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„Es geht um Genuss, nicht ums Saufen“Warum Köln die Cocktailhauptstadt Deutschlands ist

6 min
Ein Cocktail im Sudermann

Ist Köln Deutschlands Cocktailhauptstadt? Wir haben uns bei erfolgreichen Bartendern in der Stadt umgehört. (Symbolbild)

Wir haben mit Volker Seibert, Stephan Hinz und Katrin Löcher über Cocktailtrends und die Kölner Barszene gesprochen.

Flüssiges Spekulatius in Rum im „Seiberts“, rauchige Aromen mit Fruchtigem im „Samuel's Shep“, gehobene Drinks und arabische Küche im „Al Salam“ – Kölns Barszene ist nicht nur ungewöhnlich vielfältig. Längst macht sie anderen deutschen Großstädten die Spitzenposition streitig.

Der „Falstaff Bar Guide 2026“, eines der wichtigsten Nachschlagewerke der Branche, hat das „Seiberts“ gerade erst zur besten Bar Deutschlands gekürt. Köln spiele schon lange eine wichtige Rolle in der Barszene, er selbst habe ein großes internationales Stammpublikum, sagt Volker Seibert, Inhaber des „Seiberts“ am Friesenwall. 

Köln als großer Gewinner

Überhaupt gehört Köln in diesem Jahr zu den großen Gewinnern der deutschen Barszene, Falstaff führt gleich vier Kölner Bars unter den höchstbewerteten Adressen des Landes. Keine andere Stadt stellt so viele im Spitzenfeld.

Erst kürzlich holte beispielsweise Jakob Schröder von der „Toddy Tapper“ Bar in Nippes einen begehrten Titel: Bei der Deutschen Cocktailmeisterschaft gewann er mit seiner Kreation „Slow Motion“ – Milky Oolong Tee, Rémy Martin, Scaramanga Rhum und Cointreau Noir.

Umfrage unter Top-Bartendern

Ist Köln, fast unbemerkt, deutsche Cocktailhauptstadt geworden? Wir haben uns bei Top-Bartendern in der Stadt umgehört.

„Köln ist klein, zentral, gut erreichbar“, sagt Volker Seibert. „Hier gibt es viele Bars, wo der Inhaber oft selbst von Tisch zu Tisch geht. Dieses Persönliche, das Inhabergeführte, das schätzen die Leute.“ Zudem sei die Bar-Landschaft sehr vielfältig. „Jede hat ihren eigenen Charme“, sagt Seibert.

„Die einen machen was mit Musik und DJs. Bei uns dagegen stehen die Wohnzimmeratmosphäre und das Liquid-Kitchen-Konzept im Vordergrund, mit starken Einflüssen aus der Küche.“ Das „Seiberts“ bietet ausschließlich Sitzplätze, keine Reservierungen und akzeptiert Gruppen nur bis vier Personen.

Cocktails Köln: Exquisite Zutaten und solidarische Barszene

Der Inhaber legt laut eigener Aussage großen Wert auf frische und exquisite Zutaten. Mieze-Schindler-Erdbeeren („Die besten Erdbeeren der Welt“) holt sein Team jedes Jahr bei einem Spezialisten in Nürnberg. Den 60-Kilo-Jahresvorrat der seltenen Zitrusfrucht Yuzu bestellt Seibert in Japan.

Serviert werden seine Drinks zum Beispiel in edlem Porzellan. Zurzeit seien selbst kreierte Eiscocktails extrem gefragt in seiner Bar, sagt Seibert, zum Beispiel flüssige Zimtschnecken in Kooperation mit der Bäckerei Zimmermann.

