaufnahme allerdings ebenfalls geboten und leitete das zweite Verfahren ein.

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Am 7. August 2020 blockierten etwa 50 Menschen die Zufahrten für LKW zur Rheinland-Raffinerie in Wesseling mit Ankett-Aktionen und sogenannten Tripods. Parallel dazu hielt etwa ein Dutzend Menschen in Kayaks die Einfahrt des Godorfer Hafens besetzt. Zusätzlich spannten sie ein etwa 80 Meter langes Seil quer über die Hafeneinfahrt, in welches eine Person mit einer Hängematte hineinkletterte.

Protestaktion habe Versorgung der Allgemeinheit gefährdet

Durch diese Aktionen seien mehrere Schiffe an der Ein- sowie an der Ausfahrt des Hafens gehindert worden, die mit ihrer Ladung sowohl den Betrieb des Shell-Werks in Wesseling als auch den der von dort aus belieferten Unternehmen eingeschränkt hätten, lautet die Argumentation. Das „öffentliche Interesse“ wurde somit abgeleitet durch eine potenzielle Gefährdung für die Versorgung der Allgemeinheit in Deutschland mit Kraftstoff und Heizöl, so die Argumentation seitens der Staatsanwaltschaft weiter.

Die Verteidigung widersprach dem mit Verweis auf die Tatsache, dass weder die Führer der betroffenen Schiffe an dem Tag, noch das Unternehmen Shell selbst Anzeige gegen die Klimaaktivisten und -aktivistinnen erhoben hätten und bezeichnete den „Eifer der Strafverfolgung durch den Staat“ in diesem Fall als „bedenklich hoch“ und alarmierend.

Auch die drei angeklagten Personen nutzten die ihnen zu Ablauf und Teilnahme an den Aktionen gestellten Fragen im Gerichtssaal statt für konkrete Antworten darauf zu Ausführungen über das aus ihrer Sicht „zerstörerische Wirken eines weltweit agierenden Konzerns wie Shell“ und das „den Planeten zerstörende globale Wirtschaftssystem“ sowie Ausbeutung von Menschen durch Kolonialismus im globalen Süden. Nicht zuletzt der Europäische Gerichtshof ermittle derzeit gegen Shell wegen der mutmaßlich massiven Zerstörung der Umwelt für den Abbau von Rohstoffen in Nigeria und anderorts auf der Welt, hieß es von den angeklagten Personen weiter.

Angeklagte erhalten keine Vorstrafen

Richterin Adrian rief die Parteien im Saal angesichts der mehrfach vehement vorgetragenen Begründungen der jeweiligen Seite unter teils lautstarken persönlichen Attacken immer wieder zu gegenseitigem Respekt auf und stellte am Ende fest, dass es ihrer Ansicht nach aufgrund nicht vorhandener Zeugen sowie keiner neuen Beweismittel in dem Fall kaum möglich sei, eine Verurteilung im Sinn der Anklageschrift zu erwirken.

Der Verstoß der Klimaaktivisten gegen die geltende Hausordnung im Godorfer Hafen von vor vier Jahren könne jedoch auch nicht ignoriert werden. Ohne Geständnisse und Beweise führte daraufhin ein sogenanntes „Rechtsgespräch“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Parteien zu der finalen Einigung und dem Abschluss des Verfahrens am Dienstag. Dabei erhalten die Angeklagten durch die Zahlung der festgelegten Geldsätze keine Vorstrafen nach dem Prozess.

Vorlage für diesen so gangbaren Weg bilde Richterin Adrian zufolge auch der Umgang mit den erst später auftretenden sogenannten Klebe-Aktionen etwa von Mitgliedern der Klimaschutz-Gruppe „Letzte Generation“ bei Blockaden im Straßenverkehr. Der friedliche Protest gegen die Zerstörung der Umwelt und die dadurch höchstrichterlich bestätigte Missachtung der Menschenrechte sei legitim, hieß es sinngemäß in der Begründung – wenn niemand zu Schaden käme und Gewalt nicht angewendet werde.

Die drei Angeklagten sagten nach der Verhandlung gegenüber dieser Zeitung, dass sie mit dem Urteil zwar nicht zufrieden seien. „Ein Freispruch wäre gerecht und wegweisend gewesen“, so einer der Männer. Aber ein „ökonomischer Kompromiss in dieser Sache“ sei einem sich „sonst womöglich noch ewig weiter hinziehenden Prozess“ eindeutig vorzuziehen. Rechtskräftig ist die Entscheidung vom Amtsgericht am Dienstag, sobald alle drei Personen die 200 Euro bezahlt haben.

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