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„Menschen an einen Tisch bekommen“In diesem Kölner Lokal kochen Omas Hausmannskost

4 min
Das Restaurant Omagerichte eröffnet in Bayenthal.

An fünf bis sechs Tagen die Woche zaubert hier eine andere Oma ein traditionelles Gericht: Oma Lida, Oma Sabine,Oma Monika, Oma Laura (v.l.).

In dem Restaurant in Köln-Bayenthal servieren ältere Damen deftige Hausmannskost. Es soll alles so sein wie damals in Omas Küche.

Reinhardt Becht und seine Frau Claudia Pabst sind durch die Umbauarbeiten neugierig geworden. Aus dem altehrwürdigen „Gasthaus zur Eule“ ist das „Gasthaus zur Oma“ geworden: „Wir waren gespannt auf ein neues Konzept“, sagt der 59-Jährige, der in der Nachbarschaft wohnt.

Das Konzept, das er jetzt endlich testen konnte, ist innovativ, wobei die Tradition eine große Rolle spielt im gründerzeitlichen Haus an der Alteburger Straße 299: Im „Gasthaus zur Oma“ kochen ab jetzt ältere Damen deftige Hausmannskost von früher, serviert an Tischen, an denen die Menschen miteinander reden, anstatt am Smartphone versunken die nächste Chatnachricht zu beantworten. Es soll alles so sein wie damals in Omas Küche, als sich die Familie beim Essen versammelte und über Gott und die Welt quasselte.

Atmosphäre von Omas Küche wieder aufleben lassen

Um 18.30 Uhr trifft Reinhardt Becht mit seiner Frau und ihrer gemeinsamen Freundin Grit Cöster ein. Die drei bleiben nicht unter sich, denn an ihrem Tisch nehmen auch Sabine Bellersen, Elisabeth Tietz, Gerdje Arlinghaus und Barbara Duell Platz. Beide Gruppen sind sich noch nie über den Weg gelaufen, doch man kommt schnell ins Gespräch über die Gastronomie in der Südstadt und die Weihnachtsshow von Tommy Engel. Es ist Premierentag im Gasthaus zur Oma, alle 47 Gäste haben sich vorab online für das goldbraun panierte Fischfilet mit buntem Kartoffelsalat angemeldet. Um 18.45 Uhr kommt das Essen auf Tabletts und in großen Porzellanschüsseln aus der Küche. Lida Weag, von der die Rezepte stammen, ist schon seit mehreren Stunden in der Küche aktiv.

Im Vorhinein reserviert man für ein festes Zeitfenster, Getränke holt man sich selbst aus dem Kühlschrank.

Im Vorhinein reserviert man für ein festes Zeitfenster, Getränke holt man sich selbst aus dem Kühlschrank.

Initiator des gastronomisch-nostalgischen Projekts und Miteigentümer der Gaststätte ist Axel Brinkmann, der schon einige Erfahrungen als Unternehmer im gastronomischen Bereich gesammelt hat. Als er vor einigen Jahren bei einem Freund Schnippelbohneneintopf serviert bekam, fiel ihm auf, dass es doch eine „coole Idee“ wäre, „Omagerichte“ anzubieten. Noch von seiner Großmutter kannte der 63-Jährige große Töpfe und lange Gespräche.

Menschen aus der „digitalen Sprachlosigkeit“ befreien

Sein Ziel ist es nun, wie damals „die Menschen wieder an einen Tisch zu bekommen“ und aus der „digitalen Sprachlosigkeit“ zu befreien. Deshalb muss jeder Gast damit rechnen, zusammen mit Fremden an einem Tisch zu sitzen. Handys dürfen zwar mitgebracht werden, aber die direkte Kommunikation zwischen Fremden ist ausdrücklich erwünscht.

In den auf moderne Art gemütlich gestalteten Räumen kommt an jedem Abend nur ein Gericht aus der Küche. Aktuell gehören vier „Omas“ zum Team, die mit Unterstützung von Profikoch Criss Casper Gross abwechselnd traditionelle Rezepte umsetzen. Da die Gäste ausschließlich vorab über die Website ihren Besuch buchen, wird nur so viel Essen zubereitet, wie benötigt wird. Um das kulinarische Angebot auszubauen, soll das Team wachsen.

Alte Traditionen als Herzensangelegenheit

Mit 58 Jahren ist Sabine Kolb die jüngste im Küchenquartett. Das Gulasch, das sie mit Spiralnudeln und Wachsbrechbohnensalat zubereitet, habe schon ihre Mutter gekocht, sagt die Kölnerin: „Ich bin damit groß geworden.“ Ihre Ausbildung habe sie in Hamburg absolviert: „Wenn ich Heimweh hatte, gab es Gulasch.“ Über eine Freundin sei sie an ihren neuen Job als kochende „Oma“ gekommen, die sie in Wirklichkeit nicht ist. Ein Testessen für 60 Personen verlief erfolgreich: „Wir sind wirklich in der kurzen Zeit ein Team geworden.“ Man hilft sich gegenseitig.

Lida Weag stammt aus der Tschechischen Republik, wo jede Familie ihr eigenes Rezept für Kartoffelsalat habe. Auch sie sei mit Kochen, Kindern und Essen aufgewachsen. Dem Konzept räumt die 63-Jährige gute Chancen auf Erfolg ein: „Wir leben in einer so fürchterlichen Zeit. Alte Traditionen aufleben zu lassen, ist für mich ganz wichtig.“ Für sie handele es sich um eine Herzensangelegenheit.

Konzept kommt gut bei den Gästen an

Das gilt auch für Monika Schorr, die sich tatsächlich Oma nennen darf. Schon als ihre heute 22 Jahre alte Enkelin ein Kleinkind war, habe sie für sie Königsberger Klopse zubereitet. „Die Kapernsoße ist das A und 0“, sagt die 81-jährige, die in der „Gasthaus zur Oma“ ihre Klopse nun mit Rote-Beete-Salat und Reis anbietet. Hier komme sie auch auf andere Gedanken, sagt sie. Denn ihr Mann sei mittlerweile verstorben. Auch für ihn habe sie immer gekocht.

Lida Weag arbeitet an diesem Abend nicht nur, sondern sucht – natürlich – auch das Gespräch mit den Gästen. Die sind voll des Lobes für die gereichten Speisen. „Mehr als stimmig, wirklich köstlich“, sagt Barbara Duell. Auch die Runde am Tisch habe ihr gut gefallen: „Wir haben uns sofort vorgestellt und geduzt.“ Reinhardt Becht und seine Begleiterinnen sind nicht weniger begeistert: „Wir alle vermissen Oma-Gerichte, weil unsere Omas nicht mehr auf der Welt sind.“ Für ihn stehe fest: „Wir kommen zu den Königsberger Klopsen wieder.“

Über www.omagerichte.de können ein bis sechs Plätze reserviert werden. Die Einlasszeiten sind 18.30 bis 19 Uhr oder 19 Uhr bis 19.30 Uhr. Der Abend endet um 21.30 Uhr. Das Essen kostet etwa zwischen 22 und 26 Euro, für alkoholische beziehungsweise nicht-alkoholische Getränke gibt es unterschiedliche Pauschalpreise. Das Essen wird am Tisch serviert, die Getränke müssen sich die Gäste selbst aus dem Kühlschrank holen. Für die Küche werden noch weitere „Omas“ gesucht.