Mitten im GrüngürtelKölns neuester Biergarten hat eröffnet – Positive erste Bilanz

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Der Pop Up Biergarten in Köln.

  • Kölns neuester Biergarten hat eröffnet.
  • Die provisorische Terrasse für 450 Menschen soll das nächtliche Geschehen entzerren.
  • Die Stimmung am Eröffnungswochenende war friedlich.

Köln – Die Schlange spricht für sich. Etwa 30 Menschen warten am Samstagabend gegen 19.30 Uhr vor Kölns neuestem Biergarten auf Einlass. Sie stehen mitten im Grüngürtel auf der abgesperrten Vogelsanger Straße, wo seit Freitag eine provisorische Terrasse für etwa 450 Menschen geöffnet ist. Mehrere Security-Mitarbeiter kontrollieren den Zugang, weisen auf die Regeln hin und verpflichten die Besucher zur Handdesinfektion.

Langes Warten ist nicht nötig, und mit der Maske über Mund und Nase geht es an grauen Metallgittern und rot-weißem Absperrband vorbei in den Innenbereich des Biergartens. An einer Seite stehen mehrere Foodtrucks und zwei Theken-Wagen für den Getränkeverkauf. Das System ist einfach: Wer etwas kaufen möchte, holt es sich selbst und setzt sich mit höchstens acht Personen an einen Tisch.

Kurzfristiger Plan

Zwischen den Tischen laufen mehrere Abräumer hin und her, die ausgetrunkene Flaschen mitnehmen. „So können wir sicherstellen, dass die Tische auch desinfiziert werden“, sagt Vincent Schmidt, der für den Betrieb des Biergartens verantwortlich ist. Er arbeitet für eine Kölner Event-Firma und erzählt, wie kurzfristig die Veranstalter und die IG Gastro den Plan zur Entzerrung des Kölner Nachtlebens entwickelt haben.  Gerade mal vier Tage Vorlauf hatten er und sein Team, um das umstrittene Provisorium im Grüngürtel zu planen und umzusetzen.

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Die 450 Plätze könnten zumindest hier für etwas Entspannung sorgen.

„Das war sportlich“, sagt Schmidt. Von den ersten Tagen zeigt er sich dennoch begeistert. „Die Stimmung ist sehr friedlich und wir haben hier auch spät in der Nacht keine unschönen Szenen erlebt.“ Diesen Eindruck bestätigt auch das Ordnungsamt: Am Freitag- und Samstagabend blieb die Lage entspannt, hieß es von der Stadt. Nur „geringfügige Verstöße“ gegen die Corona-Regeln seien festgestellt und  die Betreiber daraufhin aufgefordert worden, nur acht Personen an die Tische zu lassen.

Auch Stadtpolitik zu Gast

In Abstimmung mit mehreren Ämtern der Stadt sieht Schmidt nun keine Hindernisse für den Pop-up-Biergarten am kommenden Wochenende. Das rege Interesse scheint ihm Recht zu geben. So profitieren zumindest einige der schwer von der Corona-Krise betroffenen Gastronomen von dem neuen Angebot. Auch Teile der Kölner Stadtpolitik besuchten den Biergarten, um sich ein Bild zu machen. So informierten sich etwa Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes und andere Politiker bei den Veranstaltern und den Kräften des Ordnungsamtes vor Ort.

Doch ob sich der eigentlich angedachte Zweck des Biergartens erfüllt, ist nach dem ersten Wochenende zumindest zweifelhaft. Ein Rückblick: Nach tagelanger Diskussion entschied die Stadt am späten Donnerstagnachmittag, die Vogelsanger Straße zu sperren und dem Biergarten die nötigen Genehmigungen zu erteilen.

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Händeringend suchte die Stadt deshalb nach Wegen, das nächtliche Geschehen zu entzerren.

Zuvor hatten sich wochenlang unliebsame Szenen am Stadtgarten, auf der Schaafenstraße und der Zülpicher Straße wiederholt. Hunderte Menschen feierten dort vor den Kneipen und Kiosken, das Ordnungsamt und die Polizei räumten die betroffenen Abschnitte mehrfach. Am Brüsseler Platz, der seit Monaten mit einem nächtlichen Verweilverbot belegt ist, hatte sich die Situation in den letzten Wochen dagegen merklich entspannt.

Händeringend suchte die Stadt deshalb nach Wegen, das nächtliche Geschehen zu entzerren und für die Einhaltung der weiterhin geltenden Corona-Regeln zu sorgen. Aber kann das mit einem Biergarten funktionieren? Die Besucher am Samstagabend entsprechen zumindest nicht gerade denen, die sonst ihre Abende am Stadtgarten oder auf der Uni-Wiese verbringen. Wer sich mit einem Kölsch für 1,50 Euro zwanzig Meter neben dem Biergarten auf der Wiese hinsetzen kann, statt den doppelten Preis auf der Bierbank zu bezahlen,  wird das als Studierender oder Auszubildender mit kleinem Budget vermutlich auch tun. Auch Gastronomen der angrenzenden Stadtteile übten Kritik und fürchteten, dass ihnen würden die Gäste ausbleiben.

Positive Überraschung

"Ich bin positiv überrascht", sagt Daniel Rabe, Vorstandsmitglied der IG Gastro und Mitinitiator des Biergartens. "Die Stimmung war die ganze Zeit über friedlich und wir hatten keine Probleme." Bis in die Nacht seien die Plätze gut gefüllt gewesen, anschließend habe sich das Publikum von selbst aufgelöst. Das Ordnungsamt habe nur zwei kleinere Verstöße festgestellt und sich sonst zufrieden gezeigt.

Wie lange es den Pop-up-Biergarten geben wird, weiß Rabe allerdings noch nicht. Mit der Stadt sei vereinbart, dass die Gastronomen den Ort auch über die zweiwöchige Testphase hinaus nutzen könnten. "Die Frage ist aber, ob wir das wollen." Dazu müssten noch viele Gespräche mit der Stadt und den anliegenden Gastronomen geführt werden. "Wir wollen schließlich niemandem etwas wegnehmen", betont Rabe. Außerdem müsse sich der Biergarten auch rechnen. Die Kosten, etwa für die vielen Security-Mitarbeiter und die regelmäßige Reinigung, seien enorm. Eine abschließende Entscheidung gebe es daher noch nicht.

Angesichts gut gefüllter Terrassen in der Innenstadt könnten die 450 Plätze zumindest hier für etwas Entspannung sorgen, zumal auch die festen Biergärten in anderen Stadtteilen ebenfalls beliebt sind. An den neuralgischen Plätzen sorgt die Neueröffnung allerdings nicht für den gewünschten Effekt. Kurz vor Mitternacht ist es am Stadtgarten so voll wie schon vor einigen Wochen. Die überwiegend jungen Besucher belegen die niedrigen Mauern an der Straße vollständig, teilweise sitzen dort 20 Leute dicht gedrängt zusammen. Insgesamt sind es auch an diesem Abend wieder etwa 200 Menschen. Der Imbiss gegenüber achtet penibel auf die Einhaltung der Maskenpflicht, doch wenn die Gäste vorher dicht gedrängt auf dem Bürgersteig stehen, nützt das wenig.

Auch die Zülpicher Straße ist auf Höhe der Uni-Mensa eher Partymeile als Verkehrsweg. Aus mehreren Boxen kommt laute Musik, die Studierenden feiern das Ende des Sommersemesters. Einzig auf der Schaafenstraße ist die Lage ruhiger als in den Wochen zuvor. Dort halten Sicherheitsmitarbeiter die Straße weitgehend frei von Menschen.

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