Seilbahnunfall in KölnUnfallforscher wies schon vor 18 Jahren auf lockeres Seil hin

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Mitarbeiter des TÜV überprüfen die Kabel der Kölner Seilbahn

Köln – Das Erlebnis mit der Kölner Seilbahn, das Volker R. nicht vergessen kann, liegt knapp 28 Jahre zurück. Aber der pensionierte Unfallforscher erinnert sich daran, als sei es gestern gewesen. Für die Staatsanwaltschaft könnte R. nun ein wichtiger Zeuge bei der Aufarbeitung des Seilbahnunglücks vom Sommer vorigen Jahres werden. Man könnte vielleicht sagen: Er hat das Unglück kommen sehen. Seine Aussagen füllen in den Ermittlungsakten mehrere Seiten.

An einem windigen Tag im Jahr 1990 ist R. seinen Angaben zufolge als Fahrgast der Seilbahn nur knapp einem Unfall entgangen. Er weiß das auch deshalb noch so genau, weil er sein Erlebnis seinerzeit dokumentiert und der KVB im Februar 2000 in einem Brief geschildert hat – zehn Jahre später.

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Rettungsaktion beim Seilbahn-Unglück im Juli 2017: Ein Mann und sein Kind werden von der Feuerwehr abgeseilt.

„Ich habe den Brief damals geschrieben, weil ich in der Kundenzeitung der KVB eine Werbung für die Seilbahn gelesen hatte. Da stand irgendwas von einem Erlebnis, das man so schnell nicht vergisst“, berichtet Volker R. im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Da habe er dem Unternehmen auch mal sein ganz persönliches Erlebnis schildern wollen.

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Liest man R.s Zeilen aus dem Jahr 2000 heute, klingt es fast so, als beschreibe er den Hergang, der nach bisherigen Ermittlungen zum Unglück im Sommer 2017 führte: „Ich bin vor einigen Jahren mit der Seilbahn gefahren, als starker Wind die Gondeln so in Schräglage brachte, daß das in der Mitte hängende Seil sich an der Außenwand unserer Gondel legte und deutliche Schleifspuren im Lack hinterließ.“

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Wegen einer verkeilten Gondel stand die Kölner Seilbahn am 30. Juli stundenlang still.

Bei dem „in der Mitte hängenden Seil“ handelt es sich um das sogenannte Serviceseil, das parallel zu den Seilen verläuft, die die Gondeln tragen. Zu Wartungszwecken kann daran ein Montagewagen zu den Pylonen hochgezogen werden. Der Tüv Austria kommt in seinem Gutachten zum Unfall vom 30. Juli 2017 zu dem Schluss, dass ein heftiger Windstoß eben jenes tief durchhängende Serviceseil so stark bewegte, dass es gegen eine Gondel schaukelte, sich in der Aufhängung verfing und dadurch einen Not-Stopp auslöste, der die gesamte Seilbahn automatisch anhielt.

65 Fahrgäste mussten teilweise stundenlang in den Gondeln ausharren, ehe sie von den Höhenrettern der Feuerwehr befreit wurden.

Brief an die KVB vor 18 Jahren

Volker R. schrieb vor 18 Jahren in seinem Brief an die KVB: „Ich habe beobachtet, daß das mittlere Seil sich durchaus an einer bestimmten Wegposition hinter die Gondeln hätte legen können, um sich hier zu verfangen.“ Dasselbe habe er gleich nach der Fahrt beim Ausstieg einem Mitarbeiter der Seilbahn berichtet.

In einem zweiten Schreiben an die KVB ein paar Monate später bekräftigte R. seine Beobachtungen noch einmal und fragte, ob die von ihm geschilderten Gefahren denn inzwischen erkannt worden seien. Dieser Brief soll in Kopie auch an den SPD-Ortsverein Brück und an den Rat der Stadt Köln gegangen sein.

„Definitiv“ keine Gefahr

Die KVB antwortete Volker R. wenige Wochen später. In dem Schreiben heißt es wörtlich, eine Gefahr bestehe „definitiv“ nicht, ein Verfangen eines Seils an einer Gondel sei „technisch nicht möglich. Selbst bei stärksten Windböen nicht“. Genau das scheint aber im Sommer 2017 passiert zu sein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seitdem gegen zwei Mitarbeiter der KVB wegen Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Schwebebahnverkehr. Die Ermittler prüfen, ob die beiden Angestellten womöglich um die drohende Gefahr hätten wissen können – oder müssen.

Fest steht allerdings auch, dass der Tüv die gesamte Anlage jedes Jahr abgenommen hat. Dabei hatten die Prüfer immer auch das tief durchhängende Serviceseil im Blick, das aber offenbar nie Grund zu Beanstandungen gab. Es sei stets so gespannt gewesen, wie es die Betriebsanleitung des Herstellers vorgegeben habe, heißt es. Diese Betriebsanleitung stammt angeblich aus dem Jahr 1967.

Serviceseil abhängen

Volker R. sieht sich heute in seinen 18 Jahre alten Warnungen bestätigt. Er habe sich damals schon gefragt, warum man das Serviceseil nicht einfach abhänge. Denselben Vorschlag machen nun auch die Sachverständigen des Tüv Austria in ihrem Gutachten für die Staatsanwaltschaft. Um sein „negatives Erlebnis Seilbahn ganz einfach mit einem neuen Anlauf positiv belegen“ zu können, hatte die KVB Volker R. ihrem Antwortschreiben vor 18 Jahren auch zwei Freifahrkarten für eine Seilbahnfahrt beigelegt. R. hat sie nie eingelöst.

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