Schnell gekauft und krankCorona-Leichtsinn endet für Hunde oft in Tierheim-Quarantäne

Lesezeit 4 Minuten
Welpen Tierhandel IMAGO

Welpen im Koferraum eines Autos (Symbolbild)

Köln – In der vergangenen Woche mochte Ralf Unna kaum seinen Augen trauen, als er die Computertomografie eines seiner vierbeinigen Patienten betrachtete: Die Wirbelsäule war total deformiert. Hätte es sich nicht um einen Hund, sondern um ein Fahrzeug gehandelt, hätte der Tierarzt zu Recht den Begriff „Schrott“ verwenden können. Der Kölner ist fassungslos.

Auch deswegen, weil sein Patient erst ein Jahr alt ist, und die Besitzerin „zweieinhalbtausend Euro dafür bezahlt“ hat. Leider stammt das Tier nicht von einem eingetragenen Züchter, den man hätte haftbar machen können, sondern aus einer Quelle im Internet, wo Regressforderungen schwierig sind.

Dass nicht nur Menschen, sondern auch deren beste Freunde zu Leidtragenden der Corona-Pandemie geworden sind, ist keine Neuigkeit. Allerdings lässt sich dieses Leid nicht nur an vollen Tierheimen festmachen.

Der Veterinär und Tierschützer Unna wünscht sich von der neuen Bundesregierung auch, „dass das Thema Qualzüchtung offensiver angegangen wird“. Inzwischen wisse man, erklärt der Experte, dass dasselbe Gen, das bei Mops oder Bulldoggen-Arten für die vielfach gewünschte Kurznasigkeit sorgt, auch für Wirbelsäulen-Missbildungen zuständig ist. Mit anderen Worten: Das entsprechend gezüchtete Tier bekommt im Zweifelsfall nicht nur massive Atem-, sondern auch Rückenprobleme.

Todkranke und ungeimpfte Hunde  

Die Gründe dafür, dass derzeit sieben junge Hunde im Tierheim Zollstock um ihr Leben kämpfen, liegen wiederum woanders. Hierbei handelt es sich nach Aussage von Elke Sans um Tollwut-Quarantäne-Fälle. Beim Stichwort „Quarantäne“ denkt man inzwischen automatisch an Corona, doch in den Tierheimen ist die Tollwut-Quarantäne zum Schreckgespenst geworden. Weil seriöse Züchter die seit Pandemie-Beginn gestiegene Nachfrage nach vierbeinigen Familienmitgliedern kaum noch decken können, versuchen immer mehr Menschen über Kleinanzeigen im Internet oder aus anderen, schwer zu durchschauenden Quellen an einen Welpen zu kommen.

Anders als vor Monaten, als die Tierheime noch mehr mit „Rückläufern“ beschäftigt waren, also den Hunden, die sich oft schon nach wenigen Wochen als nicht so pflegeleicht entpuppten, wie man es angesichts des niedlichen Fellknäuels geglaubt hatte, sind es nun in erster Linie ungeimpfte und oft todkranke Hunde, die über die Grenzen nach Deutschland geschafft werden.

Extrem betreuungsintensiv

Hundebetreuung bedeutet Aufwand, Impfungen kosten Geld. Und beides steht der Profitgier unseriöser Tieranbieter entgegen. Also versucht man, den vierbeinigen Nachwuchs so früh wie möglich loszuwerden. Fallen solche Transporte auf, müssen die Welpen nach Angaben von Elke Sans, der stellvertretenden Leiterin des Tierheims in Zollstock, bis zu drei Monate in Tollwut-Quarantäne, wo dann nicht selten noch ein Zwingerhusten oder die mit heftigen Durchfällen einhergehende Infektionskrankheit Parvovirose festgestellt wird. Hunde in Quarantäne sind extrem betreuungsintensiv. Und wenn dann – wie derzeit sowohl im Tierheim Dellbrück als auch in Zollstock – mehrere Mitarbeiter wegen Krankheit ausfallen, wird es sehr schwierig.

Neuer Inhalt (2)

Der Tierarzt Ralf Unna sitzt für die Grünen im Stadtrat.

Das hat in den zurückliegenden Monaten allerdings auch mancher Neu-Hundebesitzer erkannt, der seinen – über nebelige Kanäle – erworbenen erwachsenen Hund daheim nicht in den Griff bekam. „Es sind vor allem große, dominante Rüden, für die bei uns ein Platz gesucht wird“, berichtet Giuseppe Nieddo vom Verein „Menschen für Tiere“ in Köln-Ostheim, wo alle Zwinger belegt sind und nun eine Warteliste besteht. 

Zahl der Hunde steigt

Obwohl man sich in Kölner Grünanlagen seit Monaten kaum des Eindrucks erwehren kann, dass tapsige, kleine Hunde schier wie Krokusse aus dem Boden schießen, vermeldet die Stadt Köln keine auffallende Zunahme an vierbeinigen Mitbewohnern, sondern nach Angaben von Sprecher Robert Baumanns einen „kontinuierlichen Anstieg der Zahlen gemeldeter Hunde – einhergehend mit einer stetig wachsenden Bevölkerungszahl".

Waren 2016 insgesamt 33.788 Hunde gemeldet, waren es zwei Jahre später 35.817, und 2020, wiederum zwei Jahre später, insgesamt 39.219. Am 30. September 2021 war die Zahl auf 41.297 gestiegen, Silvester lag sie bei 41.506, was bedeutet, dass nun insgesamt 6.087.029,13 Euro an Steuer in die Stadtkasse fließen.

„Die Kacke gehört weggeräumt!"

Jeder weitere Hund im Stadtgebiet lässt naturgemäß auch mindestens einmal täglich in ebendiesem etwas liegen. Angesichts der vielen nicht vorschriftsmäßig entsorgten Haufen kann man fast nur zu dem Schluss kommen, dass die Pandemie die Bereitschaft zum Eintüten hier und dort extrem reduziert hat. Entsprechende Kommentare in den sozialen Netzwerken von zu Recht erzürnten Mitbürgern bestätigen den Eindruck.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Die Kacke gehört weggeräumt!“, formuliert es Tierarzt Unna unverblümt. Laut AWB-Sprecher Jörg Daniel gibt es im Stadtgebiet an mehr als 1900 Standorten Spender für Hundekot. Dass diese, anders als die Plastiktüten im Einzelhandel, noch nicht verbannt und beispielsweise durch kompostierbare ersetzt wurden, hat weder etwas mit Kosten noch mit mangelndem Umweltbewusstsein zu tun. In Köln, sagt Ralf Unna, der auch gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen ist, landen sämtliche Arten von öffentlich entsorgten Hundekotbeuteln in der Müllverbrennungsanlage.

KStA abonnieren