Steigende Corona-InzidenzWie Köln im Vergleich zu anderen Städten abschneidet

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Der Inzidenzwert liegt in Köln deutlich über den Werten von München und Düsseldorf – aber woran liegt das?

Köln – Oberbürgermeisterin Henriette Reker wünscht sich eine Sieben-Tage-Inzidenz von unter zehn. Doch die Kölner Realität sieht anders aus. Trotz monatelangen Lockdowns stieg der Wert in der Stadt in den vergangenen Tagen immer wieder leicht an. Lag die Inzidenz – die Zahl der Ansteckungen pro 100.000 Menschen binnen sieben Tagen – vorigen Dienstag noch bei 64,3, liegt er nur eine Woche später bei 76,3 und damit deutlich über dem Deutschland-Schnitt von 65,4. Das ursprüngliche Ziel der NRW-Landesregierung, bis Mitte Februar unter eine Inzidenz von 50 zu kommen, ist in Köln auch gut zwei Wochen nach Ablauf der Frist offenbar weit entfernt.

In anderen Großstädten sieht es besser aus. Zwar sinken die Inzidenzwerte derzeit fast nirgendwo – sie liegen allerdings teilweise auf einem deutlich geringeren Niveau. So hat es Düsseldorf am Dienstag erstmals wieder auf einen Wert unter 50 geschafft, München bewegt sich seit längerem sogar unter einem Wert von 40. Aber wie kommt es zu diesen großen Unterschieden? Sind allein die jeweiligen Corona-Maßnahmen der Grund? Eine Übersicht.

Die Stadt Köln nennt als mögliche Begründung für die nicht sinken wollende Inzidenz das Zusammentreffen „vieler Menschen im privaten Bereich sowie im öffentlichen Raum bei dem schönen Wetter und eine zu geringe Konsequenz beim Einhalten der Regeln“. Abstand halten, Hygienemaßnahmen beachten, im Alltag eine Maske tragen und ausreichendes Lüften – all das sei nach wie vor enorm wichtig. „Diese Regeln müssen in Fleisch und Blut übergehen und ohne Nachzudenken zum Alltag gehören“, sagt ein Sprecher der Stadt.

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Mutationen wirken sich auf Inzidenzwerte aus

Auch der Kölner Infektiologe Gerd Fätkenheuer sieht in privaten Treffen „den wichtigsten Grund dafür, dass die Infektionszahlen trotz Lockdown nicht schneller sinken“, wie er zuletzt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte. Auch die mutierten Virusvarianten würden sich bereits auf die Zahlen auswirken. Laut Stadt machen die Mutationen bereits mehr als ein Drittel aller Neuinfektionen aus. Tendenz steigend. Vor allem die britische Variante verbreitet sich zunehmend. Allein am Dienstag hat das Gesundheitsamt 847 Neuinfektionen, die auf jene Virusvariante zurückzuführen sind, gemeldet. Eine Woche zuvor waren es noch 532.

Doch dieses Problem hat Köln nicht exklusiv. Die Mutanten verbreiten sich in ganz Deutschland. Dennoch liegt etwa in Düsseldorf die Inzidenz mit 48,7 sogar unter dem NRW-Schnitt von 64,3. Die aktuell geltenden Maßnahmen unterscheiden sich kaum zu denen in Köln. Auch hier darf sich ein Haushalt nur mit höchstens einer weiteren Person treffen. Und auch hier gilt in vielen Bereichen eine Maskenpflicht. Auf das Verbot, an bestimmten Stellen in der Stadt Alkohol zu trinken, um mögliche Menschenansammlungen zu vermeiden, wird sogar verzichtet. Zudem ist die Bevölkerungsdichte in der Landeshauptstadt etwas höher als in Köln.

Umstrittenes Verweilverbot in Düsseldorf

Eine Besonderheit allerdings: In einem großen Bereich rund um das Rheinufer gilt ein umstrittenes Verweilverbot. Personen dürfen sich dort nur aufhalten, wenn sie in Bewegung sind. Sich hinzusetzen, auf die Wiese zu legen oder länger stehen zu bleiben ist nicht gestattet. Das Verbot gilt allerdings erst seit wenigen Tagen, es hat also wohl noch keinen großen Einfluss auf die Inzidenz, die das Infektionsgeschehen verzögert darstellt. Hingewiesen werden die Passanten auf die Regelung durch Schilder, die derzeit rund um die Verweilverbots-Zone aufgestellt werden – insgesamt 300 Schilder sollen es am Ende sein.

