Roman-Verfilmung bei ZDF neo„Der Schatten“ – perfekt für Sonntagabende im Sommer

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Norah (Deleila Piasko, r) mit Wolfgang Balder (Andreas Pietschmann, l), dem Künstler, den sie porträtieren soll.

Norah (Deleila Piasko, r) mit Wolfgang Balder (Andreas Pietschmann, l), dem Künstler, den sie porträtieren soll.

Ab Sonntag (25. Juni) zeigt ZDF neo die Verfilmung eines Buchs der Kölnerin Melanie Raabe. Was daran gut ist, und wie die Serie im Vergleich zum Buch abschneidet.

Die Bettlerin erwischt Norah Richter kalt. „Am 13. August wirst du am Prater einen Mann namens Arthur Grimm töten. Aus freien Stücken. Und mit gutem Grund“, raunt sie der Journalistin auf einem Wiener Platz zu, und die junge Frau, eben erst aus Berlin nach Österreich gezogen, ist verstört. Sie kennt keinen Artur Grimm, sie hat keine Ahnung, warum sie jemanden töten wollen sollte, und sie ist der Überzeugung: Ich könnte das auch niemals. Norah schiebt den Vorfall weg. Oder besser: Sie versucht, ihn wegzuschieben. Erfolglos.

Der Schatten: Ab Sonntag im linearen Fernsehen, sofort in der Mediathek

Die sechsteilige Serie „Der Schatten“, die ab Sonntag, 25. Juni, 20.15 Uhr, immer sonntags in Doppelfolgen bei ZDFneo und schon jetzt in der ZDF-Mediathek zu sehen ist, basiert auf einem Buch der Kölner Autorin Melanie Raabe von 2018. Raabes Bücher sind allesamt, was man wohl „Pageturner“ nennt – Bücher, die man nur unter großen körperlichen Schmerzen beiseitelegen kann, wenn grade die Nudeln auf dem Tisch stehen. Jetzt also der Versuch einer Serie.

Die Prophezeiung hakt sich vor allem im Kopf von Norah Richter fest, weil sich am 13. August, dem Tag, den die Bettlerin erwähnte, vor 14 Jahren ihre beste Freundin das Leben genommen hat. Seither fühlt Norah sich schuldig, seither fragt sie sich, was die Freundin zu der Tat getrieben hat. Im Wien von heute glaubt Richter bald, eine Verbindung zwischen Grimm und ihrer Jugendfreundin Valerie gefunden zu haben.

Wieso sollte Norah einen Mann umbringen wollen, den sie nicht kennt? Hat er etwas mit ihrem Tod zu tun? All das lässt Norah Richter immer weniger los, mit jedem Tag, der vergeht und der heruntergezählt wird, schraubt sie sich stärker in die Geschichte hinein.

Frauenfeindlicher, sterbenskranker, narzisstischer Performancekünstler

Dabei hätte sie in Wien in ihrem neuen Job als Zeitschriften-Redakteurin eine durchaus komplizierte und große Aufgabe zu erledigen: Richter soll ein Porträt über den sterbenskranken, narzisstischen Performancekünstler Wolfgang Balder schreiben. Balder will unbedingt Norah als Autorin – obwohl die sein Verständnis von Kunst schon in Berlin in einem Artikel als frauenverachtend bezeichnet hatte.

Norah versucht, zunehmend verzweifelt, dieses verrückte Knäuel an Ereignissen, Gedanken, Erinnerungen zu entwirren, doch es gelingt ihr nicht. Alles wird immer nur kaputter und irrer. Immer mehr Menschen wenden sich von Norah ab, bis sie irgendwann fast ganz allein ist. So steht sie da mit einem gruseligen Puzzle, das sich dann auch erst ganz zum Schluss zusammensetzt.

Melanie Raabes Buch entwickelt einen irrren Sog

Das Buch von Melanie Raabe hält diese Spannung geradezu perfekt. Wie Norah gelingt es dem Leser oder der Leserin nicht, das Bild vorher zusammenzufügen, zu verrückt sind die Wendungen der Geschichte, zu verrückt das große Ganze dahinter. Man schaut der Protagonistin quasi beim Wahnsinnigwerden zu, und man fühlt sich, als ginge es einem selbst ähnlich. Das Buch hat einen unfassbaren Sog – die Serie kommt daran nicht ganz heran. Was nicht heißt, dass sie schlecht ist, sie ist nur einfach nicht brillant wie das Buch.

Deleila Piasko als Norah Richter überzeugt, weil sie ihre Figur anstrengend, bisweilen schrecklich nervig, verzweifelt, ambitioniert, hartnäckig sein lässt, eine Figur, die nur Vollgas kann und für die Ruhe undenkbar scheint. Je näher der 13. August rückt, je unübersichtlicher ihre Welt, desto stärker zeigt sich Norahs geistiger Verfall auch in ihrem Äußeren: Augenringe, Schwitzen, wirre Haare. Andreas Pietschmann als Wolfgang Balder kommt so kalt und ich-bezogen rüber, wie es die Rolle verlangt. Und Lukas Spissers Chefredakteur wirkt wie ein an allen Seiten brennender, völlig verrückter und lediglich fake-empathischer Medien-Mann, der problemlos von „Chakachaka-Motivations-Ansprache“ zu Kaputtbrüllen wechseln kann.

„Der Schatten“ ist ein grandioses Buch (Lesen, unbedingt!) – die Serie dazu ist zwar nicht grandios, aber durchaus fesselnd. Perfekt also für Sommersonntagabende.


Info Auf ZDF neo ab 25. Juni, 20.15 Uhr, immer sonntags in Doppelfolgen; schon jetzt in der ZDF-Mediathek

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