So wohnt KölnWie es sich anfühlt, in einem Wohnwagen zu leben – mit Wagenburg

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Hier machen die Wagen der Familie Bügler gerade Station auf dem Ehrenfelder  Takufeld. 

  • Stefan und Sophie-Maria Bügler nennen mit Stolz einen Wohnwagen ihr Zuhause.
  • Die beiden betreiben einen rollenden Freizeitpark, mit dem sie zwischen April und Oktober an wechselnden Orten in Köln umherziehen. Ein Besuch in der Wagenburg.
  • Lesen Sie hier auch weitere Folgen der Serie „So wohnt Köln”.

Köln – Stefan Bügler ist in den vergangenen Wochen ziemlich herumgekommen in Köln: Sürth, Neubrück, Longerich. Zurzeit wohnt er in Neuehrenfeld, wo er Anfang Juni schon seine Zelte aufgeschlagen hatte. Und das ist sogar wörtlich zu verstehen. Genau genommen ist es ein Wohnwagen, den Bügler und seine Frau Sophie-Maria ihr Zuhause nennen. „Aber es ist kein gewöhnlicher Wohnwagen“, sagt Sophie-Maria Bügler mit einem gewissen Stolz in der Stimme.

Von außen nicht zu erahnen, bietet das Gefährt ein abgeschlossenes Schlafzimmer samt Schrankwand, ein Duschbad, eine Küchenzeile samt Waschmaschine, Trockner und Geschirrspüler sowie einen gemütlichen Wohnzimmerbereich. Alles im Wohnwagenformat, versteht sich. Stefan Bügler sitzt derweil unter dem Vorzelt. Camper sind er und seine Frau allerdings beileibe nicht.

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Stefan Bügler in seinem Vorzelt

Die Büglers betreiben einen rollenden Freizeitpark. Für sie selbst ist das Reisen – und das tun sie von April bis Oktober – allerdings kein Freizeitvergnügen. Jedoch sind sie dabei nicht alleine. Die komplette Familie ist mit von der Partie: Kinder, Enkel und Urenkel. Wie Stefan und Sophie-Maria reisen auch sie in Wohnwagen.

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Im Wohnwagen ist alles wohlgeordnet. 

Wo sie verweilen, bilden sie eine Wagenburg. Die besteht aus Wohnwagen, Zugmaschinen und einigen Transportanhängern – unter anderem für Tiere, vor allem aber für die Klettergerüste, Imbisswagen und Hüpfburgen, die die Büglers im Gepäck haben.

Früher reiste ein Löwe mit

Es gab auch andere Zeiten: Die Familie ist Zweig einer alten Zirkusdynastie. Noch Anfang der 2000er Jahre gehörte sogar ein Löwe zum Tross der reisenden Artistenfamilie, die auf Stefan Büglers Ururgroßvater zurückgeht. Als der Zirkus 1948 in Essen zunächst eine feste Bleibe fand – etwa zur selben Zeit wie der Circus Williams in Köln – kam bald Stefan Bügler als damals jüngster Spross zu Welt.

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Stefan Bügler stammt aus einer alten Zirkus-Familie.

Wie praktisch alle aus der Zirkusfamilie wuchs er hinein in die Welt der Manege und der Artisten. Er lernte Kunststücke, Kraftakte und Dressuren ebenso wie das Schreinern, Schweißen und das Fahren schwerer Lastwagen.

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Die Schule für Zirkuskinder ist immer dabei.

Lesen und Schreiben stand jedoch nicht auf seinem Lehrplan. Das machte ihm lange Zeit nichts aus. „Ich kann doch alles, was man braucht. Der Zirkus war meine Schule“, sagt er. Dass dies aber keine Zukunftsperspektive für seine Kinder sein konnte, war auch ihm klar. Daher ist schon seit 26 Jahren die „Schule für Circuskinder“, eine Einrichtung in evangelischer Trägerschaft, Teil des Bügler-Fuhrparks. Teils in einem Wohnwagen, teils im Fernunterricht lernen inzwischen die Enkel und Urenkel von Stefan Bügler für den Realschul-Abschluss.

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Die schweren Zeiten für den kleinen Wanderzirkus Anfang der 2000er Jahre konnte diese Entscheidung indes nicht abwenden. Schweren Herzens hing Stefan Bügler den Direktorenhut an den Nagel und rüstete das Geschäft um zu einem rollenden „Freizeitpark“. Der Mix aus Ponymanege und Hüpfburgen ist inzwischen ein Begriff vor allem in Köln, wo er Jahr für Jahr vom Frühling bis Herbst seine Runde dreht. Ob in Nippes, Ossendorf oder Neubrück, man freut sich alljährlich, wenn sich der Freizeitpark mit Plakaten ankündigt und die Wagen endlich anrollen. „Manche, die schon als Kind bei uns im Zirkus waren, kommen jetzt mit eigenen Kindern“, sagt Stefan Bügler und strahlt zufrieden.

Trotzdem sei es ein hartes Leben – oft sei man vom Wetter abhängig. Tauschen wolle er aber nicht. Und dass seine Nachkommen der Zirkuswelt verbunden bleiben, macht ihn froh. Bald kann er auch wieder Pause machen vom Leben im Wohnwagen. In Gummersbach bewohnt er mit seiner Frau ein festes Haus – von November bis März.

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