Schilder, die auf geltende Regeln hinweisen, sind in Köln hingegen nur selten zu finden. Was das zur Folge hat, zeigte sich etwa vergangenes Wochenende rund um den Aachener Weiher und im Stadtgarten. Seit dem 25. Februar gilt dort von Freitag bis Sonntag sowie an Feiertagen zwischen zehn und 22 Uhr eine Maskenpflicht. Doch Maskenträger waren voriges Wochenende die Ausnahme, denn offenbar haben nur wenige etwas von der neuen Regelung mitbekommen zu haben.

Strikte Ausgangssperre in München

München hatte am 20. Dezember noch eine Inzidenz von 300 – inzwischen liegt sie bei 38,5. Ein möglicher Grund dafür könnte die strikte Ausgangssperre zwischen 22 und fünf Uhr sein, die galt, als die Inzidenz noch bei mehr als 100 lag. Dazu kommt eine generelle Ausgangsbeschränkung, die auch aktuell noch gilt und bei der Personen nur aus einem triftigen Grund ihr Zuhause verlassen dürfen – etwa um zur Arbeit zu fahren, einen anderen Haushalt zu besuchen, einkaufen zu gehen oder Sport zu treiben.

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Zudem gilt in bestimmten Bereichen die Pflicht, eine FFP2-Maske zu tragen. In Köln ist es nach wie vor erlaubt, neben der FFP2-Maske auch eine OP-Maske zu verwenden. Dabei sei letztere deutlich unsicherer, sagt Thomas Preis, Vorsitzender der Kölner Apotheken. Es sei zwar unklar, ob die bis zuletzt sinkenden Infektionszahlen allein auf den Lockdown zurückzuführen seien oder auch die FFP2-Masken dazu beitragen würden. Entsprechende Untersuchungen gebe es nicht. „Zu beobachten war aber, dass seitdem die FFP2-Masken im Dezember an gut ein Drittel der Bevölkerung gegangen sind, auch die Infektionszahlen stark gesunken sind“, so Preis.

Es wäre daher laut Preis wünschenswert, wenn noch mehr Menschen in Köln eine solche Maske tragen würden. Auch Prof. Oliver Cornely, Leiter des Zentrums für klinische Studien in Köln, sieht in der FFP2-Maske das Mittel, das derzeit am ehesten einen relevanten Unterschied mache. „Wir dürfen ihre Wirkung nicht unterschätzen: Mit FFP2 gibt es auch bei engem Kontakt fast nie Infektionen, das ist ein fundamentaler Unterschied zu fast allen andern Masken. Wir brauchen eine Empfehlung, FFP2-Masken überall im öffentlichen Raum zu tragen“, so Cornely weiter. Eine Pflicht zum Tragen einer solchen Maske ist laut Stadt aktuell aber nicht in Planung.

Medizinische Masken nun auch in Hamburg Pflicht

Dass die Stadt nicht alles falsch macht, zeigt ein Blick in den Norden. Hamburg liegt mit einer Inzidenz von 81,5 noch einmal deutlich über Köln. Und das, obwohl auch hier die Corona-Maßnahmen fast identisch sind. Eine mögliche Erklärung: Die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske in bestimmten Bereichen wurde hier erst am 22. Februar eingeführt – einen ganzen Monat später als in Köln. Wobei der reine Zeitpunkt von Maßnahmen laut Fätkenheuer nicht entscheiden ist, sondern vielmehr „die tatsächliche Infektionslast zu diesem Zeitpunkt“.

In Köln setzte man schneller auf bessere Masken als andernorts. Das zahlt sich offenbar aus. „Die Infektionslast von heute kennen wir immer nur ungefähr – deswegen müssen wir vorausschauend agieren“, betont Fätkenheuer. Ob es weitere Maßnahmen in Köln geben wird, sollte die Inzidenz weiter steigen, ist bislang unklar. Eine entsprechende Entscheidung hat der städtische Krisenstab noch nicht getroffen. Henriette Reker, so viel scheint sicher, würde es befürworten.

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