„Hart aber fair“ zu SpritpreisenViel Populismus – Plasberg bremst Expertin aus

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Kemfert haf

Claudia Kemfert bei „Hart aber fair“ 

Bei Frank Plasberg geht es am Montagabend indirekt um den Krieg gegen die Ukraine und im Speziellen um die Frage „Wird Energie unbezahlbar?“ Deutschland ist abhängig von russischem Gas und Öl, und die durch den Krieg explosionsartig gestiegenen Preise haben in der deutschen Gesellschaft und auch Politik offenbar für ein böses Erwachen gesorgt. Wie kann der Staat seinen Bürgern vernünftig helfen, die gestiegenen Kosten zu bewältigen, lautet die Frage bei „Hart aber fair“.

Die Gäste bei „Hart aber fair“

Bundesfinanzminister Christian Lindner, FDP. Sein Vorschlag eines Tankrabatts für alle stieß auf wenig Gegenliebe bei den Koalitionspartnern. Ein Kritikpunkt: Auch der Porschefahrer, der es sicherlich nicht nötig hat, wird so vom Staat unterstützt.

Claudia Kemfert: Die Energie-Expertin setzt auf den massiven Ausbau erneuerbarer Energiequellen, um möglichst schnell von Putins Rohstoffen wegzukommen.

Alles zum Thema Hart aber fair

Thomas Kutschaty, SPD-Landeschef in Nordrhein Westfalen: Er ist gegen das Gießkannen-Prinzip der staatlichen Unterstützung und will mehr Staffelung nach Bedürftigkeit. Die Bundesregierung habe bereits ein Entlastungspaket auf den Weg gebracht, aber das reiche noch nicht.

Susanne Holtkotte: Die Reinigungskraft aus Bochum ist als „Volkes Stimme“ eingeladen. Sie setzt sich seit Jahren für verbesserte Arbeitsbedingungen und Entlohnung von Geringverdienern ein.

Jens Spahn, CDU: Der ehemalige Bundesgesundheitsminister und jetzige Oppositionspolitiker will, dass die Regierung die Mehrwertsteuer auf Energie deutlich senkt. Auch Atomkraft dürfe nicht tabu sei.

Ulrich Reitz: Der „Focus“-Journalist glaubt nicht, dass Deutschland in naher Zukunft auf russisches Gas und Öl verzichten kann. Die Klimawende-Problemen ließen sich momentan einfach nicht lösen.

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Wie ernst die Lage ist und wie groß das moralische Dilemma, in dem sich Deutschland befindet, wird an der Person des Bundeswirtschaftsministers derzeit deutlich. Robert Habeck – bei „Hart aber fair“ leider nicht zu Gast – ist in die Emirate gereist, um neue Energiequellen zu erschließen. Er selber nannte seinen Besuch und die Verhandlungen „bizarr“ angesichts der Tatsache, dass ein Grünen-Minister eine Energiepartnerschaft mit einem Staat einfädelt, in dem Menschenrechte gering geachtet werden.

Für Spahn ist das Münsterland überall

Bei Plasbergs Debatte ist von diesem Zwiespalt allerdings nicht viel zu spüren. Hier geht es einzig und allein um die deutschen Bürger und ihre finanzielle Belastung. Jens Spahn meint, es sage sich so leicht, „Opfer aus Solidarität zu bringen", aber für Betroffene sei das eben nicht so einfach. „Bei mir im Münsterland“, so Spahn, seien viele in den Dörfern eben aufs Auto angewiesen. Familien treffe es finanziell besonders hart. Spahn schafft es im ARD-Talk insgesamt viermal, sich als Anwalt der gebeutelten „Münsterländer“ Familien und ehrlichen Handwerker auszugeben. Er bricht eine Lanze für diese Autofahrer, und nicht jeder, der ein SUV fahre, sei schließlich reich, so der CDU-Vizefraktionschef.

Suanne Holtkotte sagt, die Solidarität mit den geflüchteten in der Ukraine sei zwar auch in ihrem Umfeld sehr groß, „aber man darf uns selber da nicht vergessen“. Sie leide massiv besonders unter den hohen Spritpreisen. 

Energie-Expertin Kemfert widerspricht Spahn und Kutschaty vehement

Kutschaty behauptet, die Politik habe die derzeitigen Probleme nicht voraussehen können. „Wir haben uns in Putin getäuscht und auch in unserer Abhängigkeit von Russland“, rechtfertigt er sich. Spahn pflichtet ihm bei, man habe sich getäuscht und diese Energieprobleme nicht vorsehen können. Und überhaupt sei es mit den erneuerbaren Energien ja nicht so einfach, man brauche immer noch Gas zur Überbrückung. Man könne auch eben nicht gleichzeitig aus Atomkraft und Kohle aussteigen.

Kemfert fährt Kutschaty und Spahn daraufhin vehement in die Parade: Energieexperten warnten seit 15 Jahren davor, allein auf fossile Energien zu setzen, sagt sie. „Die Politik hat uns munter ins Gesicht gelächelt und gesagt, es gebe keine Anhängigkeit", konstatiert Kemfert. „Hätten wir die erneuerbaren Energien nicht ausgebremst, hätten wir diese Probleme nicht“, so Kemfert. Sie echauffiert sich über die „falschen Aussagen“ Spahns über den angeblich gleichzeitigen Ausstieg aus Atomkraft und Kohle und lässt sich auch nicht einfach von Plasberg ausbremsen.

Dieser ist aber offensichtlich auch nicht besonders daran interessiert, die Expertin die Fakten geraderücken zu lassen. Stattdessen lässt er immer wieder die Kommentare empörter Bürger über Spritpreise einblenden und gibt Holtkotte viel Raum für ihre Beschwerden über höhere Steuern und steigende Preise. Jede aufkommende Debatte über erneuerbare Energien wird vom Moderator zunächst im Keim erstickt.

Wie kann es Entlastung für die Bürger geben?

Der kurz zugeschaltete Finanzminister rudert in Sachen Tankrabatt zurück und verweist auf die laufende Debatte innerhalb der Ampel-Koalition. „Mit mir wäre auch zu sprechen über eine steuerliche Lösung“, sagt Lindner. Im Gegensatz zur Mehrzahl der anderen Gäste gibt sich der FDP-Politiker realistisch: „Wir werden insgesamt an Wohlstand verlieren, wenn die Energiepreise steigen“, spricht er die unangenehme Wahrheit aus. Die Politik könne nur die größten Härten abfedern.

Steuersenkungen kommen bei Kemfert nicht gut an. Sie seien keine Garantie für sinkende Spritpreise, denn die Mineralölkonzerne könnten die Preise trotzdem hoch halten und noch mehr Gewinne einstreichen. Man müsse weg von fossilen Energien. Sie will ein Mobilitätsgeld, das die Menschen entlastet. Es gehe außerdem darum, dass diejenigen, die es sich leisten können, Energie sparen. Sie rechnet vor, dass ein Tempolimit 5 bis 8 Prozent der russischen Öllieferungen verringern würde und eine Reduzierung der Heiz- und Fahrtkosten sogar 10 Prozent.

Nur mühsam kann sie Holtkotte beruhigen, die sich aufregt, sie könne unmöglich noch mehr sparen. Ihr gehe es nicht um Geringverdiener, die sich einschränken sollten, sondern um die Vermeidung von Verschwendung, beteuert Kemfert mit Blick auf Familien mit drei Autos.

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