Neun Kilometer langIn Köln könnte eine neue Radroute über beide Rheinseiten entstehen

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Gelingt ihm der nächste Coup? Fahrradaktivist Reinhold Goss will eine Neun-Kilometer-Strecke durch die Stadt

  • Der Fahrradaktivist Reinhold Goss schlägt Ausbesserungen mit großem Effekt vor.
  • Das Grünen-Mitglied nervt mitunter auch seine Parteifreunde im Rat mit seinen Ideen.

Reinhold Goss hält sein Rad am Bürgeramt Kalk an. In diesem Viertel sieht er großes Potenzial für hochwertige Radwege. Hier beginnt die Route, für die er eine Vision entwickelt hat: Eine Art Fahrradschnellweg über neun Kilometer, von Kalk über die Südstadt bis zum Bahnhof West, wo seiner Ansicht nach kleine verkehrliche Maßnahmen ausreichen würden, um den Radverkehr massiv aufzuwerten.

„Köln will Fahrradstadt sein. Zurecht, Köln hat ja auch viel zu bieten“, sagt er und steigt wieder auf, radelt über die Burgenlandstraße auf den Wissener Weg und vorbei am Deutzer Friedhof. Es sind breite Waldwege, erholsam sei es, hier lang zu fahren, sagt Goss.

Als Radstrecke seien die Wege allerdings kaum erkennbar. Beschilderungen und eine rote Einfärbung der Straße am Übergang zum Wissener Weg würden hier entscheidend weiterhelfen, sagt er. Die Brücke auf dem Wissener Weg müsse zudem für Radfahrer geöffnet werden. Geschlossen ist sie womöglich wegen zu niedriger Geländer, vermutet Goss. Eine Öffnung jedenfalls könne für die Verwaltung keinen großen Aufwand bedeuten.

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Manche schieben, viele fahren illegal: Im Rechtsrheinischen sind einige Brücken nicht für den Radverkehr freigegeben. Reinhold Goss versteht das nicht.

Der Übergang zum Timur-Icelliler-Weg in Richtung Rhein funktioniere gut. Pflanzen wölben sich hier teilweise auf den Waldweg, das könne verbessert werden, meint Goss. Ebenso wie der Übergang zur Straße Am Schnellert. Hier fehle für Radfahrende, die sich nicht auskennen, jegliche Orientierung. Die Ampel sei kaum sichtbar, die Fortsetzung des Radweges ebenso wenig. Rote Markierungen, und klare Beschilderungen würden das Problem lösen, meint Goss, „dann müssen hier vielleicht fünf Parkplätze wegfallen“.

Kölner Aktivist Reinhold Goss nervt erfolgreich seine eigene Partei

Goss interessiert sich auch für die kleinen, unscheinbaren Ecken der Stadt und ist hartnäckig beim Versuch, sie ausbessern zu lassen. Das Grünen-Mitglied nervt mitunter auch seine Parteifreunde im Rat mit den Vorschlägen. Denn die Kapazitäten der Verwaltung sind knapp, in Krisenzeiten mehr als sonst. Die Straße Am Schnellert, so seine Forderung, „muss eine Fahrradstraße werden“, viele Autos sind hier nicht unterwegs, außerdem führt sie direkt zur Südbrücke.

Die Vernetzung zwischen Rechts- und Linksrheinischem will Goss mit seiner Vorstellung einer südlichen Route voranbringen. Nicht zuletzt wegen der vielen Schulen und Hochschulen. Im Zuge einer möglichen Umgestaltung müsse auch die Technische Hochschule (TH) in Kalk bessere Abstell-Optionen für Fahrräder bieten. Tatsächlich kann es dort Minuten dauern, um einen Platz für das eigene Rad zu finden – während die TH von Auto-Parkplätzen umzingelt ist.

Kölner Südbrücke für Radfahrer: „Jetzt steht man hier“

Angekommen an der Südbrücke steigt Goss wieder vom Rad. „Jetzt steht man hier“, sagt er und blickt auf die Treppen. Über eine kleine Schiene am Rand der Treppen sollen Fahrräder den Weg auf die Brücke finden. In Wirklichkeit ist den meisten diese Lösung zu umständlich, sie tragen ihr Rad, wenn sie können – oder weichen auf andere Wege aus. Goss hat probeweise mit einem niederländischen Hersteller verhandelt: Motorisierte Schienen, die das Fahrrad die Treppe entlang hochziehen, würden – Stand März 2021 – weniger als 100.000 Euro kosten. Eine Summe, die von der Verwaltung auch in Krisenzeiten ohne Probleme gestemmt werden könne.

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Radfahrern wird es auf der Südbrücke nicht leicht gemacht.

Als eine Passantin erfährt, dass wir uns auf der Südbrücke über die Radverbindung unterhalten, wirft sie ein: „Mit Kindersitz bekomme ich mein Fahrrad hier nicht hoch.“ Regelmäßig muss sie die Rheinseiten mit ihren beiden Kindern überqueren. Durch die Schließung der Drehbrücke musste sie zuletzt entweder auf die Severinsbrücke ausweichen oder zu Fuß gehen. Reinhold Goss stellt sich bei ihr als Fahrradbürgermeister vor. Sie reagiert skeptisch auf seine Idee, es brauche eine Fahrradrampe. Goss erklärt, dass eine bauliche Veränderung der Brücke derzeit undenkbar sein, erklärt, dass die Rampen beim Abstieg mit Besenelementen ergänzt werden würden, sodass die Räder nicht unkontrolliert neben der Treppe abrutschen. Nach einigen Minuten hat er die Frau überzeugt.

