20 Jahre St. Theodor in Köln-VingstViel mehr als nur ein Gotteshaus

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St. Theodor in Köln-Höhenberg.

Köln-Höhenberg/Vingst – Diese Kirchenführung beginnt im Keller, und zwar in einem Raum voller Kinderkleidung: Mäntel, Pullis, Schuhe. Auf einem Tisch liegen sechs oder sieben prall gefüllte Plastiktüten: „Noch mehr Kinderkleidung – hat gerade jemand vorbeigebracht“, erzählt die Leiterin der Führung, Hiltrud Westermann. „Sachen für Erwachsene gibt es hier aber auch.“ Geht bei der Öffnung der Kleiderkammer normalerweise alles umsonst raus, wird für besonders gute Stück auch mal ein Euro verlangt.

Ein eigener Raum für Kinderspiele findet sich auch, dazu ein Trakt, in dem alles Notwendige für die wöchentliche Essensausgabe der Kölner Tafel abgestellt ist und eine Reparaturwerkstatt für Fahrräder.

Die Kölner Kirchengemeinde hat einen starken Fokus auf soziale Arbeit

Spätestens, sobald man in dem fast hallenartigen Bereich des Kellers von St. Theodor die vielen zusammengeklappten Holzbänke in den Regalen und die großen Kartons mit der Aufschrift „Hövi-Land“ sieht, in denen die Zelte des beliebten Sommercamps für Kids gelagert werden, wird klar, dass die ausgeprägte Hinwendung der katholische Gemeinde zur sozialen Arbeit im Veedel auf entsprechenden Grundlagen und Vorarbeiten beruht. Diese Tendenz bestimmte erkennbar schon die Planungen für den Neubau des Gotteshauses an der Burgstraße, das vor 20 Jahren eingeweiht wurde.

„Der Pfarrgemeinderat und Pfarrer Franz Meurer legten Wert darauf, dass hier der Gottesdienst und der Dienst am Menschen zusammengedacht werden. Das zu verdeutlichen war die Vorgabe für den Architekturwettbewerb“, erklärte Westermann, die dem sechsköpfigen, für Ausstellungen zuständigen Arbeitskreis der Gemeinde angehört. Im Kirchenraum selbst werden derzeit auf Schautafeln und anhand von Modellen unter anderem die verschiedenen Entwürfe von Architekten gezeigt, die sich damals beteiligt hatten. „Paul Böhm war der einzige, der das richtig verstanden hat, als er den hellen, fast 700 Quadratmeter großen Keller plante. In den anderen Entwürfen sind für solche Zwecke nur kleine Abstellräume vorgesehen.“

Jubiläumsjahr für St. Theodor in Köln

Anlässlich des Jubiläums finden nicht nur die Ausstellung „20 Jahre St. Theodor – eine Kirche für das neue Jahrtausend“ und einige sonntägliche Führungen statt, auch zwei Diskussionsveranstaltungen über Sakralarchitektur an der Jahrtausendwende.

Denn einige Gemeindemitglieder hatten seinerzeit angesichts der kühnen Planungen Böhms, der beispielsweise auch die große Ehrenfelder Moschee entworfen hat, durchaus mit dem Neubau gefremdelt. Notwendig wurde er, weil das Erdbeben von 1992 der im Jahre 1937 erbauten und bereits im Zweiten Weltkrieg stark mitgenommenen ursprünglichen Kirche St. Theodor „den Rest gegeben“ hatte, wie Hiltrud Westermann den Teilnehmern an der Führung erklärt. „Nur der Turm war übrig geblieben, weil er offensichtlich auf besseren Fundamenten steht.“

Gotteshaus brach mit Konventionen

Nach dem Abriss des restlichen Gebäudes wurde nach Böhms Plänen ein Gotteshaus errichtet, das radikal mit dem eher konventionellen rechteckigen Vorgängerbau brach. So entstand ein rundes Kirchengebäude aus Beton, das den alten Turm, der zuvor als Campanile frei gestanden hatte, konsequent integrierte.

Heute wächst er gleichsam als „Wurzel der Gemeinde“, so Westermann, direkt neben dem bedeutungsmäßig zentralen Altar in die Höhe, er beherbergt das Tabernakel und die Orgel. Böhm konzipierte eine Treppe, die sich spiralförmig vom Keller in den Kirchenraum und dann weiter an der Außenwand entlang bis aufs Dach windet. Dort kann die Gemeinde bei gutem Wetter ebenfalls Gottesdienste oder sonstige Feste feiern.

60 Prozent der Menschen im Viertel sind auf Sozialleistungen angewiesen

Vor allem hat man hier einen guten Überblick über den Stadtteil und seine besonderen Bedingungen: Etwa 60 Prozent der Bewohner sind auf öffentliche Transferleistungen angewiesen.

Bemerkenswert auch das Kreuz neben dem Altar, das aus zwei gebogenen alten Holzbalken besteht, die aber nicht, wie man denken könnte, aus den Überresten der abgebrochenen Kirche stammen. „Pfarrer Meurer hat sie bei einer Pilgerfahrt in Frankreich entdeckt, wo sie einst zum Dachstuhl einer Kirche gehörten“, erzählte Westermann.

Nicht vergessen ist die Zeit, als der Gemeinde St. Theodor und St. Elisabeth nach dem Erdbeben und während der Bauarbeiten an der Böhm-Kirche in diesem Teil von Höhenberg kein eigener Raum für ihre Messen zur Verfügung stand. Man fand Unterschlupf bei den evangelischen Nachbarn in der Erlöserkirche nebenan. „Bitte ohne Weihrauch“ sei die einzige Bedingung der Protestanten gewesen, so Westermann.

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Für die Ökumene insgesamt sei das aber eine fruchtbare Zeit gewesen, auch die Muslime feiern heute gern in St. Theodor. Mit den Evangelischen arbeitet man unter anderem seit 2015 intensiv bei der Betreuung von Geflüchteten zusammen. Vielleicht ist es ja auch kein Zufall, dass auch das ökumenische „Hövi-Land“ jüngst seinen 30. Geburtstag feiern konnte.

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