2004 verletzte eine Nagelbombe viele Menschen auf der Keupstraße. Dass das Mahnmal immer noch nicht steht, kritisiert ein Offener Brief.
Betroffene schreiben Brief an OBAttentat auf der Keupstraße: „Stagnation und Schweigen sind schwere Belastung“

Das Foto zeigt die Keupstraße nach dem Nagelbombenanschlag.
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Die Betroffenen des rechtsextrem motivierten Nagelbombenanschlags in der Keupstraße vom 9. Juni 2004 haben genug vom Warten auf ein Mahnmal zur Erinnerung an die Tat des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU).
In einem Offenen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos), Baudezernent Markus Greitemann und den zuständigen Bauinvestor Gentes fordern mehrere Initiativen knapp 21 Jahre nach der Tat mit mehr als 20 teils schwer verletzten Opfern mehr Tempo: „Die Stagnation und das Schweigen sind für die Betroffenen und die Stadtgesellschaft eine schwere Belastung.“

So soll das Mahnmal einmal aussehen.
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Der Stadtrat hatte die Planungen für das Mahnmal 2014 beauftragt, 2016 wählte eine Jury den Entwurf dafür aus. Im Brief heißt es: „Die Realisierung des Mahnmals an der Keupstraße darf nicht weiter auf die lange Bank geschoben werden, gerade vor dem Hintergrund der erstarkenden Rechten.“
Die Unterzeichner werfen der Stadt eine mangelhafte Informationspolitik vor. Und: „Das ist für uns KEIN ‚Projekt mit Verantwortung‘ und es ist NICHT ‚im Dialog und mit Respekt‘ entwickelt, wie es auf der Website der Gentes-Gruppe heißt.“

So stellt sich Gentes sein Bauprojekt vor, die kleine graue Fläche zeigt den Platz für das Mahnmal.
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Sie erinnerten Reker an ihre eigenen Worte, sie hatte in der Vergangenheit gesagt: „Das Denkmal zu den NSU-Anschlägen in der Keupstraße und der Probsteigasse ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit den Opfern rechten Terrors.“
Das Grundstück, auf dem das Mahnmal stehen soll, liegt an der Ecke Keupstraße/Schanzenstraße – es gehört aber nicht der Stadt. 2021 einigte Gentes sich mit der Verwaltung darauf, dass sie eine Fläche am südöstlichen Ende des Areals für das Mahnmal zur Verfügung stellt.
Aber erst muss Gentes seine 320 Wohnungen bauen. Zudem sollen Flächen für Handel und Büros entstehen. Aber seit Jahren passiert nichts, die Betroffenen sind sauer. Im Brief heißt es: „Dadurch wird der Zeitpunkt der Realisierung einzig und allein in die Hände der Investoren gelegt.“
Stadt weist Vorwürfe zurück
Eine Sprecherin der Stadt teilte mit: „Die Stadt hat volles Verständnis für die Frustration der Initiativen angesichts der langen Projektdauer. Der Wunsch nach einer sichtbaren Botschaft zum 21. Jahrestag am 9. Juni 2025 ist nachvollziehbar.“ Den Vorwurf der mangelhaften Informationspolitik wies sie zurück.
Die Sprecherin kündigte einen Baustart von Gentes für Ende 2025 an, das bestätigte auch Gentes-Geschäftsführer Michael Kraus. Mittlerweile liegt die Baugenehmigung vor.
Künstler unterzeichnet Offenen Brief ebenfalls
Kraus geht von rund drei Jahren Bauzeit aus, demnach könnten die Gebäude 2028 stehen. Danach könnte das Mahnmal errichtet werden – ein knappes Vierteljahrhundert nach dem Anschlag.
Allerdings spricht die Stadt laut eigener Aussage gerade mit Gentes über den Zeitplan. Demnach „müssen die Tiefbauarbeiten abgeschlossen sein, um diesen öffentlichen Platz bebauen zu können“. Es sei nicht absehbar, wie lange das dauert.
Filmbeiträge am Mahnmal
Zu den Unterzeichnern des Briefes gehört auch Künstler Ulf Aminde: Seine Pläne sehen eine Bodenplatte vor, sie soll dasselbe Maß haben wie die Betonplatte des Friseurgeschäfts, vor dem die Nagelbombe damals explodierte. Per App können Besucherinnen und Besucher ein virtuelles Gebäude errichten.
Die verwendeten Bausteine sind Filmbeiträge, die zur Auseinandersetzung mit Rassismus animieren. Die Stadt kündigte an, dass zumindest dieser virtuelle Teil zum 22. Jahrestag möglicherweise umgesetzt ist.
Im Offenen Brief fordern die Unterzeichner unter anderem von der Stadt, bis zur Fertigstellung des Gentes-Bauprojektes einen Interimsstandort auf der Keupstraße zu finanzieren. Das lehnt die Stadt wegen ihrer finanziellen Lage ab.
Klagen zurückgenommen
Gentes und Investor Nidya haben ihre Klagen gegen das jeweils andere Bauprojekt vor dem Verwaltungsgericht beendet. Das bestätigten Gentes, Nidya und das Verwaltungsgericht. Neben Gentes plant die Nidya GmbH schon seit Jahren nördlich der Gentes-Fläche einen Hotelkomplex.

Das geplante Sheraton-Hotel nahe der Keupstraße.
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Doch nachdem die Stadt Köln jeweils die Baugenehmigungen für die beiden Bauprojekte erteilt hatte, reichten sowohl Nidya als auch Gentes Klagen vor dem Verwaltungsgericht Köln ein, um ihre Rechtsposition zu wahren. Ein Sprecher des Verwaltungsgerichts teilte mit: „Die jeweiligen Bauvorhaben wurden wechselseitig akzeptiert.“ (mhe)