Erste Zahlen aus dem VRSDas Deutschlandticket ist im Rheinland noch kein Selbstläufer

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Der Streikposten bei der KVB-Zentrale am Betriebswerk Köln-West an der Scheidtweilerstraße am Montagmorgen.

Warnstreik vor KVB-Zentrale am Betriebswerk Köln-West an der Scheidtweilerstraße. Die Personalkosten werden sich im Jahr 2023 drastisch erhöhen, fürchtet die VRS-Geschäftsführung.

Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg verliert als Folge der Corona-Pandemie weiter an Dauerkunden.

Von einem Ansturm auf das Deutschlandticket, das ab 1. Mai gültig ist, kann im Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) zehn Tage nach dem Verkaufsstart noch keine Rede sein. Weniger als 10.000 Bestellungen von neuen Kunden, die bisher noch kein Abo-Ticket haben, liegen nach ersten Schätzungen vor.

Dagegen rechnet die VRS-Geschäftsführung damit, dass die übergroße Mehrzahl der 330.000 Besitzer von Dauerkarten auf das neue Ticket umschwenken werden, weil es mit einem Preis von 49 Euro im Monat und bundesweiter Gültigkeit im Regional- und Nahverkehr deutlich billiger als nahezu alle alten Abo-Tickets ist.

Umsatz bricht auf 483 Millionen Euro ein

Die Pandemie und das 9-Euro-Ticket, das von Juni bis August gültig war, haben beim VRS im vergangenen Jahr trotz einer durchschnittlichen Erhöhung der Fahrpreise um 1,6 Prozent zu einem starken Einbruch des Gesamtumsatzes auf 483 Millionen Euro geführt.

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Die Ausgleichsmittel für das 9-Euro-Ticket sind in dieser Summe nicht enthalten. „Das ist der reine Markterlös“, sagte VRS-Geschäftsführer Michael Vogel am Donnerstag in Köln. Das ist ein Minus von 52 Millionen Euro gegenüber 2021. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Geschäftsjahr vor Corona, ist das ein Rückgang um 200 Millionen.

Das 9-Euro-Ticket sei im VRS-Gebiet knapp 3,6 Millionen Mal verkauft worden und habe damit 32 Millionen Euro umgesetzt. „Auf die reine Stückzahl bezogen sind das gute Werte“, sagte Vogel. „Große Mengen allein darf man aber nicht als Erfolg sehen. Es kommt auch darauf an, was als Erlös in der Kasse klingelt.“ Unter regulären Marktbedingungen ohne Pandemie und 9-Euro-Ticket hätte der VRS allein im Juni 2022 rund 60 Millionen Euro erlösen müssen. Tatsächlich waren es 8,4 Millionen.

Personalkosten werden zum Problem

Auch die Energiepreise sind 2022 stark gestiegen. Diesel verteuerte sich im Vergleich zu 2021 um 44,7 Prozent, Strom wurde 22,5 Prozent teurer. Das Ende dieser Preisspirale dürfte auch 2023 noch nicht erreicht sein. Die Verkehrsunternehmen rechnen mit Mehrkosten für Energie, Material und Personal zwischen 13 und 17 Prozent.

Der VRS hat während der Pandemie vor allem durch den hohen Anteil der Arbeit im Homeoffice zehn bis 15 Prozent seiner Bestandskunden verloren. „Dieser Trend ist gestoppt“, so Vogel. Dennoch müsse man trotz der Einführung neuer variabler Jobticketmodelle davon ausgehen, dass sich immer mehr Kunden dazu entscheiden, statt eines Abos Tickets eher spontan zu kaufen.

Handyticket wird immer beliebter

Im vergangenen Jahr war das deutlich zu erkennen. Der Verkauf von Einzelfahrscheinen und Vierertickets sei deutlich gestiegen. Zeitkarten-Kunden seien häufig zum 24-Stunden-Ticket gewechselt. Auch das Handy-Ticket trägt mit einer weiter steigenden Nachfrage zu diesem Trend bei. Es macht in manchen Angeboten des Bartarifs inzwischen fast die Hälfte der verkauften Tickets aus. Beim 24-Stunden-Ticket für eine Person liegt der Anteil bei 49,3 Prozent.

„Auch das Deutschlandticket wird den Trend weg von der Kundenbindung nicht ändern, obwohl es ein Dauerticket ist“, sagte Vogel. Durch monatliche Kündbarkeit ohne Verwaltungsgebühr werde sich die Kundenbindung weiter verschlechtern, die vor allem bei den Jobtickets sehr hoch gewesen sei.

Die ÖPNV-Branche geht nach Auffassung von Norbert Reinkober, ebenfalls Geschäftsführer beim VRS, schweren Zeiten entgegen. „Das Land NRW hat zwar gerade 200 Millionen Euro Unterstützung zur Milderung der Auswirkungen der Energiekrise zugesagt, wofür wir sehr dankbar sind.“ Auch 2024 sei nicht mit Kürzungen des Angebots zu rechnen. „Wir dürfen in der Debatte nicht nur die Bestandsverkehre betrachten“, sagte Reinkober.

„Der Nahverkehr und die benötigte Infrastruktur müssen ertüchtigt und ausgebaut werden, um eine konkurrenzfähige Alternative zum Auto zu sein. Die Kommunen sind bereits am Rande des Leistbaren angelangt und dürfen nicht noch stärker belastet werden, denn dann drohen Angebotskürzungen bei Bus und Bahn. Daher appellieren wir an Bund und Land, die Finanzierung des Nahverkehrs auf verlässliche und auskömmliche Füße zu stellen, um so die Verkehrswende nachhaltig voranzutreiben.“

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