Clouth-GeländeNeues Veedel auf 15 Fußballfeldern in Köln-Nippes

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Die historische Außenfassade entlang der Niehler Straße ist denkmalgeschützt.

Die historische Außenfassade entlang der Niehler Straße ist denkmalgeschützt.

Nippes – Im Süden grüßen die Domspitzen, im Westen erhebt sich der Turm von Sankt Bonifatius. Vom Clouth-Gelände geht der Blick momentan sehr weit. Der Umbau des einstigen Industrieareals zum Wohnquartier ist im vollen Gange.

Im Jahr 2009 begannen die Planungen, im April 2013 starteten die Abbrucharbeiten. Jetzt, nach genau 25 Monaten, ist das Gelände so weit aufgeräumt, dass die Baumaßnahmen richtig Fahrt aufnehmen. Die Fernwärmeleitungen sind verlegt, die Baustraßen planiert. Den Zeitpunkt nahm die städtische Projektentwicklungsgesellschaft „Moderne Stadt“ zum Anlass, zur Besichtigung einzuladen. Angetan mit Sicherheitsweste und Helm, stapften die Medienvertreter in Begleitung von Bernd Streitberger, Andreas Röhrig und Friedhelm Körner, dem Geschäftsführer-Trio, über die Brache. Den Weg kreuzende Betonmischer, Bagger und Kipplaster wirken wie Modellautos, so weiträumig ist das Terrain.

15 Fußballfelder

Zu Hügeln aufgeschüttet, liegen Geröll und Sand meterhoch. Daneben klaffen Krater, Gras hat sich darin angesiedelt, Mohnblumen leuchten. „Das Gelände ist 14,5 Hektar groß“, weiß Körner. Röhrig zückt sofort den Taschenrechner: „Das entspricht ungefähr 15 Fußballfeldern.“

Und Streitberger stellt zufrieden fest: „Die Lkw können auf den Baustraßen jetzt richtig komfortabel fahren.“ Die sind vorausschauend so angelegt, dass sie den künftigen Straßenplan vorwegnehmen und später nur noch befestigt werden müssen. Die fünf Namen hat die Nippeser Bezirksvertretung bereits vergeben: Seekabelstraße, Kautschukstraße, Am Walzwerk, Auf dem Stahlseil, Josefine-Clouth-Straße. Namensgeberin ist die Witwe des Firmengründers Franz Clouth.

Luftschiffplatz im Zentrum

Die Grünanlage im Zentrum wird Luftschiffplatz heißen – Clouth war luftfahrtbegeistert und ein Freund von Graf Zeppelin. Das neue Quartier ist bewusst als Mischgebiet konzipiert, ein Gewerbehof ist vorgesehen, dazu ein Atelierhaus für die Künstler des Vereins Cap Cologne, ferner ein Kinderkulturhaus mit angeschlossener Gastronomie. Auch eine Kindertagesstätte ist in Planung. Deren Kapazität wurde im Lauf der Zeit stetig erhöht, mittlerweile ist von sieben Gruppen die Rede. Für Senioren hingegen gibt es kein spezielles Angebot. Das Viertel wurde von Anfang an vornehmlich für junge Familien entworfen.

In architektonischer Hinsicht habe man keine Ambitionen verfolgt wie noch im Rheinauhafen, der ebenfalls von Moderne Stadt betreut wurde, sagte Streitberger. „Unsere Botschaft ist: Es soll ein normales Stadtviertel sein, wir wollen keinen Architektur-Zirkus veranstalten.“ Drei Werkshallen, das Verwaltungsgebäude sowie drei Pförtnereingänge sind denkmalgeschützt und werden saniert.

Die historische Halle 29 ist für Cap Cologne reserviert. Die Unterzeichnung für den Kaufvertrag soll noch im Juni erfolgen. „Wir sind in einem intensiven Dialog, ich hoffe sehr, dass es klappt“, so Streitberger. Die 23 Künstler müssen gemeinsam fünf Millionen Euro aufbringen.

Zwei Drittel der Grundstücke sind verkauft. Die Erschließung erfolgt von Süd nach Nord. Spätestens Anfang 2019 soll der letzte Baukran verschwunden sein. Die ersten Bewohner werden schon Ende diesen Jahres einziehen.

Mehrere Blocks am südlichen Ende des Johannes-Giesberts-Park sind derzeit im Rohbau, sie bieten 160 Wohnungen. Die Seekabelstraße ist in dem Bereich fertig asphaltiert, sie führt entlang der alten Einfamilienhäuser, die einst Clouth-Mitarbeitern vorbehalten waren. Die Adresse lautete seit 1915 Franz-Clouth-Straße, doch nach dem 1910 verstorbenen Industriepionier heißt jetzt nur noch der Pfad, der von der Florastraße abgehend in die Siedlung führt.

Im Laufe der Zeit wurde die Gesamtplanung mehrmals aktuellen Entwicklungen angepasst. Wegen der starken Nachfrage nahm man etwa ein Grundstück an der Xantener Straße aus der Mischnutzung wieder heraus und widmete es zum reinen Wohngebiet um. Deshalb kommen nun zwei Baugruppen, die ursprünglich auf der Warteliste standen, doch noch zum Zuge. Die Zahl der Baugruppen erhöht sich damit auf zehn.

1036 Wohnungen entstehen nach aktuellem Stand. Frei finanzierte, öffentlich geförderte, Eigentumswohnungen. Die Kaltmiete beträgt voraussichtlich zwischen 12,50 und 13,50 Euro. Beim Kaufpreis muss man mit 4000 bis 4500 Euro pro Quadratmeter rechnen. Die Altlastensanierung steht kurz vor dem Abschluss. Bislang sei sie problemlos vonstatten gegangen, berichtet Körner.

Im Boden fanden sich allerlei Schadstoffe, neben Arsen, Blei, Asbest etwa auch Toluol, ein Lösungsmittel, das in den Clouth-Werken bei der Gummiherstellung verwendet wurde. Ein Erbe der Vergangenheit waren auch die schweren Fundamente der Kautschuk-Wannen, die erst beim Aushub tief im Boden entdeckt wurden. Die Entfernung war technisch kompliziert und mit ein Grund, warum sich die Abbrucharbeiten länger als geplant hinzogen.

Fast ein Klacks war dagegen die Phosphorbombe, die sich ebenfalls in der Erde verbarg, sie blieb der einzige Bombenfund. Demnächst sollen auch öffentliche Führungen über die Baustelle angeboten werden, von Ana Maria Bermejo. Die Architektin ist auf Führungen in gerade entstehenden Neubaugebieten spezialisiert.

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