Was haben der Papst, Clickbaiting und der Kulturkampf ums Veggie-Schnitzel miteinander zu tun? Sie werden staunen.
Veggie-WurstEin Kulturkampf im Speckmantel


Ein Fall für die Parlamente: Burger ohne Fleisch
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Mit Speck fängt man Mäuse, lautet eine alte Einsicht, die Tierschützern gleich doppelt auf den Magen schlägt, Papst Leo XIV. jedoch nur, wenn man die Mäuse durch Menschen und den Speck durch Nachrichten ersetzt. Am Donnerstag redete das christliche Oberhaupt katholischen Journalisten ins Gewissen und ermahnte sie, die ewige Suche nach der Wahrheit nicht dem „Clickbaiting“ zu opfern – also dem Ködern leichtgläubiger Internetnutzer durch reißerische Schlagzeilen.
Vielleicht ging in diesem Augenblick einigen Anwesenden erstmals die Bedeutung eines anderen Sprichworts auf – den Bekehrten predigen. Ungläubige Medien wie der britische „Guardian“ machten sich hingegen einen Spaß daraus, die unfehlbare Botschaft in bester „Clickbaiting“-Manier zu annoncieren: „Sie werden nicht glauben, welche erniedrigende Praxis der Papst gerade verurteilt hat.“
Steckt vielleicht echtes Kind im Kinderschnitzel?
Um die Jagd auf derlei falsche Hasen hat sich diese Woche auch das Europäische Parlament verdient gemacht. Es beschloss mit konservativer Mehrheit, den Produzenten fleischloser Gerichte die Etikettierung ihrer Waren als „Schnitzel“, „Wurst“ oder „Burger“ zu untersagen, selbst, wenn diese ein unmissverständliches „Plant“ oder „Veggie“ vor die geweckte Specklust setzen. Auch in diesem Fall fanden sich die üblichen Spaßvögel, die in ihren Lesern scheinbar vor allem Mäuse sehen, und wiesen umgehend darauf hin, dass der Etikettenschwindel um eingeführte Lebensmittelmarken sehr viel weiter geht: Steckt vielleicht echtes Kind im Kinderschnitzel, kommt Scheuermilch aus einem Euter oder krähte der Halve Hahn, als er noch ganz war, etwa stolz vom Mist?
Papst Leo XIV. hat sich dazu noch nicht geäußert, obwohl er als Freund der fleischlastigen peruanischen Küche in ständiger Verwechslungsgefahr schwebt. Nicht auszudenken, er griffe am römischen Kühlregal daneben und trüge statt Ziege oder Ente deren trügerische Doppelgänger in den Vatikan. Das wäre eine erweiterte Form des Clickbaiting, denn Supermarkt-Produkte sind wie Schlagzeilen: Sie buhlen im Regal um die Aufmerksamkeit des Konsumenten und versprechen gerne mehr, als sie nach Aufreißen der Verpackung halten können. Oder glaubt jemand, glückliche Schweine warteten nur darauf, sich den Menschen als Opferlämmer darzubringen?
Im Paradies lebten bekanntlich alle Konsumenten vegetarisch, danach stellte Leos Vorgesetzter lediglich an Bord der Arche Noah noch einmal den Frieden zwischen Fleisch- und Pflanzenfressern her. Seitdem herrscht der Kampf ums Fressen und Gefressen-Werden, oder, weil der schon längst entschieden ist, vielmehr der Kampf um die moralische Bewertung des ungesühnten Fleischverzehrs. Im EU-Parlament wurde deswegen wohl auch nicht über angeblichen Etikettenschwindel abgestimmt, sondern über eine neue Volte im Kulturkampf. Womit wir schon wieder beim Thema „Clickbaiting“ sind. Denn nichts ködert uns Menschenmäuse derzeit verlässlicher als dieser Begriff im Speckmantel.