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Flugstunden auf Gut LeidenhausenHitzewelle aus dem Frühsommer setzte Kölner Jungvögeln zu

3 min
Die angehende Tiermedizinerin Jodie Paffrath füttert die Jungvögel: Auf dem Gut Leidenhausen kümmern sich Tierschützer um Kölns Vogelnachwuchs.

Die angehende Tiermedizinerin Jodie Paffrath füttert die Jungvögel: Auf dem Gut Leidenhausen kümmern sich Tierschützer um Kölns Vogelnachwuchs.

Gut Leidenhausen in Köln-Eil päppelt in diesem Jahr ungewöhnlich viele Nestlinge auf – der Klimawandel macht dem Vogelnachwuchs zu schaffen.

129 Anrufe an einem einzigen Tag. Das war die Höchstzahl der Hilferufe besorgter Menschen, die sich an die Auffangstation für kleine Wildtiere und Singvögel in Eil gewandt haben, als es im Frühsommer tagelang ungewöhnlich heiß war. „Die Hitzewelle zu einem so frühen Zeitpunkt, als die Vögel noch mitten im Brutgeschäft waren, hat serienweise Jungschwalben und Mauersegler dazu gebracht, sich vor Verzweiflung aus ihren Nestern zu stürzen“, berichtet Robert Schallehn, Leiter des Umweltbildungszentrums auf Gut Leidenhausen. „Direkt unter Dächern, wo die Tiere brüten, war es zu heiß zum Überleben. Und auch viele andere Vögel und Eichhörnchen sind wegen Hitze und Wassermangel aus ihren Nestern oder Kobeln gestürzt“.

Eine bisher nicht gekannte Zahl an verletzten, hilflosen Nestlingen kam auf Gut Leidenhausen an. Dort kann man Tiere nicht einfach abgeben, sondern muss sich zuvor telefonischen Rat holen (02203/ 1869359). Viele besorgte Anrufer mussten die Helferinnen und Helfer in der Wildtierstation aus Kapazitätsgründen allerdings auch abweisen. „Nicht jedes Amseljunge am Boden muss von Menschen gerettet werden, oft versorgen die Altvögel den Nachwuchs dort weiter“, berichtet Schallehn.

Robert Schallehn leitet des Umweltbildungszentrums Gut Leidenhausen, wo auch hilfsbedürftige Jungvögel aufgepäppelt werden.

Robert Schallehn leitet des Umweltbildungszentrums Gut Leidenhausen, wo auch hilfsbedürftige Jungvögel aufgepäppelt werden.

Mit den in der Station abgegebenen Tieren sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt jedenfalls vollauf beschäftigt. Dutzende Schwalben, Amseln, Sperlinge oder Drosseln sind in einzelnen Käfigen und Softboxen untergebracht und für jeden Vogel gibt es ein schriftlich fixiertes, spezielles Ernährungs- und Pflegeprogramm. Lebende und getrocknete Maden und Larven, Fruchtbällchen, diverse Eiweißpräparate – all das wird genau dosiert und für jeden einzelnen Findling akribisch dokumentiert. So schreibt es die Naturschutzbehörde vor.

Angehende Tierärztin auf Gut Leidenhausen hilft Jungvögeln im Multitasking

Die angehende Tierärztin Jodie Paffrath, die in der Station gerade ein Praktikum absolviert, nimmt winzige Jungvögel zum Füttern behutsam in die Hand oder platziert bei schon größeren Pfleglingen mit der Pinzette Nahrung in weit aufgerissene Schnäbel. Dabei hat sie oft gleichzeitig das Telefon zwischen Ohr und Schulter eingeklemmt und gibt einer nicht an abreißenden Schar von Anrufern Tipps, wie sie mit aus dem Nest gefallenen Vögeln umgehen können. Das Füttern und Säubern geht bei aller spürbaren Tierliebe wie am Fließband.

Die angehende Tierärztin Jodie Paffrath füttert die abgegebenen Jungvögel auf Gut Leidenhausen.

Die angehende Tierärztin Jodie Paffrath füttert die abgegebenen Jungvögel auf Gut Leidenhausen.

Herausfordernd an dieser Arbeit ist zudem die Tatsache, dass nicht jeder Vogel gerettet werden kann. Auch mit dem Tod von Jungvögeln, die sie zuvor tagelang umsorgt hat, muss die junge Medizinerin umgehen können. Doch hält die Arbeit auf der Station auch beglückende Erfolge bereit. Sobald sich die Tiere selbst um Nahrung kümmern und auch fliegen können, werden sie ausgewildert.  Möglichst dort, wo sie auch gefunden worden sind, und das steht ja für jeden einzelnen Vogel im vorschriftsmäßigen Versorgungsprotokoll. Es sei schön zu erleben, wie die geretteten Tiere sich dann in die Lüfte erheben.

Flugstunden im Zelt: Hier trainieren junge Schwalben das Fliegen, damit sie im Herbst mit ihren Artgenossen in den Süden ziehen können.

Flugstunden im Zelt: Hier trainieren junge Schwalben das Fliegen, damit sie im Herbst mit ihren Artgenossen in den Süden ziehen können.

Für die Schwalben gibt es derzeit ein besonderes Prozedere. Im geschützten Garten hinter der Station ist ein großes, helles Zelt aufgebaut und im Inneren mit Ästen und Leinen ausgestattet. Hier können die Jungvögel das Fliegen trainieren. Das müssen sie gut können, um mit ihren Artgenossen zum Ende des Sommers die lange Reise gen Süden anzutreten. Die im Flug trainierten Mehlschwalben werden dann rechtzeitig an einem Ort freigelassen, wo andere Schwalben leben, und schließen sich dem Schwarm an.

Kölner Gut Leidenhausen will Vögel selbst beringen – Ausbildung auf Helgoland

Aktuell laufen auf Gut Leidenhausen überdies Vorbereitungen, damit hier aufgezogene Vögel künftig beringt werden können. Auch das ist ein Verfahren mit hohen Genehmigungshürden. Die Vogelschutzwarte Helgoland hält ein Monopol auf die Beringung von Vögeln und die Ausbildung von Beringern. Sobald Interessierte aus dem Team in Eil diese Schulung absolviert haben, kann es losgehen. Dann kann die Schutzstation künftig auch erfahren, wie es ihren Schützlingen im späteren Leben ergangen ist.

Für die aufwändige Arbeit mit den Vögeln, Eichhörnchen, Igeln und Bilchen sucht die Wildtierstation Unterstützung. Informationen gibt es online und unter Wildtierstation@Gut-Leidenhausen.de.