Das Seiberts am Friesenwall wurde vom Falstaff Magazin 2026 zur besten Bar gekürt. (Archivbild)

Das Seiberts am Friesenwall wurde vom Falstaff Magazin 2026 zur besten Bar gekürt. (Archivbild)

Was die Kölner Barszene ebenfalls ausmache, sei der kollegiale Zusammenhalt untereinander, sagt Seibert: Man empfehle sich den Gästen gegenseitig. „Das kenne ich von Restaurants so nicht, das ist schon eine Besonderheit der Barszene.“ 

In der oberen Cocktail-Liga spielt auch der Gastronom Stephan Hinz. Mit seinem „Little Link“ in der Maastrichter Straße, seinen Cocktailkreationen in der Flasche und Events überzeugt der 38-Jährige regelmäßig die Branche.

Hinz betreibt mittlerweile auch das „Grace & Grape“ im Kwartier Latäng und das „Punky Panda“ in der Südstadt. „Der Druck ist da“, sagt Hinz, den wir im Lokal an der Alteburger Straße treffen. Von Aushilfen bis hin zu Festangestellten beschäftigt er 75 Mitarbeiter.

Trotzdem trifft man ihn regelmäßig an der Theke, die Nähe zum Gast sei für ihn nach wie vor das Schönste. „Ich plane mich in jedem Lokal einmal die Woche fest ein“, so der gebürtige Berliner. Berlin, München, die Welt: Bars gesehen, eröffnet und mitgestaltet hat Hinz viele.

Stephan Hinz im Punky Panda in der Südstadt. Das Little Link in der Maastrichter Straße landete auf Platz zwei des neuen Falstaff-Guides.

Stephan Hinz im Punky Panda in der Südstadt. Das Little Link in der Maastrichter Straße landete auf Platz zwei des neuen Falstaff-Guides.

Doch seit 15 Jahren lebt er in Köln. „Vor allem der Mensch hat mir in Köln gefallen, er ist nett und unterhaltsam. Köln ist mitunter die Barstadt in Deutschland. Sie war es auch früher schon. Diese Qualität und diesen Hype bekommen wir nur nicht so transportiert, unsere Branche redet zu wenig.“ Man könne sagen: „Köln hat die klassische Barkultur in Deutschland maßgeblich geprägt.“

Cocktails Köln: Weniger Barhopping, mehr Essen und Trinken in Kombination

Je mehr Qualitätsläden, desto besser für Köln, ist er überzeugt. „Ona Mor, Rosebud, Al Salam – all diese Läden tun Köln nur gut. Je besser die Qualität im Allgemeinen ist, desto mehr hilft es uns.“ Ein Vorteil in Köln sei auch, dass man von hier aus schnell in Düsseldorf, Frankfurt, Amsterdam und Paris ist. Trotz des allgemeinen postpandemischen Personalproblems in der Gastronomie, gebe es in Köln weiterhin sehr gute Leute, die „die Liebe zum Handwerk teilen und vermitteln“.

Auch das Gastverhalten habe sich seit Corona signifikant geändert: Barhopping sei weniger geworden. „Wenn wir früher von bis zu drei Stationen an einem Abend ausgegangen sind, gehen wir nun von maximal zwei aus. Die Intensität des Abends ist geringer und auch die Dauer.“

Bedeutet: Cocktailbars bieten immer häufiger kleine Speisen oder gute Snacks wie Nüsse und Oliven an. Restaurants wiederum werden sich häufiger an hochwertige Drinks wagen, um die Gäste länger zu halten, glaubt Hinz. „Konzepte werden immer wichtiger. Wir werden nicht von Gin-, Wodka- oder Tequila-Jahr sprechen, sondern über bestimmte Geschmacksrichtungen.“ Auch der alkoholfreie Trend werde sich fortsetzen. „Die Drinks müssen aber in Ästhetik und Komplexität dem alkoholhaltigen sehr nahe kommen.“

Für das „Al Salam“ am Eifelplatz ist die Kombination aus Küche und hochwertiger Bar nichts Neues. Das aktuelle Falstaff-Magazin kürte das Lokal zur „Restaurantbar des Jahres“. Betreiber Mohammad Nazzal hat 2004 mit Drinks angefangen und schaute wie viele Kollegen auf den Pionier der Branche, das ehemalige Shepheard am Rathenauplatz, hoch.

