WeltkriegsbombenSo wird in Köln nach Blindgängern gesucht

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Fragemente einer in Köln gesprengten Bombe, dahinter Marcus Kühlem vom Ordnungsamt.

Köln – Nur ein paar Zentimeter unter der Erde des Butzweilerhofs in Ossendorf lag die 125-Kilo-Bombe, die für einen Baggerfahrer potenziell sehr gefährlich geworden wäre. „Wenn der einfach hätte drauf los baggern dürfen, wäre er vermutlich bei den Bauarbeiten ums Leben gekommen“, sagt Marcus Kühlem, Bomben-Experte des Ordnungsamts.

Nur weil die Auflagen für Baugrundstücke inzwischen so hoch sind und vor neuen Bauarbeiten in Bomben-Verdachtsgebieten immer zuerst das Erdreich abgesucht werden muss, wurde der Blindgänger entdeckt, entschärft und entsorgt. Und es sollte nicht die letzte nicht detonierte Bombe geblieben sein, die am Butzweilerhof gefunden wurde.

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Im Bombenhagel der Alliierten sind im Zweiten Weltkrieg nicht nur tausende Kölnerinnen und Kölner gestorben, sondern es wurden auch große Teile der Stadt in Schutt und Asche gelegt. 65 Prozent des Stadtgebiets, schätzen Historiker, wurden zerstört, allein in der Altstadt 95 Prozent. „Einzig der Dom hat gerade mal ein paar Schrammen abbekommen, ansonsten war alles zerstört“, sagt Kühlem.

Wahrscheinlich zigtausende Bomben französischer und britischer Bauart von klein bis groß wurden aus den Flugzeugen abgeworfen, etwa jede fünfte davon aber detonierte gar nicht oder nicht vollständig. Diese sogenannten Blindgänger liegen seither als explosives Material im Kölner Boden und verursachen bei Bauherren, Anwohnern und der Stadtverwaltung auch noch 76 Jahre nach Kriegsende Arbeit und Kosten.

Suche mittels Luftbildern aus dem Zweiten Weltkrieg

Niemand weiß genau, wo noch welche Blindgänger liegen. Beim Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD) in Düsseldorf liegen Luftbildaufnahmen der Alliierten, die tausende Verdachtspunkte in der ganzen Stadt zeigen. Die Alliierten überflogen nach den Bombennächten das Stadtgebiet und fotografierten die zerstören Veedel und verglichen die Bilder mit den tatsächlichen Abwurfplänen.

Auf dieser Basis wurde dann geschätzt, wie viele Bomben detoniert sind und wie viele nicht. Jeder Bauherr und jede Bauherrin vom Einfamilienhaus bis zum Bürokomplex muss vor Baubeginn die Luftbildauswertung beantragen und das Gelände auf eigene Kosten auf sogenannte „Kampfmittel“ absuchen lassen. Die Entschärfung bezahlt dann das Land, die Evakuierung die Stadt.

Sicherung_Verdachtspunkt

Bei Shell in Godorf wurde Anfang Dezember um den Fundort einer Bombe eine Schutzwand durch mit Wasser gefüllte Container gebaut, bevor der Blindgänger entschärft wurde.

Die mit Abstand meisten Flächen in der Stadt sind solche, auf denen im Krieg Kampfhandlungen stattgefunden haben und wo Blindgänger vermutet werden können. Mit unterschiedlichen Methoden kann der KBD nach diesen Bomben suchen, unter anderem mit Erdbohrungen und Messsonden. „Wir suchen immer nach Metall. Es ist ein bisschen wie im Physik-Unterricht“, sagt Kühlem.

Manchmal entpuppen sich die Metallteile aber auch als alte Badewannen oder Teekannen. Bei Bauarbeiten für den heutigen Rheinboulevard in Deutz wurden bei Bombensondierungen sogar Skelette gefunden, Teile eines alten Friedhofs. Seit Erhebung durch die Luftbilder kamen etwa 4000 Blindgänger in Köln zum Vorschein. Wie viele noch in der Erde sind, ist ungewiss.

3,1 Stellen für 1833 Anträge

3,1 Planstellen hat seine Abteilung, der Fachbereich 322/40 des Ordnungsamts im Kalk-Karree. Hier sitzen Kühlem und seine Kollegen, bereiten Sondierungen, Entschärfunden und Evakuierungen vor und bearbeiteten im vergangenen Jahr den Rekordwert von 1833 Anträgen auf Luftbildauswertungen – ein Plus von etwa einem Drittel gegenüber dem Vorjahr und im Vergleich zu 2011 eine Verdreifachung. 262 Verdachtspunkte entstanden daraus, 28 Blindgänger wurden tatsächlich gefunden, so viele wie lange nicht. Die Hälfte davon aber wurde allein bei Bauarbeiten für das Neubaugebiet in Rondorf entdeckt. Für die zuletzt immer weiter gestiegenen Fallzahlen gibt es im Moment noch deutlich zu wenig Personal – wie bei so vielen Abteilungen im Ordnungsamt. „Im Moment geht es nur mit Überstunden“, sagt Kühlem.

Für die Bomben-Experten im Ordnungsamt hat fast jeder Fund seine Tücken. In Wohngebieten müssen besonders viele Menschen die Häuser verlassen, in der Nähe von Krankenhäusern und Pflegeheimen müssen Patiententransporte organisiert werden, in Industrieanlagen drohen zum Beispiel im Unglücksfall chemische Stoffe freigesetzt zu werden.

So wurde im Dezember im Werk von Shell in Godorf vor einer Entschärfung der Fundort durch ein gutes Dutzend mit Wasser gefüllter Container geschützt, falls es zu einer Detonation gekommen wäre – die aber ausblieb. Wer etwa in Lindenthal oder Klettenberg wohnt, war zuletzt häufiger von Evakuierungen betroffen – und befürchtet wohl, dass das in den nächsten Jahren nicht weniger werden wird. Durch die Digitalisierung sind die Luftbilder jedenfalls heute wesentlich genauer und können mehr Verdachtspunkte finden als noch direkt nach dem Krieg. Weniger Bombenfunde in Köln sind damit erstmal nicht zu erwarten.

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