Interview mit Milo MoiréNacktkünstlerin auf der Domplatte: „Ich habe Morddrohungen erhalten“

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Die Schweizer Performance-Künstlerin Milo Moiré protestiert anlässlich der Silvestervorfälle in Köln nackt vor dem Dom-Hauptportal.

Die Schweizer Performance-Künstlerin Milo Moiré protestiert anlässlich der Silvestervorfälle in Köln nackt vor dem Dom-Hauptportal.

Die Schweizer Künstlerin Milo Moiré lebt in Düsseldorf. Sie ist mit ihren Nackt-Performances international bekannt geworden. Am 8. Januar protestierte sie auf der Domplatte für die sexuelle Selbstbestimmung der Frauen.

Frau Moiré, vor knapp zwei Wochen haben Sie sich nackt auf die Domplatte gestellt mit einem Schild „Respektiert uns! Wir sind kein Freiwild, selbst wenn wir nackt sind“, um gegen sexuelle Gewalt gegen Frauen zu protestieren. Welche Reaktionen haben Sie auf Ihre Aktion bekommen?

Moiré: Mein Protest ist tatsächlich durch die internationale Presse gegangen. Ich habe daraufhin Hunderte E-Mails von Frauen und Männern bekommen, die sich dafür bedankt und geschrieben haben, meine Aktion sei ein wichtiges und treffendes Signal gewesen. Ich habe aber auch vereinzelt Mord- und Vergewaltigungsandrohungen erhalten Und da ich immer ein Freund davon bin, die Dinge beim Namen zu nennen, sage ich auch von wem: von Neonazis und von Männern aus dem arabischen Raum, sowohl welchen, die mir in gebrochenem Deutsch geschrieben haben als auch auf Englisch.

Haben Sie die Morddrohungen an die Polizei weitergeleitet?

Moiré: Bislang noch nicht. Ich überlege noch, aber scheue mich auch nicht davor. Ich habe mich schon ziemlich erschrocken darüber.

Sie ziehen sich öfters nackt aus bei Ihren Kunstaktionen. Haben Sie schon einmal Morddrohungen dafür bekommen?

Moiré: Nein. Aber es war jetzt auch meine erste dezidiert politische Aktion. Ansonsten sehe ich mich als Künstlerin, die Konzeptkunst im Alltag macht. Dafür habe ich auch schon sexistische Äußerungen bekommen, aber in der Form so stark noch nicht.

Woher kam Ihr Entschluss zu einer politischen Aktion?

Moiré: Ich war im Atelier und habe eine Radiosendung gehört über die Ereignisse. Ich dachte: Mir fehlt ein Aufschrei von den Frauen. Wir müssen jetzt dafür eintreten, dass Frauen weiterhin selbstbestimmt und in Freiheit leben können. Ich wollte ein symbolisches Zeichen setzen, dass Frauen sich nicht einschüchtern lassen. Und ich wollte, dass es eine politische Diskussion auslöst. Ich finde gut, dass jetzt über sexuelle Gewalt gegen Frauen gesprochen wird. Ich finde, wir müssen politischen Flüchtlingen Schutz bieten, aber genauso offen über das andere Frauenbild sprechen, das manche von ihnen mitbringen. Die Deutschen haben in meinen Augen eine Art Nazi-Komplex und trauen sich nicht genug, auch über ihre Ängste bezüglich Fremden zu sprechen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum Moiré vor der Aktion nervös war

Ihre Aktion wurde von einigen unserer Leser auch kritisiert. Sie sagten, dass es Ihnen nach dem Prinzip „Sex sells“ vor allem darum ginge, sich selbst als Künstlerin und ihren überdurchschnittlich schönen Körper zu verkaufen. Was entgegnen Sie solcher Kritik?

Moiré: Mir ging es um die Botschaft. Natürlich ist es so, dass die Medien einen schönen weiblichen Körper gerne aufgreifen, um darüber zu berichten. Sonst hätte ich sicherlich auch nicht die Aufmerksamkeit bekommen. Ansonsten halte ich solche Kritik für ein Ressentiment. Frauen müssen eben respektiert werden, egal was sie tragen oder auch nicht.

Ich wollte ein prägnantes Symbol schaffen für Freiheit. Ich weiß natürlich auch von meinen Performances, dass manche Leute mich oberflächlich wahrnehmen, also nur meinen Körper betrachten, mich angaffen. Aber das muss ich mit einkalkulieren. Es gab aber ja auch Applaus nach meiner 20-minütigen Aktion. Es ist nicht meine Aufgabe Kunst oder politische Statements zu machen die jedem gefallen, ich verkörpere Freiheit auf meine Weise.

War es für Sie eine Überwindung, sich nackt auszuziehen?

Moiré: Die Nacktheit an sich ist für mich unproblematisch, da habe ich keine Scham. Was mich nervös macht, ist das Ungewisse. Ich begebe mich ja in den öffentlichen Raum und weiß nicht, was dann passiert. Darum bin ich dann schon sehr aufgeregt gewesen.

Ihnen muss ja sehr kalt gewesen sein bei der Aktion.

Moiré: Eigentlich konnte ich das Kältegefühl sehr gut unterdrücken während der Aktion. Es war eher so eine allgemeine Kälte am ganzen Körper. Aber nach der Aktion haben meine Zähne mächtig geklappert. Das Bewusstsein, wie kalt mir war, kam für mich erst nach der Aktion.

Wie haben Sie sich denn dann aufgewärmt?

Moiré: Ich habe mich in ein Restaurant gesetzt, Tee getrunken und was gegessen. Es hat aber eine gute Stunde gedauert, bis mein Körper wieder auf Normaltemperatur war.

Das Gespräch führte Sarah Brasack

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