Es galt als Institution der Cocktailszene in Köln und Talentschmiede: Stephan Hinz arbeitete dort, bevor er sich selbständig machte. „Wir wollten die Bar richtig oder gar nicht machen. Das Shepheard war der Maßstab“, sagt Nazzal.

Mittlerweile setzt das „Al Salam“, ein 40-jähriger Familienbetrieb mit arabischer Küche, auch immer mehr auf Cocktails aus dem Hahn. Jeweils fünf alkoholfreie und fünf alkoholische Drinks gibt es gezapft. Die Rezepte entwickeln die Brüder selbst, in ein Fass aus Metall bringt sie dann eine darauf spezialisierte Firma.

Al Salam am Eifelplatz seit 2024: Die Restaurantbar mit hochwertigen Cocktails ist Kernbestandteil des Restaurants. Die Brüder Mohammad (l.) und Ahmad Nazzal betreiben das Familienlokal

Al Salam am Eifelplatz seit 2024: Die Restaurantbar mit hochwertigen Cocktails ist Kernbestandteil des Restaurants. Die Brüder Mohammad (l.) und Ahmad Nazzal betreiben das Familienlokal.

Es spart mindestens einen Handgriff: nur die Komponenten werden vorgemixt, die nicht verderben. Für einen Margarita wären das Tequila und Curacao. Die frische Limette kommt dann extra dazu. „Eine gewisse Auswahl bereiten wir händisch vor, aber ein Teil läuft über das Schankanlagesystem.“ 

Katrin Löcher ist seit dreieinhalb Jahren Bartenderin im „Samuels Shep“ am Rathenauplatz und macht sich demnächst selbstständig mit einer eigenen Bar.

Katrin Löcher ist seit dreieinhalb Jahren Bartenderin im „Samuels Shep“ am Rathenauplatz und macht sich demnächst selbstständig mit einer eigenen Bar.

Katrin Löcher vom „Samuels Shep“ eröffnet bald eigenen Laden

Wo das Shepheard früher war, ist heute das „Samuel’s Shep“ am Rathenauplatz. Mehr als drei Jahren war Katrin Löcher – zuvor war sie sechs Jahre im Suderman – für die Bar zuständig. Der Fokus liegt auf den Eigenkreationen, die Karte hat sie gemeinsam mit Yüksel Özbanazi von der Spirits-Bar entwickelt.

Auch die 38-Jährige beobachtet eine immer größere Zuwendung zum Essen. „Die Lust am Kochen ist während Corona gestiegen, die Leute fragen mehr danach, was sie selbst nachmachen können – an welche Zutaten sie kommen. Und sie haben Lust, immer mehr die Grenzen des Geschmacks auszuloten.“ Sie seien etwa offener für Tequila und Mezcal geworden. Vor kräftigen, rauchigen Aromen schreckten sie nicht zurück. „Die Leute haben Lust auf etwas Krasses.“

Doch die Klassiker zögen immer noch: Negroni, Gin Tonic, Whiskey Sour. Gerade letzterer sei „in Köln ein sehr beliebter Drink. Damit macht man viele Leute glücklich und es ist die Basis von allem.“

Was das Geschlechtergefälle in der Barszene angeht, ist Löcher optimistisch, wenn es auch Luft nach oben gebe. „Es ist weiterhin eine Männerdomäne. In den USA ist der Frauenanteil viel größer. Aber auch hier gibt es mittlerweile viele tolle Frauen, ob in der Spirits-Bar, im Ona Mor oder im Rosebud, gemischte Teams sind viel dynamischer, die Barbesitzer erkennen das immer mehr.“

Frauenpower heißt es bald in ihrem eigenen Lokal: Die letzte Schicht im „Samuel's Shep“ ist getan, mit ihrer besten Freundin, die im Zest & Spice arbeitet, eröffnet sie bald ihre erste eigene Bar. Mehr darf noch nicht verraten werden.