Den Zauber des Lichts eingefangen

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Kraftvoll leuchtende Farben – ein Bild von Nigel Henry

Kraftvoll leuchtende Farben – ein Bild von Nigel Henry

Zündorf –  17 Verwandte und Freunde des Künstlers Nigel Henri waren eigens von den Seychellen nach Köln gereist, um an der Eröffnung seiner Ausstellung im Museum Zündorfer Wehrturm teilzunehmen. Das brachte nicht nur eine große soziale Verbundenheit zum Ausdruck, sondern auch Henris Bedeutung als einer der wichtigsten Maler auf dem aus 115 kleinen Inseln bestehenden Archipel im Indischen Ozean vor der Ostküste Afrikas.

Äußerst lebendig ging es zu bei der Eröffnung, weil auch Musiker mitgekommen waren. Die intonierten mit ungezwungener Spielfreude nicht nur die rhythmischen Klänge ihrer traditionellen kreolischen Kultur, sondern auch eine ganze eigene Version von Jimi Hendrix’ Hey Joe.

Wie faszinierend die von britischer und französischer Kolonialisierung und atemberaubender Naturschönheit geprägten Seychellen sind, erläuterte die Kölner Künstlerin Dagmar Schmidt zur Vernissage. Von ihr stammt die Idee, Nigel Henri für eine gemeinsame Ausstellung nach Köln einzuladen, nachdem sie selbst in den vergangenen Jahren viele Male auf die Seychellen gereist ist und dort auch ihre Malerei präsentierte.

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Die Künstler Nigel Henri und Dagmar Schmidt sind seit fast zwanzig Jahren befreundet.

Die Künstler Nigel Henri und Dagmar Schmidt sind seit fast zwanzig Jahren befreundet.

Beide Künstler sind schon eine ganze Weile miteinander befreundet, seitdem sie sich Anfang des neuen Jahrtausends bei einer internationalen Kunstaktion in Berlin kennenlernten. Dass ihre Bilder auf ideale Weise miteinander harmonieren, bemerken die Besucher im Wehrturm sehr schnell. Und dass es in ihrem jeweiligen malerischen Zusammenspiel von Licht und Farbe sogar eine gemeinsame Erfahrung gibt, ist schließlich jedem klar, der über die sechs Stockwerke des Wehrturms alle Bilder zwei Mal betrachtet hat, einmal beim Hinauf- und dann wieder beim Hinuntergehen.

Nigel Henri (Jahrgang 1967) gefällt dieser ungewöhnliche Kunstort. Allerdings ist es nicht sein erster Aufenthalt in Europa. Sein Kunststudium absolvierte er im englischen Brighton, nachdem er bereits im kindlichen Alter mit seinem künstlerischen Talent in der Familie und in der Schule aufgefallen war. Seitdem hat er immer wieder in verschiedenen europäischen Ländern, aber auch in Kanada, China und Madagaskar seine Werke ausgestellt. Diese Internationalität spiegelt sich wider in seinem künstlerischen Ansatz, in der malerischer Realismus und Elemente der Abstraktion, sinnliche Farblust und grafisches Strukturverlangen, die experimentelle Kraft moderner Kunst und eine traditionelle bildnerische Erdung ganz selbstverständlich ineinander greifen.

Wer einmal die Kraft des Lichtes auf den Seychellen erlebt hat, weiß um die besondere Bedeutung der Farbkraft in der Bestimmung der Dinge. Schon van Gogh hatte vor über hundert Jahren auf dieses Phänomen hingewiesen, als das Licht im Süden Frankreichs seiner Malerei eine völlig neue Dimension gab.

Auch Dagmar Schmidts Farbgebrauch wurde durch ein derart intensives Licht-Erleben entscheidend geprägt. Mit äußerst behutsamen Pinselbewegungen scheint Schmidt (Jahrgang 1956) die schwebende Leichtigkeit des Lichtes einzufangen, wenn sie Fische, Blütenblätter, Bäume und die Häuser in den Straßen der Hauptstadt Victoria malt, nicht selten als eine fein ausgetüftetelte Collage aller Elemente in einem Bild. Zweifellos folgt sie dem expressiven poetischen Geist, den August Macke Anfang des 20. Jahrhunderts während seiner legendären Tunis-Reise vorgezeichnet hat.

Und ebenso schwingt die organische Abstraktion von Monets Seerosenbildern aus Schmidts bildnerischen Natur- und Kulturstudien. Wie sie setzt auch Henri mitten im Alltag der Seychellen an, wo üppige Vegetation und Menschenwerk sanfter zusammentreffen als an den meisten Orten Mitteleuropas. Mit dem gleichen Gespür wie er in unterschiedlichen Facetten die menschliche Seite der rund 90 000 Einwohner umfassenden Republik sichtbar macht, bringt er mit abstrahierten Fischen, Salamandern, Schildkröten und Vögeln die Tierwelt des kleinen, erst seit dem Jahr 1976 unabhängigen Inselstaates zum Ausdruck.

Seine Bilder haben stets eine erzählerische Dimension. Und die handelt vom einfachen Leben der heutigen Menschen genauso wie vom kolonialen Erbe, von den Geheimnissen unter der blauen Meeresoberfläche ebenso wie vom beständigen Zauber der Natur an Land. Wir sollten uns hüten, lediglich eine mitteleuropäische Sehnsucht nach sonniger Exotik in seine Bilder zu projizieren, obwohl viele Touristen aus Europa, die meisten aus Deutschland, genau das auf den Seychellen finden. Selbstbewusst führt Nigel Henri speziell mit seinen an Pop-Art orientierten Porträts schwarzhäutiger Gesichter, den sogenannten Sklavenbildern, die traurige, unheimliche Wahrheit einer durch europäische Gewalt in Gang gesetzten Geschichte vor Augen, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind.

Neben einer kleinen Minderheit von Chinesen und Menschen europäischer Abstammung sind es vor allem die aus verschiedenen französischen Kolonialgebieten eingewanderten Siedler und ihre afrikanischen Arbeitssklaven, die seit Mitte des 18. Jahrhunderts auf den Seychellen ihre Heimat gefunden haben. So zeigt die aktuelle Ausstellung im Museum Zündorfer Wehrturm einmal mehr, dass der Blick auf wunderschöne Kunstwerke unverhofft auch zu einer Geschichtsstunde werden kann.

Museum Zündorfer Wehrturm, Hauptstraße 181, geöffnet Mi, Sa 15-18 Uhr, So 14-18 Uhr, bis 14.7.

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