Die Kölner Stadtverwaltung will an einem Modellprojekt gegen Sozialleistungsbetrug teilnehmen. Der Schaden, den die Betrüger anrichten, ist oft immens.
Spektakulärer ErfolgNeues Projekt deckt zahlreiche Fälle von Kindergeldbetrug in Köln auf
Nach mehr als zwei Jahren Anlauf wird es demnächst wohl klappen: Die Kölner Stadtverwaltung will an einem Modellprojekt gegen Sozialhilfebetrug teilnehmen. Schon durch erste Strukturen, die dafür geschaffen wurden, wurde nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein spektakulärer Erfolg erzielt: 178 Fälle, in denen Kindergeld zu Unrecht kassiert wurde, konnten entdeckt und bewiesen werden.
Im Kampf gegen den organisierten Sozialleistungsbetrug hat das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt das Modellprojekt „Missimo“ entwickelt. Damit soll insbesondere Kindergeld-Missbrauch von Zuwanderern aus südosteuropäischen EU-Ländern aufgedeckt werden. Im Mittelpunkt steht die behördenübergreifende Zusammenarbeit zwischen der Familienkasse, einer Task-Force im LKA, verschiedenen kommunalen Behörden wie dem Schul-, Einwohnermelde- und dem Gesundheitsamt sowie den Schulen, dem Jobcenter, der Unterhaltsvorschusskasse und der örtlichen Polizei.
Ulrich Breite (FDP): „Die aufgedeckten Fälle sprechen für sich“
„Seit 2022 drängen wir die Kölner Verwaltung beim Landesprojekt gegen Kindergeldmissbrauch mitzumachen, endlich hatte sie Erbarmen und die Teilnahme zahlt sich jetzt schon aus“, sagt Ulrich Breite, Fraktionsgeschäftsführer der FDP im Kölner Rat: Die „Die aufgedeckten Fälle von Kindergelderschleichung sprechen für sich und zeigen, wie wichtig die Teilnahme Kölns gegen das Ausplündern unseres Sozialstaates ist.“
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Im städtischen Schulausschuss hatte die Verwaltung mitgeteilt, in der Vergangenheit sei die Kooperation „an den nicht vorhandenen Ressourcen“ beim Landeskriminalsamt gescheitert. Im März dieses Jahres aber habe es einen neuen Anlauf mit dem LKA und der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit gegeben. Danach seien die konkreten Planungen in Köln angelaufen und „erste Schritte durchgeführt“ worden, teilte Stadtdirektorin Andrea Blome schriftlich mit. Derzeit würden „verwaltungsinterne Absprachen“ um die „erforderliche Zusammenarbeit im Kontext Missimo“ stattfinden, „unter anderem mit dem Amt für Schulentwicklung, dem Amt für Kinder, Jugend und Familie und dem Gesundheitsamt“.
Zentrale Anlaufstelle in der Kölner Stadtverwaltung
Zudem solle eine zentrale Anlaufstelle in der Kölner Stadtverwaltung geschaffen werden, „die Daten für Missimo vorhält, steuert und erforderliche Absprachen mit der Familienkasse und der Polizei Köln koordiniert“. Alle Kölner Beteiligten jedenfalls würden das Projekt „ausdrücklich begrüßen“ und die bereits geschaffenen Strukturen jetzt schon „intensiv“ nutzen. Bei „nahezu allen“ Verdachtsfällen, die von den Ämtern und Schulen jetzt schon gemeldet wurden, hätte laut Auskunft der Familienkasse „ein Leistungsmissbrauch auch bestätigt“ werden können.
Im vergangenen Jahr sind in NRW 1534 Fälle von Sozialleistungsbetrug entdeckt worden, heißt es in der Polizeilichen Kriminalstatistik. 1493 (97,33 Prozent) davon seien aufgeklärt worden. Ein Jahr zuvor sind 1832 Vergehen bekannt geworden und 2021 waren es 2057, jeweils mit ähnlich hohen Aufklärungsquoten. Oliver Huth beispielsweise, Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in NRW, geht von einer deutlichen höheren Dunkelziffer vor allem im Bereich von organisierter Kriminalität aus.
Erstmals wurde das Projekt in Krefeld getestet
Schon einzelne Betrüger haben in nordrhein-westfälischen Kommunen einen enormen Schaden verursacht. Im April 2022 verurteilte das Landgericht Köln rumänische Angeklagte, weil sie mit gefälschten Meldepapieren 733.000 Euro erbeutet hatten. In einem weiteren Fall wurden jahrelang 5200 Euro monatlich für eine angeblich zehnköpfige Familie gezahlt. Mit falschen und unterbliebenen Angaben seien so insgesamt 462.000 Euro Sozialhilfe und Krankenkassenbeiträge erbeutet worden. Im Mai dieses Jahres stand ein Paar aus einer Leverkusener Großfamilie in Köln vor Gericht, weil es sich von 2014 bis 2019 rund 170.000 Euro Sozialhilfe erschlichen hatte.
Erstmalig erprobte Krefeld das Projekt im Jahr 2019. Damals entdeckten die Behörden 83 Familien, die zu Unrecht Kindergeld erhielten. In Gelsenkirchen wiederum wurden ein Jahr später 105 Wohnungen kontrolliert. Das Ergebnis: 127 Kinder bezogen unberechtigt Geld von der Familienkasse. In Wuppertal wurde eine rumänische Bande ausgehoben, die für 96 Kinder Zuwendungen bezog, obwohl diese nicht in Deutschland lebten. Außer in diesen drei Städten wurde das Projekt mittlerweile noch in Leverkusen angeleiert, die Stadt ist seit Februar dieses Jahres dabei.
Und demnächst dann wohl auch die Kölner Stadtverwaltung. „Das wurde auch Zeit“, sagt der FDP-Politiker Breite: „Aber besser spät als nie!“