„Anne Will“Lauterbach streitet sich mit Pfleger Lange – Schulschließungen im Herbst?

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Karl Lauterbach DPA 040722

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat bei „Anne Will“ Schulschließungen bei einer Corona-Welle im Herbst nicht ausgeschlossen. „Ich halte sie für sehr, sehr unwahrscheinlich. Aber sie kategorisch auszuschließen, wäre falsch, denn wir wissen nicht, welche Varianten auf uns zu kommen“, sagte Lauterbach am Sonntagabend in der ARD-Talkshow.

Flächendeckende Lockdowns, auch bei hohen Infektionszahlen, schließt der SPD-Gesundheitsexperte dagegen auch in den Herbst und Wintermonaten aus: „Dafür haben wir einfach einen zu guten Immunschutz innerhalb der Bevölkerung“, so Lauterbach. Etwas mehr als 76 Prozent der deutschen Bevölkerung sind doppelt geimpft, viele durch Corona-Infektionen zusätzlich genesen.

„Anne Will“: Karl Lauterbach streitet sich mit Pfleger Ricardo Lange

Lauterbach betonte, dass er jetzt in Beratungen mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) dafür sorgen werde, dass noch vor der Sommerpause des Parlaments ab Freitag ein neuer Entwurf des Infektionsschutzgesetzes beschlossen werde. „Zu Einzelheiten und möglichen Maßnahmen möchte ich nichts sagen, das ist vertraulich und soll auch so bleiben. Sonst könnte ich die Verhandlungen ja öffentlich führen“, sagte Lauterbach.

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Ebenfalls zu Gast war der während der Corona-Pandemie bekannt gewordene Intensivpfleger Ricardo Lange, der monierte, dass in den Vorbereitungen auf die nächsten Corona-Welle erneut die Pflege vergessen werde: „Wenn ich höre, dass man die Intensivpflege und die vulnerablen Gruppen schützen will, dann sitze ich mit der geballten Faust vor dem Fernseher“, sagte Lange.

Er fragte Lauterbach direkt: „Was bedeutet für Sie denn eine Überlastung des Gesundheitssystems? Wenn Patienten wegen Personalmangel sterben? Wenn Pfleger weinend auf dem Boden sitzen?“ Lauterbach antwortete ruhig: „Natürlich ist das alles eine Überlastung.“ Lange schoss sofort zurück: „Wir gehen jedes Mal erschrocken in die Herbst-Welle und sind dann erschrocken, dass wir kein Pflegepersonal haben. Warum ändern sie das nicht?“

Ricardo Lange kritisiert Karl Lauterbach für fehlende Daten bei Corona-Evaluation

Er warf Lauterbach Grundrechtseingriffe vor, ohne dabei ihre Wirkung zu kennen: „Wie wollen sie Grundrechtseingriffe rechtfertigen, wenn sie nicht mal Daten haben?“, fragte Lange, der sich immer mehr in Rage redete. Lauterbach antwortete, dass er bereits seit Jahren für die Pflege einstehe und an der Verbesserung der Zustände arbeite: „Durch das Herausnehmen der Pflegekräfte aus der Pflegepauschale, für das ich mich eingesetzt habe, hat dazu geführt, dass weniger Personal abgebaut wird. Das war eine zentrale Veränderung, die aber gerade erst wirkt.“

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Lauterbach monierte, dass Lange seine Wut gegen den Falschen richte. „Hier sitzt jemand, der Ihnen wirklich helfen will. Verdi ist dankbar, dass ich die notwendigen Schritte jetzt einleite. Vorher wurde es zehn Jahre nicht gemacht, jetzt wird mir vorgeworfen, dass es nicht einen Monat früher kommt“, sagte Lauterbach und legte nach: „Hallo? Solange bin ich auch noch nicht im Amt.“

FDP-Abgeordnete gerät mit Pfleger Lange aneinander

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus pflichtete Lauterbach bei, versprach Unterstützung bei der Umsetzung der Gesetze: „Wir brauchen auch für Pflegerinnen mehr Kita-Plätze, um die Dienste flexibler gestalten zu können. Und wir müssen auch mit einbeziehen, dass Pflegerinnen und Pfleger mehr können, als sie dürfen.“

„Das ist Quatsch. Schauen Sie sich die Intensivstationen doch an. Was denken Sie denn, was wir den ganzen Tag machen“, erklärte Lange entsetzt. Lauterbach versuchte zu beschwichtigen: „Ich verstehe, dass sie erregt sind bei dem Thema. Aber sie müssen auch verstehen, dass wir gerade daran arbeiten, die Situation zu verbessern.“

„Anne Will“: Streit um Wirkung von einzelnen Corona-Maßnahmen

Streit gab es ebenfalls bei der Diskussion um den Bericht des Corona-Sachverständigenrats. Die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt von der „Süddeutschen Zeitung“ bezeichnete die Datenlücke in Deutschland, die der Bericht offengelegt hatte, als „entsetzlich“.

„Viele Menschen ziehen aus dem Bericht die Folge, dass wir keine Daten haben und dadurch Maßnahmen ausschließen können. Aber das ist es ja nicht.“ FDP-Politikerin Aschenberg-Dugnus sagte: „Wir brauchen Daten in Echtzeit und können dann auch argumentieren und die Menschen mitnehmen. Und jetzt zu sagen, wir machen so ein Konglomerat an Maßnahmen und schauen dann mal, das ist verfassungswidrig.“

„Wenn ich weiß, dass eine Maßnahme nicht geeignet ist, dann kann ich sie auch nicht in ein Infektionsschutzgesetz reinschreiben“, betonte Aschenberg-Dugnus noch einmal.

Berndt konterte: „Natürlich ist es richtig, dass ich nur Maßnahmen erheben darf, von denen ich annehmen darf, dass sie mindestens sinnvoll sind. Aber sobald wir einen neuen Erreger haben, wird keiner genau wissen, welche Maßnahmen helfen und welche nicht. Deswegen können wir immer nur Annahmen machen.“ Manchmal könne man daher nur Maßnahmen erheben, die aus wissenschaftlicher Sicht den meisten Sinn ergeben würden.

Die Bundesregierung will bis zum 8. Juli einen neuen Entwurf für das Infektionsschutzgesetz vorlegen, um auf eine Corona-Herbstwelle bestmöglich vorbereitet zu sein.

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