Großer Stromausfall in Köln-MülheimWie es sich anfühlt, wenn das ganze Veedel dunkel wird

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Köln-Mülheim: Ein Feuerwehrauto steht in einer unbeleuchteten Straße.

Köln-Mülheim: Ein Feuerwehrauto steht in einer unbeleuchteten Straße. Rund 25.000 Haushalte waren von dem Stromausfall am Donnerstagabend betroffen.

In 25.000 Kölner Haushalten fiel der Strom aus. Auch eine KStA-Volontärin und ein KStA-Redakteur waren betroffen – so erlebten sie den Blackout.

Im Kölner Stadtteil Mülheim ist es am Donnerstagabend zu einem massiven Stromausfall gekommen. In rund 25.000 Haushalten ging das Licht aus, ganze Straßenzüge waren ohne Strom. Auch KStA-Volontärin Rika Kulschewski und Redakteur Martin Böhmer waren von dem Blackout betroffen – hier schildern sie ihre Erfahrungen des Stromausfalls.


Stromausfall in Köln-Mülheim: Mit der Taschenlampe auf der Straße unterwegs

Ah, die Sicherung wieder. Ich kenne das schon, wenn das Licht plötzlich weg ist und der Computer sich mit einem ungesunden Geräusch in den Spontan-Feierabend verabschiedet. Das Haus ist alt und dass der Saft weg ist, passiert immer mal wieder. Aber diesmal war es anders.

Martin Böhmer

Martin Böhmer

Redakteur im Newsteam und verantwortet auch den „KStA Blog“. Jahrgang 1989. Er tauschte 2014 die Heimat Ruhrgebiet gegen das neue Zuhause Rheinland ein und kam nach gut zwei Jahren beim „Express“ zum ...

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Wenn bei mir plötzlich das Licht ausgeht, greift die Routine: Handy-Taschenlampe, Sicherung checken und aufpassen, dass man sich dabei nicht aus der Wohnung aussperrt. Als an diesem Donnerstagabend aber auch mit gutem Zureden nicht die Sicherung die Ursache für den Stromausfall war, habe ich die wohl simpelste Informationsquelle gesucht: den Blick aus dem Fenster.

Beim Blick auf die Straße wurde klar, dass dieser Stromausfall größer ist. Das ganze Viertel nördlich der Mülheimer Brücke war dunkel. Auf der Straße waren bereits einige Nachbarn mit einer Taschenlampe unterwegs, richtig hell wurde es nur, als ein Auto mit Fernlicht vorbeifuhr.

Stromausfall in Köln-Mülheim: Eine Straße ist dunkel, Licht gibt es nur von Autos und Taschenlampen.

Stromausfall in Köln-Mülheim: Anwohnerinnen und Anwohner sind mit Taschenlampen unterwegs, viel Licht bringen nur die Autoscheinwerfer.

Ich schrieb meiner besten Freundin und fragte, ob auch bei ihr der Strom weg sei. Informationsbeschaffung. Aber südlich der Mülheimer Brücke schien alles größtenteils normal zu sein. Dann den digitalen Störungsmelder checken, zahlreiche Blitze auf der Veedelskarte bestätigten den Es-ist-mehr-als-die-Sicherungs-Verdacht. Informationsbeschaffung. Dann Twitter, dann Redaktions-Chat, dann noch ein Blick auf die Straße. Informationsbeschaffung.

Ernsthafte Sorge hatte ich zu keiner Zeit. Man ist so daran gewöhnt, dass alles funktioniert. „Wird schon nicht so schlimm sein“ und „geht bestimmt gleich wieder“ sind die Gedanken, die in den Kopf schießen. Aber wenn die ganze Straße dunkel ist und sich nur einzelne Lichtkegel von Taschenlampen abzeichnen, dann hat es schon etwas Unheimliches. Vermutlich hat es auch nicht geholfen, dass ich gerade die neuste Folge der Zombie-Apokalypse-Serie „The Last of Us“ geguckt habe.

Statt Zombies waren Freunde da, aber statt Playstation-Zocken haben wir uns um eine Kerze an den Küchentisch gesetzt und über Fußball gequatscht, ganz analog. Natürlich haben wir auch über den Stromausfall geredet, wie lange es wohl noch dauert oder ob die Bahnen wohl noch fahren.

Doch die Neugier griff dann doch: Mit Taschenlampen haben sich die Freunde mit meinem Mitbewohner auf den Weg gemacht und sich im Viertel umgesehen. Weil ich früh aufstehen musste, blieb ich zu Hause, suchte nach Informationen und wartete auf den Strom. „Wird schon nicht so schlimm sein“ und „geht bestimmt gleich wieder“.

Als aber auch nach rund drei Stunden der Strom nicht zurückkam, habe ich das einzige gemacht, was mir angesichts des Frühdiensts eingefallen ist: Schlafen gehen. Mitten in der Nacht wurde ich plötzlich von der hell-erleuchtenden Wohnung geweckt, aber damit war ich zufrieden. Aha, „alles nicht so schlimm“ und „geht schon wieder“.


