Corona-Auswirkungen in KölnKinder in betreuten Wohngruppen fehlt Kontakt zu Familien

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Gebäude der CJG Kinder- & Jugendhilfe St. Josef in Köln-Dünnwald

Köln – Die meisten Familien verbringen in der Corona-Pandemie mehr Zeit miteinander denn je: Die Kinder im Homeschooling, die Eltern im Homeoffice und wegen der Kontaktbeschränkungen sitzen alle auch noch in der Freizeit aufeinander. Anders sieht es in Wohngruppen der Kinder- und Jugendhilfe aus. Dort ist der Kontakt zur Familie deutlich eingeschränkt.

„Im ersten Lockdown hatten die Kinder über mehrere Wochen gar keinen direkten Kontakt zu ihren Eltern. Alles lief über Briefe, Telefon oder Internet“, sagt Christiane Heinen, pädagogische Einrichtungsleiterin der Kinder- und Jugendhilfe St. Josef der Caritas-Jugendhilfe-Gesellschaft (CJG).

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Kinder und Jugendliche der CJG St. Josef in Köln-Dünnwald

Die Pandemie bedeute Heinen zufolge einen Balanceakt: „Die Zusammenarbeit mit den Eltern ist ein riesiges Thema. Unser Auftrag lautet oft, den Kontakt zur Familie zu intensivieren. Gleichzeitig müssen wir natürlich alle Bewohner und Mitarbeiter vor dem Virus schützen.“

Eltern mit Sucht- oder psychischen Problemen

Auf dem weitläufigen Gelände in Dünnwald leben 108 Kinder zwischen vier und 18 Jahren in unterschiedlichen Gruppenformen. Die Eltern haben häufig ein Suchtproblem oder sind psychisch krank. Seit dem Sommer dürfen die Eltern ihre Kinder auf dem Gelände nur draußen und mit Maske treffen. Besuche zu Hause sind nur unter strengen Auflagen erlaubt.

Meike Klösters

Meike Klösters leitet eine Wohngruppe der CJG St. Josef.

Meike Klösters leitet eine Wohngruppe, in der solche Besuche zum Alltag gehören: Acht Kinder im Alter von sieben bis 13 Jahren leben unter der Woche in der Einrichtung, die Wochenenden und die Hälfte der Ferien verbringen sie zu Hause bei ihren Familien. Anders als im vergangenen Frühjahr sei das auch im aktuellen Lockdown so: Die Eltern müssten schriftlich versichern, dass ihr Kind bei der Rückkehr „symptomfrei“ sei. Andernfalls müsse es zu Hause bleiben, bis eine mögliche Corona-Erkrankung abgeklärt ist.

„Es bleibt viel auf der Strecke“

Was aktuell allerdings komplett wegfällt, ist das sogenannte Elterntraining: Normalerweise kommen Mütter und Väter regelmäßig in die Gruppe, helfen bei den Hausaufgaben, backen gemeinsam oder begleiten ihr Kind zum Arzt. „Dieser Kontakt zur Familie ist auch für uns Erzieher enorm wichtig. Da bleibt viel auf der Strecke“, sagt Meike Klösters. Die Eltern dürften die Gruppe momentan nicht einmal betreten, um ihr Kind abzuholen oder zu bringen.

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Den fehlenden Kontakt zur Familie müssen die Betreuer auffangen. Auf die Frage, was an Corona am meisten nerve, antwortet ein elfjähriger Junge aus Meike Klösters' Gruppe: „Am schlimmsten finde ich, dass ich meine Freunde und meine Familie nicht sehen kann.“ „Am meisten vermisse ich meine Freunde“, sagt ein Achtjähriger.

Homeschooling mit acht Kindern

Während Corona die meisten Familien mit Schulkindern durch Homeschooling vor enorme Herausforderungen stellt, geht es Meike Klösters und ihren Kollegen nicht anders. „Allerdings braucht von acht Kindern die Hälfte eine Eins-zu-eins-Betreuung. Wir sind aber höchstens zu zweit im Dienst“, sagt die 33-Jährige. Die Kinder besuchen zudem verschiedene Klassen und Schulen, haben häufig erhöhten Förderbedarf. Die Jugendhilfe ist krisenerprobt, aber Corona verlangt unseren Mitarbeitern noch mehr ab als sonst“, sagt Christiane Heinen.

Das kann Monika Langnickel, Geschäftsführerin der Evangelischen Jugendhilfe Anna-Stiftung, unterschreiben: „Meine größte Sorge ist es, unsere Mitarbeiter bei der Stange zu halten.“ Zu den 24-Stunden-Schichten kämen Homeschooling, weniger Elternkontakt sowie das Risiko einer Ansteckung. In der Einrichtung in Vogelsang haben sich in der Vergangenheit schon mehrere Kinder und Mitarbeiter mit Covid-19 infiziert. Daher arbeiten die Pädagogen dort – anders als in Wohngruppen der meisten anderen Träger – grundsätzlich mit FFP2-Masken. Außerdem würden alle Kinder und Mitarbeiter einmal pro Woche getestet.

Mitarbeiter müssen in Pendelquarantäne

„Fast alle Gruppen waren bereits in Quarantäne. Sobald ein Kind positiv getestet wird, muss die ganze Gruppe in Quarantäne“, sagt Monika Langnickel. Das bedeute für die Pädagogen der jeweiligen Gruppe eine „Pendelquarantäne“: „Die Kinder müssen ja weiter betreut werden. Die Mitarbeitenden pendeln dann zwischen ihrer Wohnung und der Arbeit im eigenen Auto hin und her.“

In der Einrichtung durften Eltern ihre Kinder über Monate nur draußen treffen. Neuerdings sind Urlaube zu Hause unter Auflagen wieder möglich. „Das Risiko von Infektionen und erneuten Quarantänen steigt dadurch natürlich“, sagt Monika Langnickel. „Aber auch wenn digitale Kontaktmöglichkeiten von Kindern und Eltern gut angenommen werden. Sie ersetzen nicht den persönlichen Kontakt und helfen nicht gegen das Heimweh.“

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