Touristenansturm auf Köln„Wir sind fast in einer Liga mit Berlin“

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Eine Frau fotografiert Touristen vor dem Dom.

Touristen vor dem Dom

Köln ist wieder voll von Besuchern. Welche offensichtlich erfolgreiche Strategie des Tourismus-Chefs dahintersteckt. 

Ehrenstraße, Hohe Straße, Schildergasse, Domplatte – schwarz vor Menschen. Ebenso die Venloer Straße, wo das „c/o Pop“-Festival stattfand. So war es am vergangenen langen Mai-Wochenende und so wird es wohl auch an vielen kommenden Wochenenden sein.

Köln sei sehr gut durch die Krise gekommen, sagt Jürgen Amann, Geschäftsführer von Köln-Tourismus. 2022 habe man bereits 85 Prozent des Vorkrisenlevels von 2019 erreicht – wobei 2019 eines der besten in der Geschichte Kölns war und es in 2022 noch einige Pandemie-Resteinschränkungen gab.

Der Tourismus erholt sich, jedoch in anderer Zusammensetzung als zuvor
Jürgen Amann, Geschäftsführer Köln-Tourismus

„Der Tourismus erholt sich, jedoch in anderer Zusammensetzung als zuvor. Wir haben einen deutlich größeren Anteil an Freizeitgästen und an Ankünften aus Deutschland und den Nachbarländern als noch vor drei Jahren. Auch halten sich relativ mehr Tagesgäste in Köln auf.“ 2022 kamen 69 Prozent der Übernachtungsgäste aus Deutschland. Außerdem würden Hoteliers nun auch die Rückkehr von internationalen Gästen melden, vor allem aus den USA. Für Januar und Februar 2023 liegen die Übernachtungszahlen allerdings noch elf Prozent unter jenen von 2019.

Auch die Köln-Düsseldorfer Schifffahrtsgesellschaft legte vor einigen Tagen erstaunliche Zahlen vor. So liegt die Umsatzprognose für dieses Jahr schon über der von 2019 und der erwartete Gewinn sogar fast doppelt so hoch. „Die Nachfrage nach den Panorama- und Rundfahrten ist sehr groß“, sagte Sprecherin Nicole Becker.

Jürgen Amann sieht in der rasanten Erholung der Stadt auch die ersten Früchte der neuen Strategie von Köln-Tourismus. Gut besucht war Köln immer, aber jahrzehntelang sei das Motto „Höher, schneller, weiter“ gewesen. Man habe genommen, was kam, und eher „abgearbeitet“ als gesteuert. Unter anderem habe dies zu dem Ballermann-Image von Köln mit Junggesellenabschieden, Altstadt-Trinktouren und Karneval-Auswüchsen geführt, über die auch viele Kölner nicht glücklich sind.

Köln wird als Kulturstandort massiv unterschätzt, wir sind nicht nur der Dom
Jürgen Amann

Amann, der sein Amt unmittelbar vor der Pandemie angetreten hat, will das Image ändern und ganz bestimmte Zielgruppen erreichen, zumal sich der für die Stadt wichtige Geschäftsreisenden-Bereich in der alten Form wohl nicht wieder erholen wird. „Köln wird als Kulturstandort massiv unterschätzt, wir sind nicht nur der Dom.“

Laut einer Umfrage verbinden Menschen mit Köln vor allem Offenheit, Kreativität, Diversität und Geselligkeit. Angesprochen werden sollen vor allem zwei Zielgruppen: eine etwas ältere, gut verdienende und kulturell interessierte und eine jüngere, die Trends und Szene entdecken will.

Für diese Gäste ist mit Unterstützung von Köln-Tourismus zum Beispiel aktuell die „Mindwalk“-App zu Kulturorten im Belgischen Viertel entstanden. „Köln hat jede Menge zu bieten. Wir sind da fast in einer Liga mit Berlin – und das wollen wir zeigen.“ Die umgekrempelte Website von Köln-Tourismus steht unter der Überschrift „Köln ist ein Gefühl“ – und dabei taucht der Dom nicht an erster Stelle auf.

Odonien und Körnerstraße statt Dom und Altstadt

Stattdessen sieht man Fotos von jungen Menschen, die sich ein Schaufenster in der Bismarckstraße anschauen oder am Biergarten von „Bumann & Sohn“ in Ehrenfeld vorbeigehen. Die Top 4 in der Rubrik „Kölner Lifestyle“ sind die Location Odonien, die Büdchen-Kultur, die Körnerstraße als Symbol für das kreative Ehrenfeld und die „Le Tour Belgique“, die jährliche Kultur und Mode-Aktion im Belgischen Viertel. Erst dann kommt eine Rubrik zum Kneipenkarneval in den Veedeln.

Unter der Rubrik „Kunst und Kultur“ steht die Street Art gleichauf mit den Museen und unter „Genuss und Diversität“ gibt es eine LGBTQIA-Abteilung, in der zum Beispiel dokumentiert wird, dass sich 10,6 Prozent der Kölnerinnen und Kölner zwischen 18 und 75 Jahren dieser Gruppe zugehörig fühlen. Und dass 86 Prozent der Kölner Unternehmen das Klima von Offenheit und Toleranz in der Stadt loben. Als kulinarische Botschaft sprechen in Videos unter anderem die Spitzenköche Daniel Gottschlich (Ox & Klee), Maximilian Lorenz und die Crew des Maibeck für die Stadt.

Davon werden sich durstige Feiergruppen wohl nicht angesprochen fühlen. Aber wird man sie dadurch abhalten können, weiterhin in Scharen nach Köln zu kommen? „Kurzfristig lassen sich solche Phänomene natürlich nicht beenden. Aber wenn gezielt andere Gäste beworben werden und kommen, dann wird Köln für diese Gruppen irgendwann nicht mehr so interessant sein“, sagt Jürgen Amann. 

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