Stromausfall: Eine Fahrt ins Dunkle – wenn man in ein dunkles Viertel nach Hause kommt

21:20 Uhr: In den Balloni Hallen in Ehrenfeld lauschen gerade hunderte Menschen den Stimmen von Navid Karmani und Sonia Mikich. Dass in Mülheim zur selben Zeit Taschenlampen aus den letzten Schubladen gesucht und Kerzen angezündet werden, davon kriegt hier keiner etwas mit. Bei der Kultur-Veranstaltung, so sollte es auch sein, wird die Außenwelt ausgeblendet. Sie existiert erst wieder, wenn der letzte Applaus abklingt, das Licht wieder angeht und die Smartphones angeschaltet werden.

Rika Kulschewski

Rika Kulschewski

Volontärin des „Kölner Stadt-Anzeiger“. In Bielefeld aufgewachsen, hat sie erst Station im Ruhrgebiet fürs Journalistik-Studium an der TU Dortmund gemacht. Längere Zwischenstopps in Neuseeland, Finnla...

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22:38 Uhr: Ich renne zur Haltestelle Venloer Straße/Gürtel. Die 13 kriege ich noch auf den letzten Drücker „Zum Glück“, denke ich. Wann die nächste Bahn kommt, lässt sich in Köln momentan ja nie einschätzen. Als mein Atem sich wieder beruhigt hat, schaue ich das erste Mal seit eineinhalb Stunden gelangweilt auf mein Handy. Whatsapp-Nachrichten checken, um nicht zu antworten und Insta-Stories durchskippen – die typische Beschäftigung, wenn man auf 15 Minuten Fahrt nichts anderes zu tun hat.

Doch an einer Insta-Story von @ksta_koeln bleibe ich hängen: „Großflächiger Stromausfall in Köln-Mülheim“. Mit „Lol“ unterschrieben, teile ich die Story mit meinen Freundinnen und Freunden. Doch dann fährt meine 13 von der Slabystraße auf die Mülheimer-Brücke. Den Ausblick liebe ich, ich schaue normalerweise immer dann von meinem Handy auf und in Richtung Dom. Jetzt versuche ich erste Blicke auf Mülheim zu erhaschen. Ich sehe nicht viel, nur Blaulicht.

22:51 Uhr: Am Wiener Platz steige ich aus. Auf den ersten Blick wirkt alles normal. Die Lichter brennen. Ich mache mir kurz Hoffnung, dass ich genau zur richtigen Zeit angekommen bin. Doch auf den zweiten Blick leuchtet nichts. Die Rolltreppen sind aus, die Anzeigen zeigen nicht mal mehr an, dass sie nichts anzeigen können.

Dann trete ich auf den Wiener Platz. Vereinzelte Menschen sehen verwirrt aus, telefonieren teilweise. Ein Auto steht mitten auf dem sonst dauerbelebten Platz, das Warnlicht erhellt immer wieder kurz die Umgebung. Die Frankfurter Straße ist komplett blau eingefärbt. Polizei und Feuerwehr stehen auf meinem Weg nach Hause verteilt auf der Straße. Sie packen gerade ein. Kurze Zeit später fahren sie an mir vorbei, lassen den Wiener Platz, die Frankfurter Straße, mein geliebtes Mülheim im Dunklen zurück. Die Atmosphäre ist gleichzeitig friedlich – ich habe Mülheim noch nie so leise erlebt – und ein wenig beängstigend – mit Dunkelheit konnte ich noch nie umgehen.

23:03 Uhr: Als ich ins Haus, meine WG gehe, drücke ich aus Gewohnheit jeden Schalter, doch nichts passiert. Die Wohnung ist in dunkle Stille getränkt – meine Mitbewohner sind natürlich ausgerechnet heute alle ausgeflogen. Mein Handy leitet mir den Weg durch den Flur, in mein Zimmer, ins Bad. Was ich jetzt machen soll, weiß ich nicht. Normalerweise würde ich Musik hören, mir zum Feierabend eine Folge – oder auch mehrere – meiner Serie anschauen, doch das Netz scheint ausgelastet. Whatsapp-Nachrichten gehen noch raus, Sprachmemos nicht mehr.

Früh schlafen gehen, die Situation verdrängen, das leicht unangenehme Gefühl, das sich nicht erklären lässt – ich schlafe doch sonst auch im Dunklen – einfach wegschlafen, scheint mir die einzige Lösung für mein Problem, das eigentlich gar nicht so groß ist. Mein Schlaf ist unruhig, ich wach immer wieder auf, so bekomme ich aber auch irgendwann – gegen ein Uhr, wie ich später erfahre – mit, dass das Licht im Flur wieder an ist. Zu müde, um aufzustehen, lasse ich es an. Das Licht gönne ich mir während des Schlafs, könnte ja auch ein Träumchen sein. Als ich morgens aufwache, stecke ich als Erstes mein Handy ans Ladekabel. Strom!

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