Neue Route realistisch? „Das hat nicht die Dimension von Ring frei“

Als ehrenamtlicher Fahrradbürgermeister hat sich Goss bei der Amsterdamer Nichtregierungsorganisation BYCS beworben, erfolgreich. Der Titel macht den Kontakt zu vielen Initiativen und Funktionären einfacher. Überzeugen muss er letztlich aber die Politik. Goss ist ein Aktivist der alten Schule, im Stadtrat bestens vernetzt. Er sucht nicht nach der größtmöglichen Aufmerksamkeit sondern nach Projekten, die umsetzbar sind. Mit seiner Initiative „Ring frei“ hat er bewirkt, dass auf den Kölner Ringen eine fast durchgehende Radspur errichtet wurde.

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Goss trägt sein Rad auf die Südtreppe und hofft, dass das bald nicht mehr nötig sein wird.

Dass ein Aktivist die Verkehrspolitik der Stadt an zentraler Stelle grundlegend beeinflusst, gilt als einmaliger Vorgang. Mit Blick auf die neue Fahrradroute ist er optimistisch: „Das hat nicht die Dimension von Ring frei“, sagt Goss. Mit der Initiative bewirkte er letztlich, dass auf den Ringen Tempo 30 gilt. Eine unwahrscheinliche Entwicklung in einer Stadt, die von der CDU mitregiert wird.

Goss trägt sein Fahrrad die Brücke herunter. Angekommen im Linksrheinischen merkt er an, dass die Rheinuferstraße aus seiner Sicht eine Radspur mehr bekommen müsste. Eine Maßnahme, die in der Umsetzung auf deutlich größere Widerstände treffen könnte.

Bonner Wall könnte zur Fahrradstraße werden und die Rheinseiten verbinden

Im Zuge der Diskussionen um die Parkstadt Süd steht im Stadtrat die Idee im Raum, den Bonner Wall zur Fahrradstraße zu machen. Goss spricht sich dafür aus, die Straße würde sich ideal in seine Route einfügen. Von dort aus ergibt sich ein direkter Übergang zum Vorgebirgswall. Hier bräuchte es nur leichte Ausbesserungen: Am Waldkindergarten im Vorgebirgspark ist der Radübergang so geregelt, dass man absteigen muss. Mit leichten Verschiebungen der Grundstücke wäre auch hier eine entspannte Weiterfahrt möglich.

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Über den Eifelwall fährt Goss weiter in Richtung Uni-Gelände, wo Baumaßnahmen anstehen, wie Goss weiß. Mit den Bauarbeiten in der Stadt kennt er sich besser aus als viele Politiker und Verwaltungsangestellte. „Man muss die Uni dazu bringen, die Anschlüsse der Radwege unbedingt mitzudenken“, mahnt er an. Den Zülpicher Wall, der vor allem als Autoparkplatz genutzt wird, stellt sich der Aktivist in Zukunft auch als Fahrradstraße vor. „Der ganze Stadtteil ist eine einzige Tiefgarage“, sagt er mit Blick auf die vielen unterirdischen Parkplätze im Uni-Viertel, die privat betrieben werden und daher oft leer stehen. Er fordert Verhandlungen mit den Betreibern, sodass die parkenden Autos künftig unterirdisch stehen und oberirdisch Platz machen für den Radverkehr.

„Die Maßnahmen würden eine große Aufwertung für den Radverkehr bedeuten“

Angekommen an der Bachemer Straße vermisst Goss einen Übergang in den Grüngürtel. Dort, wo Fußgängerinnen und Radfahrer sich oft im Weg stehen, schlägt er eine klare Sortierung vor: Der hügelige Trampelpfad entlang der Gleise, den Goss langsam abfährt, wird zur Radstrecke umgewandelt, alle anderen Wege bleiben Fußgängern vorbehalten. So würde parallel zur Brücke ein Radweg in Richtung Aachener Straße entstehen, der vielen Studierenden helfen könnte, die täglich zur Uni fahren. Außerdem gäbe es zwischen den Bahnhöfen Süd und West endlich eine schnelle Radstrecke.

„Die Stadt muss mehr in Routen denken, sich die Frage stellen, wie man von A nach B kommt. Es reicht nicht aus, Straßenzüge auszubessern“, sagt Goss. Der Fahrradbürgermeister hofft, dass seine Pläne, die er im „Kölner Stadt-Anzeiger“ erstmals präsentiert, im Rat breit diskutiert und letztlich umgesetzt werden. „Die Maßnahmen würden eine große Aufwertung für den Fuß- und Radverkehr bedeuten. Vieles ist schon vorhanden, wird aber nicht genutzt. An viele Stellen helfen auch Zwischenlösungen.“

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