Ein Pulsieren, das vor Starre und Monumentalität bewahrt

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Was möchte man an Weiberfastnacht am liebsten hören? Richtig, „Tod und Verklärung“ von Richard Strauss, am besten noch gefolgt von Gustav Mahlers „titanischer“ Sinfonie Nr. 1. Bevor man nun aber dem SWR Symphonieorchester und seinem kultigen Chefdirigenten Teodor Currentzis eine antikarnevalistische Sabotage-Absicht unter-stellt.

Hier hat die Kölner Philharmonie wohl eher zufällig die Unbill der Terminierung ereilt. Daheim in Freiburg und Stuttgart erklang das Programm schon vor knapp einer Woche; nach Aschermittwoch geht es auf Tournee durch Europas größte Säle.

Currentzis verschmähte wie üblich den Taktstock, ohne dadurch die Einsatzpräzision merklich zu belasten. Seine eigenwillige Körper- und Zeichensprache bewirkte genau jenes wellenartig an- und abschwellende Pulsieren, das die Musik vor der Starre der Monumentalität bewahrte. Dazu kam das in der Textur hinreißend klar gestaffelte, im leuchtenden Finish kaum zu übertreffende Orchesterspiel der Südwestler – da konnte sich der Maestro gefahrlos erlauben, den Pianissimo-Schluss mit dem „viergestrichenen“ Geigen-C bis zur äußersten Toleranzgrenze zu dehnen.

Indes fiel auf, bei Gustav Mahler noch mehr als bei Strauss, dass das Orchester nicht an jedem Pult die Qualität des gesamten Klangkörpers zeigt. Offenbar wächst man im Zusammenspiel über sich hinaus – und da wirkt natürlich vor allem die hohe imaginative und synthetisierende Kraft des Chefdirigenten. Die Magie, die Mahler mit den Naturlauten der Kopfsatz-Einleitung beschwört, interessierte ihn wenig: Den Beginn dirigierte er quasi noch in den Auftritts-Applaus hinein. Auch sonst drängte er den Eindruck organischen Werdens und Wachsens zugunsten einer planvoll konstruierten und minuziös kontrollierten Anlage weitgehend zurück.

Wie ein echter Kanon

Das jammervolle „Bruder Jakob“-Zitat im langsamen Satz, das man sonst eher in seinen Farbwechseln wahrnimmt, wirkte hier wie ein echter, aus unterschiedlichen Kehlen gesungener Kanon.

Wenn diesem zwingenden Konzept überhaupt etwas anzulasten ist, dann eine gewisse Neigung zum Aktionismus, zur Über-Inszenierung. Die der „Wunderhorn“-Sphäre entstammenden Liedthemen versteckte Currentzis mit geradezu artifizieller Beflissenheit in den Begleitstimmen. Wo die Musik innehielt, stillstand, holografisch wurde, spürte man besonders deutlich die innere Unruhe des Dirigenten, den es dämonisch zum Formen und Gestalten drängt, immerfort, bis in die letzte, kleinste Partitur-Information hinein. Das Schicksal des Genies?

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