Privat und diskretWie ein Kölner Redenschreiber für andere die richtigen Worte findet

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Heinz Jülich-Fein

Heinz Jülich-Fein

Köln – Zwei Stühle stehen sich im Garten gegenüber, zwischen ihnen ist ein Tisch mit heißem Kaffee, Schokolade und Notizblöcken aufgebaut. Heinz Jülich-Fein wird letztere bald füllen, mit der Beziehungsgeschichte von zwei anderen Personen. Der gebürtige Dürener ist Redner und Redenschreiber, er verfasst auch Reden, die andere vortragen. Diese Dienstleistung will Anna Berger in Anspruch nehmen, die ihn an diesem Nachmittag in seinem Haus in Nippes besucht.

Sie will eine Rede zum 50. Geburtstag ihres Ex-Mannes halten, mit dem sie gut befreundet ist: „Wer behauptet, Reden zu schreiben sei einfach, der hat es nie versucht“, sagt sie. Ihren echten Namen möchte sie nicht nennen, damit der Entstehungsprozess vor den Partygästen ein Geheimnis bleibt.

Heinz Jülich-Fein Rede

Jülich-Fein lernt früh, wie man ein Publikum mit Worten fesseln kann. Seine Mutter lässt ihn bereits mit drei Jahren auf die Dürener Bühnen – er erzählt Witze, sie unterstützt ihn. Als junger Mann kommt er nach Köln, arbeitet tagsüber in einem großen Unternehmen als Personaler und erobert nachts die Kabarett-Szene mit eigenen Programmen. Währenddessen bitten ihn Freunde immer häufiger, Reden bei ihren Hochzeiten zu halten – und so kam er zu seinem Nebenberuf.

Drei Stunden Gespräch für 15 Minuten Rede

Bald merkt er, dass nicht nur Redner gefragt sind, sondern auch Redenschreiber. „Ich gebe den Emotionen von anderen eine Form“, sagt Jülich-Fein, „wenn ich eine Rede schreibe, werde ich die Person, die ihre Geschichte mit mir geteilt hat.“ Dafür muss er in wenigen Stunden viel über seine Auftraggeber erfahren. Eine gute Menschenkenntnis sei dafür unabdingbar, sagt der 54-Jährige.

Jülich-Fein und seine Kundin Berger werden an diesem Nachmittag ganze drei Stunden über die Beziehung zu ihrem Ex-Mann sprechen. Er fragt dabei chronologisch die Kennlerngeschichte und persönliche Erlebnisse ab. Sie beginnt, vom Rosenmontag vor 19 Jahren zu erzählen, an dem sie ihren Ex-Mann kennenlernte. Da kommt Jülich-Fein eine Idee: „Du könntest auf der Feier einfach aufstehen, eine Zahl sagen und sie wirken lassen. Als Zeichen, dass deine Rede beginnt – die Zahl der Tage, die ihr euch kennt vielleicht?“ Berger erwidert, dass ihr Ex-Mann ein Zahlenmensch sei – „das passt doch gut“, sagt Jülich-Fein.

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Solche Details sind dem Redenschreiber wichtig. Er achtet sowohl auf Hinweise zu der Person, für die die Rede geschrieben wird, als auch auf die Ausdrucksweise des Kunden. Worte und Satzbau passt er dann beim Schreiben an den Sprachstil an. Die Dauer des Schreibprozesses variiert, die Preise für seine Arbeit möchte Jülich-Fein nicht offen legen. Etwas von der Person Jülich-Fein bleibt aber in seinen Reden doch bestehen: „Ich habe in meinem Leben viel Liebe erfahren und wenn ich Reden schreibe, halte oder andere bei Reden unterstütze, möchte ich etwas von dieser Liebe mitgeben.“ Inspiration schöpft er dabei aus seinen eigenen 18 Jahren Ehe. Für einen Ex-Partner habe er aber noch keine Rede geschrieben – das sei auch für ihn eine Premiere.

Kölner gründet trotz Corona eine Agentur

15 Minuten soll Bergers Rede dauern. Die notwendigen Informationen hat Jülich-Fein in einem Notizheft gesammelt, jeder Kunde bekommt ein eigenes. Sie alle hebt Jülich-Fein auf: „Manchmal ist mein Beruf als Redenschreiber wie eine emotionale Achterbahnfahrt, aber wenn ich an all diese tollen Menschen denke, fühle ich mich auf meinem Weg bestätigt.“ Dieser Weg führt ihn langfristig vielleicht sogar in Vollzeit in die Rednerbranche, denn als Jülich-Fein coronabedingt weniger arbeiten muss, gründet er Anfang Mai seine Agentur „Redefeinheit“. Zwar sei der Bedarf an Reden zurzeit geringer als vor der Pandemie, aber Kunden könnten ihre Reden in der neugewonnen Zeit auch ein paar Mal öfter üben. Wie Berger, deren Rede jetzt mit der Zahl 7128 beginnt.

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