Musical für KönigswinterKölner Kabarettisten spielen im ehemaligen Rimini am Rhein

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Robert Griess (v.l.), Nessi Tausendschön, Fatih Cevikkollu, Nedim Hazar, Tom Simon, Gilly Alfeo und Tony Dunham im prachtvollen Königswinterer Hof

Königswinter – Kultur als Beitrag zur Stadtentwicklung, ein Musical als Bürgerversammlung – mit einem höchst spannenden Projekt und viel Unterstützung aus Köln soll das viel besungene Königswinter aus dem kulturellen Dornröschenschlaf geweckt werden.

Nicht davor und nicht dahinter, sondern gleich mittendrin: Da befindet sich zwischen verlassenen Ladenlokalen und lange nicht mehr ausgebuchten Hotels ein prachtvoller Theatersaal im Königswinterer Hof. Gilly Alfeo, ehemals Mitstreiter der Kölner Röschen-Sitzung, jetzt beim Bonner Springmaus Theater, spielt am Akkordeon mit Musiker Matthias Höhn den Hit der 3 Colonias „Es war in Königswinter“. Aus dem Blödelschlager wird Jazz. In den 20er Jahren begeisterte hier ein festes Ensemble mit Musikkapelle und Tänzern. Jetzt soll 100 Jahre später an diese große Tradition angeknüpft werden.

Entwicklungshelfer aus Köln

Eine illustre Schar an Künstlerinnen und Künstlern will ein „Heimatmusical in vielen Sprachen“ mit „rasanten Musiknummern“ und „schnellen Dialogen“ auf die wunderschöne Bühne diese alten Kurort-Theaters bringen. Fatih Cevikkollu und Nessi Tausendschön („Das ist ein großes Glück nach der Corona-Zeit“) sind normalerweise als Solo-Kabarettisten unterwegs. Jetzt reihen sie sich ein in ein Ensemble. Der Kölner Kollege Robert Griess ist als Autor dabei. Tom Simon, urkomisches Ensemblemitglied der Stunksitzung, hat es nicht ganz so weit gehabt. Er wohnt um die Ecke. Aus Köln ist auch Regisseur Tony Dunham angereist. Und auch derjenige, der hier alle zusammenbringt, hat viel mit Köln zu tun: Der Musiker und Schauspieler Nedim Hazar, einst Impulsgeber für die Künstlerinitiative Arsch huh, ist zurück im Rheinland.

Zuletzt lebte er auf den Prinzen-Inseln vor Istanbul. Zusammen mit seiner Frau, die dort für die Heinrich-Böll-Stiftung gearbeitet hatte, habe er die Türkei verlassen müssen, da der politische Druck immer größer geworden sei. Jetzt sorgt er für Wirbel in Königswinter. Man gebe der Altstadt den „Arschtritt, den sie braucht“, sagt Hazars Mitstreiter im neuen Kulturverein, Lucas Brand. Der Verein heißt frei nach dem Kölner Karnevalsklassiker: „Nicht davor nicht dahinter – Kultur und Kunst Königswinter“. Man habe viel vor, so Hazar und Brand. Das Heimatmusical soll nur ein Anfang sein. Die Entwicklungshilfe aus Köln ist herzlich willkommen. Früher kamen sie in Massen – die Kölner, die Bonner, aber auch Holländer, für die der Drachenfels der höchste Berg der Niederlande gewesen sei. Die Schiffstour nach Königswinter war ein alljährlicher Ausflugsklassiker, genau wie die Fahrt mit der Drachenfelsbahn oder alternativ der Ritt auf einem Esel den Berg hinauf. Die glanzvollen Zeiten des „Rimini am Rhein“ sind lange vorbei, was man dem Städtchen ansehen kann.

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Im Heimatmusical von Gries und Hazar trifft ein Alteingesessener auf einen erfolgreichen zugezogenen Unternehmer. Der eine will bewahren, womit er sich arrangiert hat. Der andere will den Aufschwung. Hinzu kommt eine ehemalige Größe aus dem untergegangenen Nachtleben des Städtchens, in dem einst Kegelclubs genau wie das diplomatische Chor der Bundesrepublik die Sau rausließen. Soll es so bleiben wie es ist? Wird es noch einmal so, wie es war? Oder gibt es einen Mittelweg? Auf der Bühne soll – „quasi in Echtzeit“, so Hazar – der Kampf Tradition gegen Moderne, Reichtum gegen Mangelverwaltung, Innovation gegen Bürokratie ausgefochten werden. Am Ende darf das Publikum selbst über die Zukunft des Städtchens entscheiden. „Unser Stück kann jeden Abend anders ausgehen“, sagt Griess. Das Votum werde an die Politik weitergeleitet.

Bürgermeister Lutz Wagner scheint noch nicht ganz entschieden: „Königswinter wird sich verändern“, sagt er nach der ersten Leseprobe der Künstler im Königswinterer Hof. „Aber ob es wirklich ein Ziel ist, wieder zum Rimini am Rhein zu werden, wage ich zu bezweifeln.“

Wiederbelebung einer alten Liebe

Zunächst sind ab Ende August drei Aufführungen geplant. Weitere Termine sind möglich. Und eine Anfrage aus Köln für ein Gastspiel gebe es auch schon. Eine alte Liebe zwischen einer großen Stadt und einem nach wie vor herrlichen Ausflugsziel in der Nachbarschaft könnte neu entfacht werden. Weitere Infos zum Projekt und zum Kartenvorverkauf finden Sie hier.

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